Die deutsche Wirtschaft bringt sich in Stellung gegen ein erklärtes Ziel der Kanzlerin: Eine Steuer auf Börsengeschäfte in Europa brächte große ökonomische Schäden, warnen Spitzenverbände diverser Branchen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stößt mit ihrem Drängen auf eine Finanztransaktionssteuer als Konsequenz aus der Euro- Schuldenkrise auf geballten Protest der deutschen Wirtschaft. Eine Steuer auf Börsengeschäfte hätte nicht nur negative Auswirkungen auf den Finanzsektor selbst, sondern "schädliche Folgen für Unternehmen, Beschäftigte und die Wirtschaft insgesamt", warnen acht große Spitzenverbände in einer gemeinsamen Stellungnahme für eine Anhörung des Bundestags-Finanzausschusses an diesem Mittwoch. Auch die Kreditwirtschaft und die Bundesbank melden erhebliche Bedenken an.

Die Steuer würde auf den Preis von Finanzprodukten aufgeschlagen. Dies belastete Privatanleger und Firmen und dürfte Wachstumseinbußen auslösen. Dadurch drohten Verluste beim generellen Steueraufkommen, die größer wären als die erhofften Einnahmen einer solchen Steuer, argumentieren Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und die Verbände von Handwerk, Banken, Versicherungen, Einzelhandel sowie Groß- und Außenhandel.

Nach Daten der EU-Kommission ergäbe eine Steuer von 0,1 Prozent für Aktien auf lange Sicht Wachstumseinbußen von bis zu 1,76 Prozent, woraus EU-weit 80 Milliarden Euro weniger Steuern und Abgaben resultierten. Dies wäre mehr als das geschätzte Aufkommen einer Transaktionssteuer von 57 Milliarden Euro, analysieren die Verbände.

Die Bundesregierung setzt sich mit Nachdruck für die baldige Einführung einer solchen Steuer ein. Sie soll Spekulation eindämmen und den Finanzsektor an den Milliardenkosten zur Euro-Stabilisierung beteiligen. Ist die Steuer nicht global oder in der gesamten EU zu erreichen, müsse die Eurozone vorangehen, hat Merkel klargemacht. Für die Anhörung im Finanzausschuss liegt ein Antrag der SPD vor, alle Transaktionen von Wertpapieren, Anleihen und Derivaten mit 0,05 Prozent zu besteuern. Innerhalb der EU sperrt sich Großbritannien gegen eine solche Steuer, auch die USA lehnen dies seit Jahren ab.

Die deutsche Kreditwirtschaft warnt in einer Stellungnahme ebenfalls vor einer Reihe negativer Folgen. Die Steuer helfe nicht, die Finanzmärkte zu stabilisieren. Um ein Ausweichen auf andere Finanzplätze zu vermeiden, müsse sie zumindest in der ganzen EU und auch in der Schweiz eingeführt werden. Skeptisch positioniert sich auch die Bundesbank. Bei einem europäischen Alleingang insbesondere ohne Großbritannien drohte ein "Nachteil für jene Länder, die zuerst eine solche Steuer einführen". Mit einer "Vorreiter-Nachahmer- Reaktion" sei nicht zu rechnen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund spricht sich dagegen klar für eine Steuer aus. Damit wäre "ein kleiner Teil der notwendigen Arbeiten an einem neuen, nachhaltigen Weltfinanzsystem erledigt".