Struktur erfolgreicher Kanzleien in der betriebswirtschaftlichen Beratung
Die verantwortlichen Steuerberaterinnen und Steuerberater haben einen höheren Anteil an betriebswirtschaftlicher Ausbildung.
Sie sprechen Mandanten gezielt an und leisten Überzeugungsarbeit.
Sie sind Vorreiter auch in anderen Bereichen, z. B.:
- mit Buchhaltung Online
- mit einem modernen Internetauftritt
- mit der Ergänzung des Teams durch Kaufleute oder administrative Kräfte
- mit gezielter Nachwuchsarbeit bis hin zu einem Facebook-Auftritt
- mit einer Offenheit für Kooperationen und die Bereitschaft, sich in einem weniger geregelten Markt dem Wettbewerb zu stellen
- und mit vielen Merkmalen mehr
Natürlich muss man nicht auf Facebook sein, um betriebswirtschaftlich kompetent zu beraten. Es scheint mehr eine Frage der generellen Haltung zu sein, ob man sich im tradierten Bild der Steuerberatung zuhause fühlt oder die Kanzlei zeitgemäß weiterentwickelt. Junge Nachwuchskräfte und passende Auszubildende muss man eben auch dort ansprechen, wo sie sich tummeln – etwa auf Facebook.
Konkrete Vorschläge
Folgendes hat sich bewährt:
- Entscheiden Sie bewusst, betriebswirtschaftliche Beratung aktiv aufbauen zu wollen, also konsequent und nicht nur „nebenbei“.
- Prüfen Sie, ob Sie und Ihre Mitarbeiter daran Spaß haben und entsprechend ausgebildet sind.
- Seien Sie nicht beleidigt, wenn ersichtlich wird, dass Ihre bisherige betriebswirtschaftliche Beratung nicht ausreichend war.
- Sprechen Sie gezielt zunächst höchstens 10 % der Mandanten an, bei denen Sie Bedarf vermuten.
- Fangen Sie nicht mit komplexen Themen an, bleiben Sie bei den grundlegenden Schritten, etwa BWA-Positionen schrittweise durchzusprechen und mit Branchenvergleichen zu hinterfragen.
- Vermeiden Sie anfangs wichtig klingende Begriffe wie „EBITDA“ oder „Working Capital“, bleiben Sie praxisnah. „Rohertrag“ und „Betriebsergebnis“ sind auch schon relevante Größen.
- Führen Sie Buch über die vielen großen und kleinen Vorteile, die Mandanten damit erreichen und kommunizieren Sie diese aktiv.
- Nennen Sie die Höhe der Beratungskosten vorab.
- Berechnen Sie monatlich, lassen Sie keine großen Summen auflaufen.
- Arbeiten Sie mit Partnern, wenn Sie Know-how ergänzen müssen.
10 wichtige Einzelpunkte
1. Setzen Sie keine Kenntnisse voraus
Äußern Sie gegenüber Ihren Mandanten ausdrücklich, dass Sie keine Vorkenntnisse erwarten und gerne beim Verständnis helfen. Erwähnen Sie, dass die meisten Führungskräfte, auch Kaufleute, das Wissen nach jahrelanger Tätigkeit in einem anderen Bereich nicht mehr haben können. Geben Sie Ihren Kunden das gute Gefühl, zunächst nichts wissen zu dürfen.
2. T-Konten mit Soll und Haben
Sorgen Sie als erstes dafür, dass Ihre interessierten Mandanten Soll und Haben verstehen und T-Konten lesen können. Ich bin fest davon überzeugt, dass ohne dieses Wissen niemand eine Bilanz oder BWA richtig interpretieren und verstehen kann.
Wie sollen Entscheider am Schreibtisch die Zahlen schnell analysieren können, wenn sie nicht wissen, was eine auffällige Habenbuchung auf einem Aufwandskonto bedeuten könnte? Und wie sonst soll man neue Sachverhalte schnell und übersichtlich abbilden, um die Liquiditäts- und Erfolgswirkung zu erläutern?
3. Erfolg und Liquidität
Sorgen Sie ebenfalls dafür, dass Ihre Mandanten den Unterschied zwischen Erfolg und Liquidität „aus dem FF“ beherrschen. Dem Thema habe ich eine ganze
Podcastfolge gewidmet, die man kostenlos abrufen kann.
Alle Beratung wird obsolet, wenn nicht nachvollzogen werden kann, warum Abschreibungen und Rückstellungen sehr wohl ein Problem werden können, obwohl das Bankkonto nicht belastet wird. Sie ersparen sich auch die Frage, wo denn das Bankkonto in der BWA zu finden ist.
4. Vermeiden Sie nach Möglichkeit Gesetzestexte
Auch wenn die Versuchung noch so groß ist: Gesetze haben in betriebswirtschaftlichen Beratungen (fast) nichts zu suchen. Ist der Personalaufwand im Branchen-BWA-Vergleich bei Ihrem Mandanten kontinuierlich 10 % höher als bei den Vergleichsfirmen, ist Handlungsbedarf angesagt.
Gesetze braucht man dazu nicht. Verunsichern Sie Ihre Mandanten nicht mit Rechtsnormen.
5. Bedeutung von Abgrenzungen
Vermitteln Sie die Einsicht, dass monatliche BWAs nur dann sinnvoll sind, wenn sie richtig abgegrenzt werden. Nicht mit buchhalterischer Genauigkeit, sondern in dem Maß, wie es für Entscheidungsfindungen ausreicht. Vereinbaren Sie mit dem Mandanten Vereinfachungen, etwa Schätzwerte beim Materialverbrauch, wenn die interne Umsetzung schwierig wird.
6. Gehen Sie in Vorleistung
Laden Sie ein oder zwei Testkunden zu Mandantengesprächen ein, in denen Sie die BWA-Veränderungen erklären und erstmals mit dem Wertenachweis arbeiten, um auffällige Positionen zu hinterfragen. Sie bekommen aus den Reaktionen wichtige Rückmeldungen, auf was Sie achten müssen, was Ihrem Kunden hilft und was ihn oder sie überzeugt.
7. Beginnen Sie mit kleinen Schritten
Man muss nicht immer die ganze BWA durchsprechen. Nehmen Sie sich nur eine Position heraus, und Ihren Mandanten aufzuzeigen, welche Vorteile sie von einer Durchsicht haben. Besonders geeignet sind die „Sonstigen Aufwendungen“. Besprechen Sie nur diese eine Position mit ihnen in Ruhe und sagen Sie dann, dass man den Rest gelegentlich besprechen könne.
Beständigkeit in kleinen Schritten geht vor „alles auf einmal“.
8. Berechnen und zeigen Sie die Vorteile
Die Analyse der „Sonstigen Aufwendungen“ hat monatliche Abonnementkosten für eine Fachzeitschrift zutage gefördert, die keiner mehr braucht? Die 120 EUR Jahresgebühr laufen schon zwei Jahre unnötig mit? Es wäre wenigstens bis Ende nächsten Jahres so weitergegangen, womöglich noch länger?
Die gleiche BWA-Durchsicht schon vor zwei Jahren hätte demnach 360 EUR gespart. Wenigstens. Das nächste Beratungsgespräch hätte sich damit schon selbst finanziert. Führen Sie Buch über die erzielten Vorteile und zeigen Sie den Mehrwert auf. Dann steigt auch die Zahlungsbereitschaft Ihrer Kunden.
9. Überraschen Sie Ihre Mandanten
Drucken Sie zur nächsten Besprechung mit Ihrem Bäckermeister einfach mal ungefragt die Vergleichs-BWA aus. Gehen Sie die Positionen mit ihm durch und zeigen Sie auf, wie das Ganze beim Wettbewerb aussieht.
Auch wenn solche Vergleichs-BWAs mit Vorsicht zu genießen sind, etwa weil manche Sachverhalte in Firmen unterschiedlich gebucht werden, so sind sie aber doch ein ganz hervorragender Türöffner für Diskussionen. Und Ihr Mandant merkt, dass Sie sich kümmern.
10. Sprechen Sie zukünftige Beratungskosten offen an
Teilen Sie von Anfang an mit, dass Sie Ihren Mandanten „fit“ machen wollen für die betriebswirtschaftliche Nutzung der Zahlen, und dass er oder sie zukünftig sehr nützliche BWAs bekommen kann.
Nennen Sie einen Stundenpreis oder auch ein Pauschale für die intensive gemeinsame Durchsicht der BWA, wenn diese über das übliche Maß hinausgeht. Verpflichten Sie sich gemeinsam, die konkreten Ergebnisse der Beratung zu benennen und in Geldvorteil auszudrücken, was meist möglich ist.
Legen Sie los!
Insgesamt ist die betriebswirtschaftliche Beratung ein lohnendes, brachliegendes, vernachlässigtes Geschäftsfeld, das Sie besetzen und für sich ein Alleinstellungsmerkmal aufbauen können.
- Sie fokussieren sich auf einen Wachstumsmarkt, während alte Märkte wegbrechen
- Die Kundenbindung steigt, weil Sie mehr „aus einer Hand“ anbieten können
- Der sichtbar gemachte Nutzen erleichtert die Abrechnung der Beratung
- Sie können Mitarbeiter einstellen, die nicht Steuerfachleute sein müssen
- Der Einstieg kann schrittweise erfolgen
- Sie können Partner finden, um Ihr Know-how zu ergänzen
- Mandanten sind dankbar schon für erste kleine Schritte
- Ein Kanzleiwechsel wird für Mandanten schwieriger, weil nicht jeder Kollege/jede Kollegin diesen Mehrwert anbieten kann
- Schon mit ein wenig Initiative sind Sie der durchschnittlichen Steuerberatung voraus
- Ihre Kunden werden erfolgreicher, stabiler, bleiben langfristiger, schlicht weil sie jetzt ihre Zahlen sinnvoll nutzen können
Ich erlaube mir an dieser Stelle die Frage, ob der Steuerberater angesichts der stetigen Rechtsänderungen und der damit zusammenhängenden unbedingt umzusetzenden organisatorischen Anpassungen (Aktualisierung der internen Prozessabläufe in der Kanzlei UND die Überwachung das diese auch eingehalten werden) überhaupt noch Zeit hat sich um betriebswirtschaftliche Beratung zu kümmern.
Nicht nur, dass das Finanzamt immer mehr und immer komplexere Aufgaben auf den Steuerbürger - und damit auch auf den Steuerberater - überträgt. Auch die Erwartungshaltung des Mandanten geht eher dahin das er sinkende Preise für die Steuerberaterleistung zu erhalten.
Wenn der Steuerberater diesen Konflikt nicht auflöst bleibt nicht nur keine Zeit, sondern auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht kein Raum, diese Beratung zu leisten.
Das der Themenkomplex betriebswirtschaftliche Beratung von Seiten der Datev eG unheimlich in den Vordergrund gestellt und Softwaretechnisch unterstützt wird ändert die vorherrschende Praxis auch nicht unbedingt. Das Auseinandersetzen mit den Beratungstools ist zeitaufwändig und nur zielführend wenn man sich methodisch auskennt. Rückfragen zu den Auswertungen zu beantworten ist in diesem Kontext schwierig und kann schnell eine weitere Hürde darstellen.
Alles in Allem betrachtet gibt es doch einige Punkte, die den Steuerberater davon abhalten dediziert und nicht nur mal nebenher betriebswirtschaftlich zu beraten.