Abzug von Erhaltungsaufwendungen im Erbfall

Ungeklärt war bislang, ob nach § 82b Abs. 1 Satz 1 EStDV auf 2 bis 5 Jahre verteilte Erhaltungsaufwendungen eines Steuerpflichtigen, soweit sie bei seinem Tod noch nicht verbraucht sind, auf seine Erben übergehen und diese die Verteilung fortsetzen müssen.

Grundsätzlich sind Werbungskosten nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG in dem Veranlagungszeitraum abzuziehen, in dem sie geleistet worden sind. Nach § 82b Abs. 1 Satz 1 EStDV kann der Steuerpflichtige größere Aufwendungen für die Erhaltung von Gebäuden, die im Zeitpunkt der Leistung des Erhaltungsaufwands nicht zu einem Betriebsvermögen gehören und überwiegend Wohnzwecken dienen, abweichend von § 11 Abs. 2 EStG auf 2 bis 5 Jahre gleichmäßig verteilen.

Beispiel: Gleichmäßige Verteilung von Instandhaltungsaufwendungen

V ist Eigentümer eines vermieteten Sechsfamilienhauses, aus dem er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Im Kalenderjahr 2019 hat er Erhaltungsaufwendungen für das Gebäude von 60.000 EUR verausgabt. In seiner Einkommensteuererklärung 2019 hat V nach § 82b Abs. 1 Satz 1 EStG die Instandhaltungsaufwendungen gleichmäßig mit je 30.000 EUR auf die Jahre 2019 und 2020 verteilt. Der noch nicht verbrauchte Erhaltungsaufwand beträgt am 31.12.2019 somit 30.000 EUR. V ist Ende April 2020 verstorben. Alleinerbe ist sein Sohn S.

In der für V eingereichten Einkommensteuererklärung 2020 wurde der noch nicht verteilte Erhaltungsaufwand von 30.000 Euro in voller Höhe als Werbungskosten geltend gemacht. Das Finanzamt ist dagegen der Auffassung, dass bei der Veranlagung des V für 2020 nur Erhaltungsaufwendungen von ⅓ von 30.000 EUR = 10.000 EUR (also in der Höhe, die dem auf die Monate Januar bis April 2020 entfallenden Anteil des an sich für 2020 angefallenen Jahresbetrags) zu berücksichtigen sind. Der Restbetrag von 20.000 EUR sei bei dem Alleinerben S zu berücksichtigen, der die von V vorgenommene Verteilung fortsetzen müsse.

Richtlinienregelung: R 21.1 Abs. 6 EStR

Wird das Eigentum an einem Gebäude unentgeltlich auf einen anderen übertragen, kann der Rechtsnachfolger Erhaltungsaufwand noch in dem von seinem Rechtsvorgänger gewählten restlichen Verteilungszeitraum geltend machen (R 21.1 Abs. 6 Satz 2 EStR). Dabei ist der Teil des Erhaltungsaufwands, der auf den Veranlagungszeitraum des Eigentumswechsels entfällt, entsprechend der Besitzdauer auf den Rechtsvorgänger und den Rechtsnachfolger aufzuteilen (R 21.1 Abs. 6 Satz 3 EStR). Diese Regelung umfasst die unentgeltliche Einzelrechtsnachfolge, wenn also eine Immobilie unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen wird. Ob diese Regelung auch für die Gesamtrechtsnachfolge im Rahmen eines Erbfalls gelten soll, ist nicht eindeutig.

Aktuelle Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich jüngst zu der Frage geäußert, wie mit der Verteilung von Erhaltungsaufwendungen auf der Grundlage des Wahlrechts nach § 82b EStDV umzugehen ist, wenn der Steuerpflichtige innerhalb des 2- bis 5-jährigen Verteilungszeitraums stirbt. Der BFH hat entschieden, dass der noch nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen im Veranlagungsjahr des Versterbens als Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des verstorbenen Eigentümers abzusetzen ist (BFH, Urteil v. 10.11.2020, IX R 31/19).

Die steuerliche Situation ist nach Auffassung des BFH im Todesfall vergleichbar mit den übrigen ausdrücklich in § 82b Abs. 2 EStDV genannten Fällen.  Nach § 82b Abs. 2 Satz 1 EStDV ist der noch nicht berücksichtigte Teil des Erhaltungsaufwands im Jahr der Veräußerung des Gebäudes als Werbungskosten abzusetzen. Gleiches gilt, wenn ein Gebäude in ein Betriebsvermögen eingebracht oder nicht mehr zur Einkunftserzielung genutzt wird (§ 82 Abs. 2 Satz 2 EStDV).

Richtlinienregelung ist überholt

Der BFH hält die Richtlinienregelung für überholt. Sie hatte ihren Sinn in Veranlagungszeiträumen, in denen nach der Rechtsprechung des BFH die Fortführung eines steuerlichen Verlustvortrags des Erblassers bei den Erben möglich war. Mit der Änderung der Rechtsprechung zur Vererblichkeit des Verlustabzugs nach § 10d EStG in der Folge der Entscheidung des Großen Senats des BFH (Beschluss v. 17.12.2007, GrS 2/04) sei der Rechtsgrund für die Regelung in R 21.1 Abs. 6 Satz 2 EStR  entfallen.

Tipp: Änderungsantrag stellen und Wahlrecht anderweitig ausüben

Es kann sein, dass sich der Abzug des verbleibenden Betrages im Todesjahr ungünstig auswirkt, weil der Erblasser in diesem Jahr im Vergleich zu den Vorjahren nur noch geringe Einkünfte erzielt hat. In diesen Fällen sollte geprüft werden, ob das Wahlrecht im Entstehungsjahr nachträglich dahingehend ausgeübt wird, dass keine Verteilung mehr beantragt, sondern der volle Werbungskostenabzug im Entstehungsjahr beantragt wird.

Wenn die Ausübung eines Wahlrechts (wie im Fall der Verteilung von Erhaltungsaufwendungen nach § 82b Abs. 1 EStG) den Steuerpflichtigen für mehrere Veranlagungszeiträume bindet, tritt diese Bindung allerdings bereits dann ein, wenn nur der erste Veranlagungszeitraum bestandskräftig veranlagt wurde (BFH, Urteil v. 27.10.1992, IX R 60/90). Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Eintritt der formellen Bestandskraft die zeitliche Grenze für die anderweitige Ausübung von Antrags- oder Wahlrechten bildet, macht die Rechtsprechung aber dann, wenn der ursprüngliche Bescheid noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht.


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