Ermäßigte Besteuerung von Einmal-Kapitalauszahlungen aus betrieblicher Altersversorgung
Das FG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil v. 19.5.2015 (5 K 1792/12) entschieden, dass die Basis- und die betriebliche Altersvorsorge darauf angelegt sind, in der Auszahlungsphase das angesparte Kapital durch Rentenzahlungen zur Lebenshaltungssicherung einzusetzen. Kommt es hingegen zu einer Einmal-kapitalauszahlung, liegt ein atypischer Verlauf vor, der zur Zusammenballung von Einkünften führt. Bei der nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG zu versteuernden Einmalkapitalauszahlung handelt es sich um eine Vergütung für über mehr als zwei Veranlagungszeiträume angesparte steuerbefreite Beitragszahlungen, die nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. Abs. 1 EStG tarifermäßigt zu besteuern ist. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, die als sonstige Einkünfte zu erfassenden Einmalkapitalauszahlungen der Basisvorsorge nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a) aa) EStG und der betrieblichen Altersvorsorge nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG gleich zu behandeln und tarifermäßigt zu besteuern. Das AltEinkG hat die gesetzlichen Grundlagen der Basis- und der betrieblichen Altersvorsorge weitgehend gleich ausgestaltet.
Im Urteilsfall hatte die Klägerin in den letzten acht Jahren vor ihrem Ruhestand je 100 EUR monatlich im Wege der Gehaltsumwandlung als Beiträge zu einer Pensionskasse aufgewendet und dafür die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 63 EStG erhalten. Auf Wunsch der Klägerin hat die Pensionskasse nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Ansprüche auf Altersversorgung durch eine Kapitalauszahlung abgefunden. Einschließlich der Abfindung hat die Klägerin in diesem Jahr deutlich höhere Einkünfte bezogen als in den Vorjahren. Das FA weigerte sich, für die unstreitig voll steuerpflichtige Abfindung unter dem Gesichtspunkt der Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit die Tarifermäßigung zu gewähren.
Zur Begründung wies das FA darauf hin, dass sich die Höhe der zu versteuernden Bezüge danach richte, wie die Beiträge in der Anwartschaftsphase steuerlich behandelt worden seien. Sehe die Versorgungsvereinbarung eine Kapitalauszahlung vor, müsse hinsichtlich der Besteuerung danach differenziert werden, wie die Beiträge in der Anwartschaftsphase behandelt worden seien. Keine Besteuerung erfolge, soweit die Beiträge pauschal oder nach den Merkmalen der Lohnsteuerkarte versteuert worden seien. Die Kapitalauszahlung sei dann nicht steuerbar. Voll versteuert werde die Ablaufleistung nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG, soweit die Kapitalauszahlung auf Beiträgen beruhe, die nach § 3 Nr. 63 EStG von der Besteuerung freigestellt worden seien. Die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG komme nicht in Betracht.
Das FG sah das anders und hat entschieden, dass eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit vorliege, da die Ansprüche im Laufe mehrerer Jahre erdient worden seien. Die anderslautende Anweisung im BMF Schreiben vom 31.3.2010 (BStBl 2010, I S. 270) sei nicht anzuwenden, da es keine Rechtfertigung gebe, diese Form einer nachträglichen Vergütung gegenüber Nachzahlungen bei anderen Einkunftsarten zu benachteiligen. Da die Tarifermäßigung nach dem Wortlaut des Gesetzes "außerordentliche" Einkünfte voraussetze, sei die Vergünstigung wie bei Entschädigungen nur unter der Voraussetzung der Zusammenballung von Einkünften zu gewähren. Diese Voraussetzung sei im Streitfall erfüllt.
Die Entscheidung des FG ist die logische Fortführung der vom BFH mit Urteil v. 23.10.2013 (X R 33/10) vertretenen Auffassung, wonach für Kapitalleistungen berufsständischer Versorgungswerke (Basisvorsorge) die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG gewährt werden könne.
Um höchstrichterlich zu klären, ob die Tarifermäßigung auch im Fall sonstiger Einkünfte gemäß § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG greift, hat das FG die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Hierbei hat es auch berücksichtigt, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Verabschiedung des AltEinkG seinerzeit zunächst selbst erwogen hatte, § 34 Abs. 2 EStG bei Kapitallebensversicherungen, bei denen die Erträge zusammengeballt zufließen, um eine Nr. 6 zu erweitern.
Praxis-Tipp: Die von dem FG zugelassene Revision wurde inzwischen eingelegt und wird beim BFH unter dem Az. X R 23/15 geführt. In vergleichbaren Fällen sollten Betroffene gegen die ablehnenden Steuerbescheide der FÄ Einspruch einlegen und auf das anhängige Revisionsverfahren beim BFH verweisen. Das Einspruchsverfahren ruht in diesen Fällen nach § 363 Abs. 2 AO kraft Gesetzes.
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