Abgeltungswirkung bei einbehaltener Kapitalertragsteuer auf (Schein-)Renditen
Gutschriften aus Schneeballsystemen führen zu Einnahmen aus Kapitalvermögen, wenn der Betreiber des Schneeballsystems bei entsprechendem Verlangen des Anlegers zur Auszahlung der gutgeschriebenen Beträge bereit und fähig gewesen wäre (vgl. BFH, Urteil v. 16.03.2010, VIII R 4/07, Haufe Index 2350166).
Reicht Ausweis von Abgeltungsteuer für Abgeltungswirkung aus?
Dies war im Rahmen eineses Klageverfahrens beim FG Nürnberg auch unstreitig. Zu dem Verfahren kam es, weil beim Finanzamt eine Kontrollmitteilung der Steuerfahndungsstelle einging, wonach der Kläger Scheinrenditen aus Aktienverkäufen erzielte, die aber tatsächlich nie stattgefunden hatten. Die Firma C (Finanzdienstleistungsinstitut, geführt von B) hat ein Schneeballsystem unterhalten, welches in 2013 aufgeflogen ist.
B hat bis dahin zahlreiche Auszahlungen vorgenommen und seinen Kunden anhand von Aufstellungen Käufe, Verkäufe und Bestand ihres Depots dargestellt. Im Rahmen des Verkaufs hat B den Verkaufsbetrag und – nach Abzug verschiedener Kosten (u. a. Abgeltungsteuer) – das Ergebnis ausgewiesen (und auch ausgezahlt). Die Aufstellungen sind von B als Schuldner und vom Kläger als Gläubiger unterzeichnet worden. Die ausgewiesene Kapitalertragsteuer ist aber weder angemeldet noch abgeführt worden. Nach Auffassung des Finanzamts haben die Kapitalerträge damit keinem Steuerabzug unterlegen, sodass keine Abgeltungswirkung eintritt und daher die Erträge der Besteuerung zu unterwerfen sind.
EStG nach Auffassung des FG Nürnberg aber eindeutig
Das FG Nürnberg teilt die Auffassung des Finanzamts nicht (Urteil v. 11.10.2017, 3 K 348/17). Für Kapitalerträge i. S. d. § 20 EStG, soweit sie der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, ist die Einkommensteuer mit dem Steuerabzug abgegolten (§ 43 Abs. 5 Satz 1 Hs. 1 EStG). Für die Auffassung des Finanzamts, Kapitalerträge hätten der Kapitalertragsteuer nur unterlegen, wenn die Steuer angemeldet und abgeführt worden sei, gibt es nach Ansicht des FG weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung Anhaltspunkte.
Steuerabzug für Rechnung des Gläubigers
Die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs tritt nicht ein, wenn der Gläubiger nach § 44 Abs. 1 Satz 8 und 9 und Abs. 5 in Anspruch genommen werden kann (2. Hs. von § 43 Abs. 5 Satz 1). Gemäß § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EStG wird der Gläubiger der Kapitalerträge u. a. nur in Anspruch genommen, wenn der Gläubiger weiß, dass der Schuldner, die den Verkaufsauftrag ausführende Stelle oder die die Kapitalerträge auszahlende Stelle die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat, und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt. Im Streitfall war B die die Kapitalerträge auszahlende Stelle. Er hatte deshalb im Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge beim Gläubiger den Steuerabzug für Rechnung des Gläubigers vorzunehmen, was er auch getan hat. Aus den vorliegenden Abrechnungen ergibt sich, dass er bei Ermittlung des auszuzahlenden bzw. zur Wiederanlage zur Verfügung stehenden Betrages die auf die scheinbar erzielten Kapitalerträge entfallende Abgeltungsteuer inkl. Soli in Abzug gebracht hat. Soweit Beträge ausgezahlt wurden, geschah dies nach Abzug der Abgeltungsteuer.
Steuerabzug mit abgeltender Wirkung
Dass B tatsächlich weder Aktien gekauft, noch verkauft und deshalb tatsächlich auch keine Erträge erzielt hat, von denen er die Steuer hätte einbehalten können, spielt nach Meinung des FG keine Rolle. Wenn Scheinrenditen steuerbar sind, müssen auch von einem scheinbaren Ertrag einbehaltene Steuerabzugsbeträge berücksichtigt werden. Der Kläger habe nicht gewusst, dass B die einbehaltende Kapitalertragsteuer entgegen seiner Verpflichtung nicht angemeldet und entgegen seiner Verpflichtung auch nicht an das Finanzamt abgeführt hat. Er könne deshalb nicht in Anspruch genommen werden. Würde man mit dem Finanzamt – entgegen dem Gesetzeswortlaut – für die Abgeltungswirkung des § 43 Abs. 5 Satz 1 Hs. 1 EStG auf die Abführung der Kapitalertragsteuer abstellen, so würde der Ausschluss nach § 43 Abs. 5 Saz 1 Hs. 2 i. V. m. § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EStG leerlaufen, der den Ausschluss unter die Voraussetzung der Kenntnis des Schuldners von der nicht vorschriftsmäßigen Abführung stellt. Damit hat der Steuerabzug abgeltende Wirkung. Die Einkünfte werden nicht Teil des Veranlagungsverfahrens.
Revisionsverfahren anhängig
Das FG Nürnberg hat die Revision zugelassen, weil noch keine Rechtsprechung des BFH zu diesem Problem vorliegt und bei der Finanzverwaltung zahlreiche Parallelverfahren geführt werden. Die Revision wurde erwartungsgemäß auch eingelegt (Az. VIII R 17/17). Vergleichbare Fälle sollten daher offen gehalten werden, bis der BFH entschieden hat.
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