Im Regelfall hat die Aufteilung nach der sog. Boruttau'schen Formel zu erfolgen. Die Verhältnisrechnung braucht ausnahmsweise dann nicht vorgenommen zu werden, wenn Gegenstand eines Erwerbsvorgangs unter Vereinbarung einer Gesamtgegenleistung ein Grundstück und eine Geldforderung ist. In diesen Fällen reicht es aus, in Höhe der erworbenen Geldforderung einen Abzug von der vereinbarten Gesamtgegenleistung vorzunehmen, weil Kapitalforderungen im Regelfall mit dem Nennwert anzusetzen sind.
Beispiel: Aufteilung der Gegenleistung bei Instandhaltungsrücklage
S erwirbt eine Eigentumswohnung für 173.000 EUR. Dabei soll der Anteil des Verkäufers an der Instandhaltungsrücklage ab Übergabe ersatzlos auf den Käufer übergehen. Nach einer vom Verkäufer unterschriebenen Aufstellung beträgt der auf das in der Instandhaltungsrücklage angesammelte Guthaben entfallende Teil des Kaufpreises 3.000 EUR.
Beim Erwerb einer Eigentumswohnung ist der gleichzeitige Erwerb eines in der Instandhaltungsrücklage nach § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG angesammelten Guthabens durch den Erwerber nicht in die grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung einzubeziehen. Denn insoweit wird die Gegenleistung nicht als Entgelt für den Grundstückserwerb erbracht. Er stellt vielmehr Aufwand für den Erwerb einer geldwerten Vermögensposition dar, die nicht unter den Grundstücksbegriff des GrEStG fällt. Die Übernahme dieser Vermögensposition ist mit einer Geldforderung vergleichbar, weshalb die Gesamtgegenleistung von 173.000 EUR für grunderwerbsteuerliche Zwecke um 3.000 EUR zu mindern ist (vgl. BFH Urteil vom 09.10.1991 - II R 20/89).
Anders bei Erwerb einer Eigentumswohnung durch Zwangsversteigerung
Beim Erwerb einer Eigentumswohnung im Wege der Zwangsversteigerung ist das Meistgebot als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer allerdings nicht um die anteilige Instandhaltungsrücklage zu mindern. Die anteilige Instandhaltungsrücklage ist Teil des Verwaltungsvermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 10 Abs. 7 Satz 1 WEG) und damit nicht Vermögen des von der Zwangsversteigerung betroffenen Wohnungseigentümers, sondern Vermögen eines anderen Rechtssubjekts. Anders als das Zubehör eines Grundstücks wie etwa Heizöl, Gaststätteninventar oder eine Kücheneinrichtung, geht die (anteilige) Instandhaltungsrücklage beim Eigentumserwerb durch Zuschlag (§ 90 Abs. 1 ZVG) nicht kraft Gesetzes auf den Ersteher über. Ein für die Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer typischer Rechtsträgerwechsel findet bezüglich der Instandhaltungsrückstellung nicht statt (BFH Urteil vom 02.03.2016 - II R 27/14).
Instandhaltungsrücklage: Bundesfinanzhof
Der BFH hat im v. g. Urteil vom 02.03.2016 ausdrücklich offen gelassen, ob an der im Urteil vom 09.10.1991 - II R 20/89, vertretenen Auffassung, wonach ein gezahltes Entgelt für den Erwerb eines in der Instandhaltungsrücklage angesammelten Guthabens beim rechtsgeschäftlichen Erwerb einer Eigentumswohnung kein Entgelt für den Erwerb des Grundstücks ist, festzuhalten ist.
Rechtsprechungsänderung für rechtsgeschäftliche Erwerbe in Sicht?
Das FG Köln vertritt nunmehr die Auffassung, dass der Beurteilung des BFH in seinem Urteil vom 02.03.2016 auch für einen rechtsgeschäftlichen Erwerb zu folgen ist und dass die Grundsätze des BFH-Urteils vom 09.10.1991 nach Änderung des WEG nicht mehr anzuwenden sind (FG Köln Urteil vom 17.10.2017 - 5 K 2297/16, Revision eingelegt, Az. des BFH: II R 49/17).
Die Instandhaltungsrücklage i. S. d. § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG, bei der es sich nicht um eine Rückstellung im bilanztechnischen Sinne handele, sei die Ansammlung einer angemessenen Geldsumme, die der wirtschaftlichen Absicherung künftig notwendiger Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum diene und die im Wesentlichen durch Beiträge der Wohnungseigentümer angesammelt werde. Diese bleibe bei einem Eigentümerwechsel Vermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft und gehe nicht auf den Erwerber über. Ein für die Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer typischer Rechtsträgerwechsel finde bezüglich der Instandhaltungsrücklage nicht statt. Dies gelte unabhängig davon, ob der Erwerb durch Meistgebot oder durch Kaufvertrag erfolge.
Instandhaltungsrücklage bei der Grunderwerbsteuer: Handlungsempfehlung
Dem Vernehmen nach geht die Finanzverwaltung nach wie vor davon aus, dass beim Erwerb von Wohneigentum durch Rechtsgeschäft bis auf Weiteres der vereinbarte Kaufpreis als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer um die anteilige Instandhaltungsrücklage zu mindern ist. Anderenfalls sollten betroffene Steuerpflichtige in den in Rede stehenden Fällen die Grundsteuerfestsetzung mit Einspruch anfechten und sich auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren II R 49/17 berufen. Das Einspruchsverfahren ruht dann nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO bis zum Abschluss des v. g. Revisionsverfahrens (sog. Zwangsruhe).
Kapitel 5: Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs