Die X-Ltd. verfügt über das für die Einkaufs- und Verkaufstätigkeit erforderliche eigene kaufmännische Personal, allerdings nicht über die erforderliche technische Expertise. Regelmäßig nehmen daher Techniker der B-GmbH, einer 100 %-igen, in Deutschland ansässigen Tochtergesellschaft der A-GmbH, an den Verkaufsverhandlungen der X-Ltd. mit Kunden teil. In der B-GmbH ist die Forschung und Entwicklung des Konzerns der A-GmbH, und damit die technische Expertise, gebündelt. Aufgabe der Mitarbeiter der B-GmbH ist es, die technischen Eigenschaften der zu liefernden Maschine festzulegen und die diesbezüglichen Teile der Verkaufsverträge zu formulieren. Die Teilnahme der Mitarbeiter der B-GmbH werden von der X-Ltd. angemessen an die B-GmbH vergütet.
Muss die A-GmbH den Gewinn der X-Ltd. als Hinzurechnungsbetrag nach § 10 AStG versteuern?
Hinweis zu den Fällen: Die in dieser Serie erscheinenden Fälle zum Brexit sind aus der Sicht des immer wahrscheinlicher werdenden "harten" Brexits entworfen worden. Sie behandeln die wesentlichen steuerlichen Fragen, die durch das Ausscheiden von UK aus der EU entstehen.
Lösung:
Die X-Ltd. ist eine Zwischengesellschaft der A-GmbH, so dass der Gewinn der X-Ltd. bei der A-GmbH der KSt und der GewSt unterliegt.
Hintergrundinfo:
Zu einer Hinzurechnungsbesteuerung kommt es nach §§ 7, 8 AStG, soweit ein unbeschränkt Steuerpflichtiger (hier: die A-GmbH) allein oder zusammen mit anderen unbeschränkt Steuerpflichtigen zu mehr als 50 % an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt ist, die ausländische Gesellschaft einer niedrigen Besteuerung unterliegt und Einkünfte bezieht, die nicht in dem "Aktivkatalog" des § 8 Abs. 1 AStG aufgelistet sind.
Im vorliegenden Fall ist problematisch, ob die X-Ltd. "aktive" oder "passive" Einkünfte erzielt. Die übrigen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1, 2 und des § 8 Abs. 1, 3 AStG liegen unzweifelhaft vor. Die A-GmbH ist zu 100 % direkt an der X-Ltd. beteiligt und erfüllt damit die Voraussetzung des § 7 Abs. 2 AStG. Außerdem beträgt die Besteuerung in UK gegenwärtig 19 %, ab 2020 weiter reduziert auf 17 %, und damit weniger als 25 %, so dass auch die Voraussetzung des § 8 Abs. 3 AStG erfüllt sind.
Die Tätigkeit der X-Ltd. stellt "Handel" i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG dar. Handel führt zu aktiven Einkünften, jedoch nicht, soweit ein in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter, der zu mehr als 50 % an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist, oder eine ihm nahestehende Person der ausländischen Gesellschaft die Verfügungsmacht an den gehandelten Waren verschafft. Im vorliegenden Fall ist dies erfüllt, da die A-GmbH, die zu 100 % an der X-Ltd. beteiligt ist, die Maschinen an die X-Ltd. verkauft. Da die X-Ltd. im eigenen Namen und auf eigene Rechnung handelt, wird ihr das Eigentum und damit die Verfügungsmacht an den Maschinen übertragen. Die X-Ltd. ist damit in der Lage, die Maschinen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung weiterzuveräußern; sie hat also Verfügungsmacht über die Maschinen.
Handel führt aber trotz des Einkaufs bei einem Gesellschafter i. S. d. § 7 AStG zu "aktiven" Einkünften, soweit die A-GmbH nachweist, dass die X-Ltd. einen für ihre Handelstätigkeit in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr unterhält. Beide Voraussetezungen sind erfüllt. Die X-Ltd. verfügt über das erforderliche kaufmännische Personal (Verkäufer, sonstiges kaufmännisches Personal) und nimmt auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil, weil sie die Maschinen an eine unbestimmte Anzahl von Kunden in Drittstaaten veräußert. Dass die X-Ltd. nicht über die notwendige technische Expertise verfügt, ist auf dieser Stufe der Prüfung unbeachtlich, da das Gesetz nur auf den "kaufmännischen" Geschäftsbetrieb abstellt, nicht auf den Bereich "Technik".
Das Gesetz enthält in § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG im letzten Halbsatz jedoch eine Gegenausnahme. Danach ist der Handel trotz Vorliegens eines in kaufmännischer Weuise eingerichteten Geschäftsbetriebs nur dann "aktiv", wenn keine schädliche Mitwirkung des Gesellschafters oder einer ihm nahestehenden unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtigen Person stattfindet. Eine schädliche Mitwirkung liegt in der Teilnahme solcher Personen bei der Vorbereitung, dem Abschluss oder der Ausführung der Geschäfte vor. Das gilt auch, wenn die Teilnahme solcher Personen angemessen vergütet wird. Unschädlich ist die Teilnahme solcher Personen nur, wenn die Beteiligung nur bei einzelnen Geschäften von untergeordneter Bedutung erfolgt, oder wenn notwendige Nebenleistungen erbracht werden, wie die technische Einweisung des Kunden durch den Hersteller der Maschinen (hierzu Rz. 8.1.4.3.1 und Rz. 8.1.4.3.2 der Verwaltungsgrundsätze Außensteuergesetz v. 14.5.2004, IV B 4 – S 1340-11/04, BStBl I 2004, 3) Die B-GmbH ist eine nahestehende Person i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG. Dazu reicht eine Beteiligung der A-GmbH von 25 % aus. Die Mitwirkung der Mitarbeiter der B-GmbH geht auch über eine untergeordnete Bedeutung und das Erbringen von Nebenleistungen hinaus. Die technische Definition der zu liefernden Maschine und die entsprechende Teilnahme an den Vertragsverhandlungen sowie die Formulierung der entsprechenden Teile der Verkaufsverträge geht über den Rahmen einer Nebenleistung deutlich hinaus. Die Handelstätigkeit der X-Ltd. erfüllt also nicht die Voraussetzungen einer "aktiven" Tätigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG. Die X-Ltd. ist vielmehr eine "Zwischengesellschaft".
Hinweis: Nachweis der wirtschaftlichen Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat Da UK nicht mehr zur EU gehört, greift auch der Schutz des § 8 Abs. 2 AStG nicht ein. Danach ist eine Gesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in der EU oder dem EWR nicht Zwischengesellschaft, wenn nachgewiesen wird, dass die Gesellschaft einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit in ihrem Ansässigkeitsstaat nachgeht. Insoweit wäre eine Beteiligung des Gesellschafters oder von nahestehenden Personen nicht schädlich. Die X-Ltd. geht mit ihren Verkaufsaktivitäten auch einer tatsächliche wirtschaftlichen Tätigkeit nach. Würde UK noch zur EU gehören, wäre die X-Ltd. daher nicht Zwischengesellschaft. Ob § 8 Abs. 2 AStG analog auch für Drittstaaten gelten soll, könnte in dem EuGH-Verfahren C-135/17 angesprochen werden. In dem Vorlagebeschluss des BFH ist diese Frage jedoch nicht problematisiert worden, so dass eine diesbezügliche Entscheidung des EuGH kaum zu erwarten ist (BFH v. 12.10.2016, I R 80/14, BStBl II 2017, 615, BFH/NV 2017, 636; AktZ des EuGH C-135/17). |
Da die Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 Abs. 1 AStG eine Beteiligung von mehr als 50 % voraussetzt, ist europarechtlich die Niederlassungsfreiheit, nicht die Kapitalverkehrsfreiheit, anzuwenden. Der Stpfl. kann sich daher nicht auf die Kapitalverkehrsfreiheit, § 63 AEUV, berufen, die auch für UK als Drittstaat gelten würde.
Für die X-Ltd. ist daher ein Hinzurechnungsbetrag nach § 10 AStG nach deutschen steuerlichen Vorschriften zu ermitteln. Er gilt nach § 10 Abs. 2 S. 1 AStG als unmittelbar nach Abschluss des Wirtschaftsjahres der X-Ltd. zugeflossen. Dieser Betrag unterliegt in Deutschland der Körperschaftsteuer und nach § 7 S. 7 GewStG auch der Gewerbesteuer. Eine etwaige Steuer in UK kann nach § 10 Abs. 1 S. 1 AStG von der Bemessungsgrundlage abgezogen oder nach § 12 AStG auf Antrag angerechnet werden. Auf den Hinzurechnungsbetrag ist nach § 10 Abs. 2 S. 3 AStG die Steuerfreistellung des § 8b Abs. 1 KStG nicht anzuwenden. Gewinnausschüttungen des Jahres der Hinzurechnung und den folgenden 7 Jahren sind über § 8b Abs. 1, 4 KStG bzw. § 9 Nr. 7 GewStG in entsprechender Anwendung des § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit, soweit ein Hinzurechnungsbetrag besteuert worden ist.
Hinweis: Hinzurechnungsbesteuerung soll reformiert werden Die Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7ff. AStG soll reformiert werden. Es bleibt abzuwarten, ob sich insbesondere die Definition der "aktiven" bzw. "passiven" Einkünfte ändert und ob die Schwelle der Niedrigbesteuerung von 25 % herabgesetzt wird. |
Checkliste:
- Sind an der ausländischen Gesellschaft in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter zu mehr als 50 % beteiligt?
- Liegen "aktive" oder "passive" Einkünfte vor?
- Unterliegt die X-Ltd. einer Besteuerung von weniger als 25 %?
- Verfügt die X-Ltd. über einen für ihr Handelsgeschäft in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb?
- Ist dieser Geschäftsbetrieb so dokumentiert, dass er der deutschen Finanzverwaltung nachgewiesen werden kann?
- Nimmt die X-Ltd. am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil?
- Ist diese Teilnahme so dokumentiert, dass sie der deutschen Finanzverwaltung nachgewiesen werden kann?
- Liegt eine schädliche Beteiligung des Gesellschafters oder einer ihm nahestehenden Person an der Geschäftstätigkeit vor?
- Ist der Hinzurechnungsbetrag nach deutschen Vorschriften ermittelt worden?
- Ist die Anrechnung oder der Abzug der UK-Steuern günstiger?
- Ist der Antrag auf Anrechnung der UK-Steuern gestellt?
- Hat die X-Ltd. im Jahr der Hinzurechnung bzw. in den folgenden 7 Jahren Gewinnausschüttungen vorgenommen?
Alle 100 Fälle zu den Rechtsfolgen eines "harten" Brexit
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- Schutzumfang der europäischen Grundfreiheiten;
- Ertragsteuern der Unternehmen;
- Umwandlungen;
- Umsatzsteuer;
- Zollrecht;
- Ertragsteuern der natürlichen Personen;
- Erbschaftsteuer.
Die Fälle werden bei Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen zeitnah angepasst.
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