10-Tages-Zeitraum bei Lastschrifteinzug für Umsatzsteuervorauszahlung
Die BFH-Entscheidungen datieren vom 27.06.2018 - X R 44/16 und X R 2/17. Hinweis: Der Beitrag ersetzt daher in Teilen den Beitrag vom 27.3.2019 "10-Tages-Zeitraum bei Verschiebung der Fälligkeit".
Was bedeutet "kurze Zeit"?
§ 11 EStG sieht für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, wie z. B. Umsatzsteuervorauszahlung, eine Ausnahmeregelung vor. Diese Ausgaben müssen im Jahr ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit abgezogen werden, selbst wenn sie beim Unternehmer schon kurze Zeit vor Beginn oder erst kurze Zeit nach Beendigung dieses Jahres abfließen (§ 11 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 EStG). Als "kurze Zeit"“ definiert die Rechtsprechung des BFH einen Zeitraum von bis zu 10 Tagen vor bzw. nach dem Jahreswechsel. Innerhalb dieses Zeitraums müssen die Zahlungen (nach Auffassung der Finanzverwaltung) fällig und geleistet worden sind.
Begründung des BFH
Der die regelmäßige Wiederkehr bestimmende Zahlungs- und Fälligkeitstermin beruht nach Auffassung des BFH auf einer gesetzlichen Regelung: Die Vorauszahlung ist gemäß § 18 Abs. 1 Satz 4 UStG am zehnten Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig. Bei der Ermittlung der Fälligkeit sei allein auf diese gesetzliche Frist abzustellen, nicht hingegen auf eine mögliche Verlängerung der Frist gemäß § 108 Abs. 3 AO.
Anschluss der Finanzverwaltung
Der Entscheidung des BFH hat sich die Finanzverwaltung auch angeschlossen (OFD NRW vom 17.1.2019, Kurzinfo ESt 9/2014). Danach ist die Auffassung, nach der eine Umsatzsteuerzahlung nicht im Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit abgezogen werden darf, wenn sich die gesetzliche Fälligkeit aufgrund von § 108 Abs. 3 AO auf den nachfolgenden Werktag und damit ein Datum nach dem 10.1. verschiebt, überholt. Eine Umsatzsteuervorauszahlung, die innerhalb von 10 Tagen nach Ablauf des Kalenderjahres gezahlt wird, ist nun im Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit abziehbar, wenn der 10.1. des Folgejahres auf einen Sonnabend, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt.
Was bedeutet die Entscheidung für einen erteilten Lastschrifteinzug?
Beispiel: A, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, hat seine USt-Vorauszahlung für den Monat Dezember, welche bei Anwendung des § 108 Abs. 3 AO statt am 10.1. (Sonntag), erst am 11.1. fällig war, durch einen vorher erteilten Lastschrifteinzug bezahlt.
Bei einer Zahlung per Lastschrifteinzug hatte die Finanzverwaltung - trotz des Anschlusses - aber nach wie vor die Auffassung vertreten, dass die Umsatzsteuervorauszahlung nicht im Vorjahr anzusetzen ist, wenn sich die Fälligkeit 10.1. auf den nächstfolgenden Werktag verschiebt.
So hat ein Finanzamt im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem Sächsischen FG argumentiert, dass nach der Rechtsprechung bei der Zahlung einer Umsatzsteuervorauszahlung per Lastschrifteinzug ein Abfluss i. S. d. § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG bereits dann vorliegt, wenn der Steuerpflichtige durch die Erteilung der Einzugsermächtigung und einer ausreichenden Deckung seines Girokontos alles in seiner Macht Stehende getan hat, um die Zahlung der Steuerschuld zum Zeitpunkt der Fälligkeit (als Zahlungszeitpunkt wurde somit der hinausgeschobene Fälligkeitstag angenommen) zu gewährleisten. Der Sachverhalt, welcher der BFH-Entscheidung zugrunde lag, sei nicht zu vergleichen, da die Umsatzsteuervorauszahlung innerhalb der 10 Tage nach Ablauf des Kalenderjahres durch Banküberweisung gezahlt worden sei.
Sächsisches FG: Umsatzsteuervorauszahlung zum Fälligkeitstag bewirkt
Diese Auffassung hat das Sächsische FG aber richtigerweise nicht geteilt (rechtskräftiges Urteil vom 07.11.2019 - 6 K 1106/19). Bei hinreichender Deckung des Kontos gilt die Zahlung der Umsatzsteuervorauszahlung zum Fälligkeitstag als bewirkt, und zwar auch dann, wenn das Finanzamt die Forderung tatsächlich erst später einzieht. Der gesetzliche Fälligkeitstermin für die Umsatzsteuervorauszahlung für das 4. Quartal fällt gemäß § 18 Abs. 1 Satz 4 UStG auf den 10.1. Die Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG scheitert auch nicht daran, dass der fiktive Abflusszeitpunkt am Fälligkeitstag bei Anwendung des § 108 Abs. 3 AO erst auf Montag, den 11.1., und damit außerhalb des 10-Tageszeitraums gelegen hätte. Denn das FG vertritt die Auffassung, dass § 108 Abs. 3 AO im Rahmen der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG vorliegen, sowohl für den Zahlungszeitpunkt als auch für die Fälligkeit bedeutungslos ist. Es ist alleine auf die gesetzliche Frist abzustellen, nicht hingegen auf eine mögliche Verlängerung der Frist.
Anschluss der Finanzverwaltung
Anhand zweier Verwaltungsanweisungen, scheint es so zu sein, dass sich die Finanzverwaltung auch der Auffassung des Sächsischen FG angeschlossen hat, sodass bei erteilter Lastschrift-Einzugsermächtigung der Abfluss grundsätzlich im Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlung anzunehmen ist (vgl. FinMin Schleswig-Holstein, Einkommensteuer-Kurzinformation Nr. 2019/22 v. 20.11.2019 sowie BayLfSt, Verfügung v. 30.1.2020, S 2226.2.1 – 5/14 St 32).
A kann daher die Umsatzsteuerzahlung für das 4. Quartal im Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit als Betriebsausgabe erfassen.
Eine Frage bleibt...
Fraglich bleibt in diesem Zusammenhang folgender Sachverhalt: Wie oben, aber A hat die Umsatzsteuervoranmeldung erst am Montag den 11.1. (fristgerecht da der 10.1. ein Sonntag) elektronisch übermittelt.
Da die steuerrechtliche Fälligkeit nicht vor Festsetzung (Anmeldung) der Steuer eintreten kann, kann es durchaus sein, dass die Finanzämter eine solche Zahlung erst dem Folgejahr zuordnen, weil weder die Fälligkeit, noch der Zahlungszeitpunkt innerhalb des 10-Tage-Zeitraums liegen.
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