Berichte aus der Praxis


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Berichte aus der Praxis

Nachfolgende Sachverhalte und zugehörige Tipps basieren auf realen Erfahrungen, die mir in der täglichen Praxis nicht nur einmal begegnet sind. Sie entstanden im Umfeld von Schulungen und Beratungen von Führungskräften, die anschließend darüber mit ihrer Steuerberatung ins Gespräch kamen (wobei sich schon die Frage stellt, warum die Steuerberatung nicht erster Ansprechpartner war).

Vorausgeschickt: Zu meinen öffentlichen Seminaren kommt, wer will. Ich lerne die Teilnehmer meist erst am Seminartag kennen, schule sie und frage einige Zeit später, ob sie etwas umsetzen konnten. Ich frage später, wie die Steuerberatung reagierte, mit manchen Kanzleien komme ich anschließend in Kontakt. Die Rückmeldungen sind unterschiedlich von positiv bis ablehnend, aber jedes Mal aussagekräftig.

Die folgenden Beispiele sind Hinweise, wie man eher nicht reagieren sollte, wenn Mandanten eine betriebswirtschaftliche Beratung aufbauen möchten. Überlegen Sie aufrichtig, wie Sie in den folgenden Fällen reagieren würden. Ideal ist, wenn Sie sich über Mandanten, die auf Augenhöhe mit Ihnen kooperieren möchten, freuen können.

Betriebswirtschaftliche Beratung als Unbotmäßigkeit

Angenommen, eine Mandantin teilt Ihnen beim nächsten Gespräch mit, Sie habe eine Schulung zu den Grundlagen der BWA besucht und möchte zukünftig den Wertenachweis sehen. Auch fände sie es schön, wenn ab sofort Abschreibungen und Rückstellungen monatlich abgegrenzt würden.

Wie reagieren Sie?

  • Sind Sie irritiert, weil sich diese Mandantin ohne vormalige Rücksprache extern fortgebildet hat?
  • Sind Sie verschnupft, weil sich Ihre Kundin die Angelegenheit nicht von Ihnen hat erklären lassen?
  • Fühlen Sie sich ertappt, weil Sie das vielleicht selbst hätten vorschlagen sollen?

Solche Bedenken sollten Sie ablegen, auch wenn sie Ihnen kurzfristig unangenehm sind.

Mein Tipp: Freuen Sie sich, dass damit die Leistung von Steuerberatern eine weitere Aufwertung erhält, weil endlich Buchführung nicht nur als notwendiges Übel empfunden wird, sondern als wertvolle Dienstleistung für eine erfolgreiche Unternehmensführung. Nutzen Sie die Chance, diese Leistung für Ihre Mandantin weiterzuentwickeln.

Betriebswirtschaftliche Beratung als Bedrohung

Angenommen, ein Mandant wünscht ab dem Jahreswechsel den Aufbau einer Kosten- und Leistungsrechnung mit Kostenstellen, Kostenträgern und womöglich einer Plankostenrechnung mit allem drum und dran.

Sie wissen, dass es wahrscheinlich der erste und einzige Mandant bleiben dürfte, keiner hat in den letzten Jahren nach einer Kostenrechnung gefragt und die wenigen Kostenrechner in der Kundschaft arbeiten intern mit eigenen Kräften. Ihre Mitarbeiter haben demnach keine praktische Erfahrung und müssten geschult werden, und das bei gegebener Zeit- und Personalknappheit. Zudem erinnern Sie sich an die Zahlenfriedhöfe in Firmen, deren Kostenrechnung ungenutzt blieb, und zu allem Überfluss beinhaltet Ihre Kanzleisoftware noch kein KLR-Modul, das Sie also zukaufen müssten.

Wie reagieren Sie?

  • Versuchen Sie, dem Kunden die Idee auszureden oder netter formuliert: Wollen Sie ihn vor diesem „Fehler“ und Ihre Kanzlei vor dem verbundenen Ärger schützen? Schließlich braucht er „so etwas“ nicht wirklich?
  • Oder nutzen Sie die Chance, nach seinen Beweggründen zu fragen? Suchen Sie in Kooperation Fachleute, Kolleginnen und Kollegen, Drittanbieter, die darauf spezialisiert sind und nutzen Sie die Gelegenheit, sich und Ihre Kanzlei wieder fit zu machen in dem Thema?

Mein Tipp: Freuen Sie sich über diesen Kunden. Eine so weitreichende Leistung fragen die wenigsten aktiv ab. Mit diesem Einstiegskunden besteht die Möglichkeit, die gewonnen Erfahrungen zukünftig in neue Produkte für andere Mandanten umzusetzen.

Betriebswirtschaftliches Training als Affront

Angenommen, ein Mandant hat ein Seminar besucht und dabei erfahren, dass man eine BWA durchaus monatlich erhalten sollte (ich rede jetzt nicht von Mandanten, die ihre monatliche BWA desinteressiert ablegen), statt einmal im Jahr bei der Abschlussbesprechung.

Und bezüglich monatlicher BWAs hat er gelernt, wie sinnvoll es in seinem Unternehmen wäre, Materialverbräuche monatlich abzugrenzen. Und, dass dies unterjährig sogar auf Schätzbasis hätte geschehen können, um organisatorisch aufwendige Umstellungen im Betrieb zu vermeiden.

Auch hat er von Ihnen noch nie etwas von dem Wertenachweis gehört, mit dem BWA Positionen durch eine Auflistung der dahinter stehenden T-Konten schnell bis zum Einzelbeleg überprüft werden können. Und zu allem Überfluss fragt er Sie, warum Sie ihm nicht von den Vergleichs-BWAs erzählt haben, die DATEV oder auch andere auf Knopfdruck für seine Branche zur Verfügung stellen können.

Um es kurz zu machen: Eine betriebswirtschaftliche Beratung hat bisher kaum stattgefunden. Und das ist aufgefallen.

Natürlich ist das unangenehm. Hier ist ein Dritter, ein Trainer, in Ihre Domäne eingedrungen und hat dem Mandanten Dinge erzählt, die Sie hätten vermitteln können. So jedenfalls könnten Sie empfinden. Tatsächlich hat sich Ihr Mandant lediglich extern Wissen angeeignet, der Seminaranbieter hat seinen Job gemacht.

Wie reagieren Sie?

Sie schimpfen innerlich, dass der Mandant, der sich noch nie für seine BWA interessierte, plötzlich mit solchen Fragen daherkommt? Sie sind verärgert über den externen Berater, der Sie hat schlecht aussehen lassen? Sie entrüsten sich, weil Mandanten wieder mal alles haben wollen, aber sicher nichts zu zahlen bereit sind?

Nicht selten erlebe ich beim Vorschlag, Mandanten zu schulen, empörte Reaktionen: Das mache man doch selbst, man habe schließlich ein gutes Vertrauensverhältnis (als ob Schulung ein Misstrauensbeweis sei), es sei doch eine Selbstverständlichkeit, Mandanten dies alles zu erklären, und auf Nachfrage: selbstverständlich schule man auch die Grundlagen von Soll und Haben. Die Fassungslosigkeit schon ob des Vorschlags ist manchmal körperlich greifbar.

Frage ich meine Kunden, ob sie diese Selbsteinschätzung der Steuerberatung teilen, höre ich oft eine andere Sichtweise. Viele Kanzleien werden umdenken müssen.

Mein Tipp: Freuen Sie sich, dass Sie völlig kostenlos wertvolle Hinweise bekommen haben, was Sie auch anderen Mandanten anbieten können, wo bei manchen der Schuh drückt. Und dass Sie sich getäuscht haben! Denn der Mandant zahlt eben doch für betriebswirtschaftliche Beratung. Oder glauben Sie, er hat das Seminar umsonst bekommen? Und kontaktieren Sie mal den Trainer, der kann Ihnen offensichtlich Geschäft liefern.

Betriebswirtschaftliche Beratung als Zeitfresser

Schließlich, auch wenn das keine Befindlichkeit ist, sondern schon ein echtes Problem, leiden viele Kanzleien unter akutem Zeit- und Personalmangel. Aber in der Branche ist das Problem bekannt, es gibt eine wachsende Zahl von Hilfsangeboten, von langfristigen strategischen Beratungen über organisatorische Maßnahmen wie Dokumentenmanagementsystemen bis hin zu digitaler Buchführung, moderner Software und modernen Methoden der Personalführung vom Home Office bis zu aktiven Maßnahmen der Mitarbeiterbindung und einer insgesamt besseren strategischen Ausrichtung der Kanzlei.

Für die betriebswirtschaftliche Beratung sollten Sie aber wissen, dass Sie dafür nicht unbedingt Steuerfachangestellte und Steuerberater benötigen. Ganz im Gegenteil, ein großer Teil der Aufgaben können Controller und Betriebswirte übernehmen, sodass Sie Ihren Personalbestand aus anderen Berufsbildern ergänzen können. Darin liegt eine echte Chance.

Fazit: Betriebswirtschaftliche Beratung ist nicht Steuerberatung. Führen Sie das neue Geschäftsfeld offener, kooperieren Sie mit Dritten, sehen Sie Mandanten in diesem Feld als kompetente Partner auf Augenhöhe und entwickeln Sie Ihre Kanzlei weiter zu einem Anbieter auch von professionellen betriebswirtschaftlichen Dienstleistungen. Es lohnt sich!