Einzelaufzeichnungspflicht durch elektronische Kassenführung
Die elektronische Kassenführung verpflichtet zur Einzelaufzeichnung der Geschäftsvorfälle. Dies ist in § 146 Abs. 1. Satz 4 AO geregelt
Einzelaufzeichnungspflicht bei Buchführungspflicht
Die Einzelaufzeichnungspflicht gilt unabhängig von der Gewinnermittlungsart (Tz. 2.1.1 AEAO zu § 146 AO). Der Unternehmer, der buchführungspflichtig ist oder freiwillig Bücher führt, muss die Geschäftsvorfälle einzeln aufzeichnen (BFH, Beschluss v. 12.7.2017, X B 16/17, Haufe Index 10985132, Rz. 68). Geschieht das nicht, so ist das ausreichend, um einen Verstoß gegen § 379 Abs.1 Satz3 AO zu bejahen.
Einzelaufzeichnungspflicht bei der Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR)
146 Abs. 1 AO bildet bei der EÜR seit 1.1.2017 die Rechtsgrundlage für die allgemeine Einzelaufzeichnungspflicht (Tz. 2.1.1 und Tz. 2.17 AEAO zu § 146 AO). Damit müssen die Geschäftsvorfälle erfasst werden. Es reicht nicht mehr aus, wenn nur die Betriebseinnahmen (Erlöse) und Betriebsausgaben durch Belege (BFH, Urteil v. 12.12.2017, VIII R 5/14, Haufe Index 11632812) nachgewiesen werden. Bei elektronischer Kassenführung folgt das auch aus § 146 Abs.1 Satz 4 AO. Aber auch bei manueller Kassenführung müssen die Belege die Geschäftsvorfälle dokumentieren. Da es beim Einnahmenüberschussrechner nur Privatvermögen gibt, sind retrograde Kassenberichte ohnehin ausgeschlossen (a.A. BFH, Beschluss v 13.3.2013, X B 16/12, Haufe Index 3702172).
Notwendige Voraussetzung für den Schluss, dass die Betriebseinnahmen vollständig erfasst sind, war schon immer die Aufbewahrung aller Belege (BFH, Urteil v. 15.4. 1999, IV R 68/98, Haufe Index 56428; FG Berlin-Brandenburg, Beschluss v 9.1.2017, 4 V 4265/15 Haufe Index 10458536). Das ist zum 1.1.2017 erweitert worden, so dass in jedem Beleg die Geschäftsvorfälle erfasst werden müssen. Die frühere Rechtslage bis 1.1.2017 ist von Kulosa (FR 2017 S. 501) zusammengefasst worden. Die frühere BFH-Rechtsprechung mit der Einzelaufzeichnungspflicht nur der Erlöse ist ab 1.1.2017 durch die neue Rechtslage des § 146 Abs.1 AO ersetzt worden.
Einzelaufzeichnungspflicht gem. § 22 UStG
Bei der Kassenführung sind die umsatzsteuerlichen Aufzeichnungspflichten zu beachten (Tz. 3.5 AEAO zu § 146 AO). Sie folgen aus § 22 UStG und damit aus dem Gesetz. Sie sind zwingend, also nicht unzumutbar. Retrograde Kassenberichte beruhen auf fehlenden Einzelaufzeichnungen. Sie scheitern m.E. immer an den umsatzsteuerlichen Einzelaufzeichnungspflichten. Die umsatzsteuerliche Aufzeichnungspflicht folgt aus § 22 UStG und greift bei Umsätzen nur mit einem Steuersatz ein. Bei verschiedenen Steuersätzen müssen getrennte Aufzeichnungen geführt werden. Eine Gesamtsumme kann nie die nötigen getrennten Aufzeichnungen nach § 22 UStG ersetzen.
Bei getrennten Steuersätzen sind offene Ladenkassen ohne Einzelaufzeichnungen schon deshalb unzulässig (OFD Frankfurt, Verfügung v. 28.9.2018, S 0316 A - 010 - St 3a, Haufe Index 12466167, Tz. 5). Denn durch eine offene Ladenkasse jeweils für die Erlöse zu 7 % und 19 % entsteht keine ordnungsgemäße Kassenführung, zumal das nie praktikabel ist. Die nötige Einzelaufzeichnung der Erlöse gem. § 22 UStG kann nicht durch die summarische Kassenführung mit retrograden Kassenberichten ersetzt werden. Aus ihnen lässt sich entgegen Abschnitt 63 Abs.1 UStDV nicht prüfen, ob der jeweilige Umsatz steuerbar, steuerbefreit ist und dem Regelsteuersatz oder einem ermäßigtem Steuersatz unterliegt. Insofern ist es fehlerhaft, wenn die Aufzeichnung nur der vereinnahmten Beträge nicht als Verstoß gegen § 22 UStG beurteilt wird (BFH, Beschluss v. 12.7.2017, a.a.O.) Faktisch führt diese Erfassung nur der Erlöse zu einer nicht überprüfbaren Summe.
Einzelaufzeichnungspflicht beim Verkauf von Waren und § 146 Abs. 1 Satz 3 AO
Wer nur auf den missglückten Wortlaut des § 146 Abs. 1 Satz 3 AO abstellt, wird davon ausgehen, dass Warenverkäufe an namentlich unbekannte Kunden ohne Einzelaufzeichnungen möglich sind. Die Unzumutbarkeit der Einzelaufzeichnungen ist ein Kriterium der früheren Einzelhandelsrechtsprechung (BFH, Urteil v.12.5.1966, IV 472/60, Haufe Index 412115), die von § 146 Abs. 1 Satz 3 AO fortgeführt werden soll (Kulosa, a.a.O.). Danach müssen die Einzelaufzeichnungen unzumutbar sein. Das ist bei wenigen Geschäftsvorfällen nie der Fall, da der Gesetzeswortlauf auf eine Vielzahl von Geschäftsvorfällen abstellt. Das Kriterium der Unzumutbarkeit von Einzelaufzeichnungen ist im Computerzeitalter kaum jemals erfüllt. Durch die weitere Regelung in § 146 Abs.1 Satz 4 AO ist erkennbar, dass eine Einzelaufzeichnungspflicht besteht, wenn eine Registrierkasse geführt wird. Unabhängig davon erfordert jede Gewinnermittlungsart per se Einzelaufzeichnungen (Tz. 2.2.1 AEAO zu § 146 AO).
Zudem müssen die umsatzsteuerlichen Aufzeichnungspflichten beachtet werden (Tz. 3.5 AEAO zu § 146 AO). Diese Besonderheiten haben der Gesetzgeber in § 146 Abs. 1 Satz 3 AO und das BMF im AEAO zu § 146 AO übersehen. Bei elektronischer Kassenführung folgen die Einzelaufzeichnungspflichten aus § 146 Abs. 1 Satz 4 AO.
Dienstleister müssen gem. § 146 Abs. 1 Satz 3 AO Einzelaufzeichnungen führen
Einzelaufzeichnungen bei Dienstleistungen sind gem. § 146 Abs. 1 AO zwingend. § 146 Abs.1 Satz 3 AO umfasst nicht die Dienstleistungen (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 146 AO Rn. 26, Lfg. 152, April 2018) und auch nicht die Gastronomie. Der AEAO (Tz. 2.2.6 AEAO zu § 146 AO), der dies anders beurteilt, hat dies einem BFH-Beschluss (v. 12.7.2017, a.a.O.) entnommen. Das ist falsch, da diese Entscheidung ausdrücklich keine Aussage über den summarischen Einzelfall hinaus enthält und in ihr zudem betont worden ist, dass ab 1.1.2017 eine andere Rechtslage eingreift.
Ein Dienstleister ist zwar nicht verpflichtet, ein elektronisches Aufzeichnungssystem anzuschaffen. Er ist jedoch verpflichtet, die baren Geschäftsvorfälle einzeln zu erfassen, da die Erfassung der Tageseinnahmen nur durch Auszählen der Tageslosung nicht mehr zulässig ist. Deshalb müssen Dienstleister spätestens ab 2017 Einzelaufzeichnungen führen (Strahl, kösdi 2017 S. 20170, 20182 Anm. zu Rn. 29). Eine analoge Anwendung des § 146 Abs. 1 Satz AO auf Dienstleister scheidet aus, weil die für eine Analogie nötige Regelungslücke fehlt. Es gibt also keine Unzumutbarkeit von Einzelaufzeichnungen bei Dienstleistungen. Deshalb müssen in der Gastronomie Einzelaufzeichnungen geführt werden. Geschieht das nicht, so droht das Bußgeld gem. § 379 Abs.1 Nr. 3 AO.
Geldwäschegesetz
Es greift die erweiterte Einzelaufzeichnungspflicht ein, wenn es sich um Beträge handelt, die vom Geldwäschegesetz erfasst werden.