Wann die Nichtwohnsitzfiktion des NATO-Truppenstatuts eingreift

Das Hessische FG hat sich mit der Frage befasst, wann sich ein Mitglied der US-Streitkräfte "nur in dieser Eigenschaft" in Deutschland aufhält, sodass die Nichtwohnsitzfiktion nach dem NATO-Truppenstatut eingreift und hierzulande keine unbeschränkte Steuerpflicht besteht. 

Besteuerung von US-Streitkräften in Deutschland

Der Kläger war US-amerikanischer Staatsbürger und seit 1982 mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet, die er in den Jahren zuvor – während seiner Studienzeit in Deutschland – kennengelernt hatte. Im Jahr 1991 war ihre gemeinsame Tochter zur Welt gekommen. Seit Mitte der 1990er Jahre war der Kläger als Manager des zivilen Gefolges der US-Stationierungstruppen in Deutschland tätig. Im Jahr 2003 war er schließlich in die USA zurückversetzt worden, wohin ihm Ehefrau und Tochter zunächst gefolgt waren. Ein Jahr später war aber bereits seine Rückversetzung nach Deutschland erfolgt, wo sich die gesamte Familie erneut niederließ und schließlich selbstgenutztes Wohneigentum erwarb.

Das deutsche Finanzamt führte für die Jahre 2005 bis 2012 zunächst eine Zusammenveranlagung der Eheleute durch und berücksichtigte den Arbeitslohn des Klägers dabei nur über den Progressionsvorbehalt, da es den Kläger als nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig angesehen hatte. Grundlage hierfür war Artikel X des NATO-Truppenstatuts, wonach kein Wohnsitz in Deutschland anzunehmen ist, wenn sich ein Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges nur in dieser Eigenschaft im deutschen Hoheitsgebiet aufhält (Nichtwohnsitzfiktion).

Infolge eines Einspruchs gegen die Eigenheimzulagenfestsetzung des Klägers ging das Finanzamt später von einer unbeschränkten Einkommensteuerpflicht des Klägers aus, sodass es die Arbeitslöhne für 2005 bis 2012 rückwirkend als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit besteuerte. Es vertrat die Auffassung, dass die Nichtwohnsitzfiktion keine Anwendung fand, da sich der Kläger nicht nur in seiner dienstlichen Eigenschaft in Deutschland aufgehalten hatte.

Der Kläger trug hiergegen vor, dass er sich sehr wohl nur aufgrund seiner Tätigkeit für die US-Streitkräfte in Deutschland aufgehalten habe und in den Streitjahren ein unbedingter Rückkehrwille in die USA bestanden habe. 

Besteuerung des Arbeitslohns 

Das FG urteilte, dass die nachträgliche Besteuerung des Arbeitslohns für die Jahre 2005 bis 2008 rechtswidrig war, weil die Festsetzungsfrist für diese Jahre bereits abgelaufen war. Für die Jahre 2009 bis 2012 war eine nachträgliche Besteuerung des Arbeitslohns aber zu Recht erfolgt. Ein Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges hält sich nur dann ausschließlich "in dieser Eigenschaft" in Deutschland auf, sodass die Nichtwohnsitzfiktion des NATO-Truppenstatus anwendbar ist, wenn nach den gesamten Lebensumständen erkennbar ist, dass die Person fest entschlossen ist, nach Beendigung ihres Dienstes in den Ausgangsstaat zurückzukehren.

Nach der Überzeugung des Gerichts hatte sich der Kläger in den Jahren 2009 bis 2012 nicht nur in seiner Eigenschaft als Fachkraft der US-Stationierungstruppen in Deutschland aufgehalten, sein Aufenthalt war vielmehr nicht unwesentlich von privaten Motiven mitbestimmt. Hierfür sprach, dass sich der Kläger bereits seit Ende der 1970er Jahre in Deutschland aufgehalten und hier - noch vor seinem Eintritt in die US-Truppe - wesentliche persönliche Bindungen aufgebaut hatte. Hinzu kam, dass er 2004 ein Eigenheim in Deutschland erworben hatte.

Beim BFH wurde Revision eingelegt, Az beim BFH I R 35/19.

Hessisches FG Urteil vom 03.06.2019 - 2 K 534/16


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