Kindergeld bei zeitlich befristeter Entsendung ins Ausland
Beispiel: Zeitlich befristete Auslandsentsendung
A lebt mit seiner Frau und seinem Kind im Inland. Aufgrund eines Entsendevertrages mit seinem Arbeitgeber X übernahm A ab Januar 2016 eine Tätigkeit in Brasilien, welche bis zum 31.12.2018 befristet ist. Das Arbeitsverhältnis bei seinem deutschen Arbeitgeber wurde mit Beginn des Auslandseinsatzes ruhend gestellt. X behielt sich aber vor, A auch vor Ablauf der 3 Jahre wieder zurückzurufen. A lebt mit seiner Familie ab Beginn der Tätigkeit in Brasilien. Das Einfamilienhaus im Inland behielten sie unverändert und vollständig eingerichtet bei; die abgeschlossenen Versorgungsverträge (Wasser, Strom) liefen weiter. In 2016 nutzte A das Einfamilienhaus anlässlich von Dienstreisen einmal für 3 und einmal für 4 Tage.
Wohnsitz bei Auslandsaufenthalt
Gemäß § 8 AO hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Es ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige sich während einer Mindestzahl von Tagen oder Wochen im Jahr in der Wohnung aufhält. Entscheidend ist allein, ob objektiv erkennbare Umstände dafür sprechen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung für Zwecke des eigenen Wohnens beibehält, um sie als solche zu nutzen. Nach der Lebenserfahrung spricht es für die Beibehaltung, wenn jemand eine Wohnung, die er vor und nach einem Auslandsaufenthalt als einzige ständig nutzt, während desselben unverändert und in einem ständig nutzungsbereiten Zustand beibehält. Diese Grundsätze hat der BFH in einer älteren Entscheidung (I R 69/96, Urteil v. 19.3.1997, Haufe Index 66267) aufgestellt.
Es wird daher die verschiedentlich Auffassung vertreten, dass eine Wohnung auch dann Wohnsitz sein kann, wenn der Steuerpflichtige sie zwischenzeitlich nur zu Ferien-, Erholungs- oder geschäftlichen Zwecken oder sogar überhaupt nicht aufsucht (z. B. Buciek in Beermann/Gosch, AO § 8 Rz 28).
Niedersächsische FG ist strenger
Das FG Niedersachsen hat in einem Urteil v. 25.7.2012 (9 K 325/11) die Auffassung vertreten, dass es nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 5.1.2012, III B 42/11, Haufe Index 2944005) für die Annahme eines Wohnsitzes jedoch nicht genügt, wenn die objektiven Wohnverhältnisse die Möglichkeit eines längeren Wohnens bieten. Es sei abzugrenzen, ob die inländische Wohnung vom Steuerpflichtigen, beispielsweise während des Jahresurlaubs, tatsächlich zum Wohnen genutzt wird. Sofern der Steuerpflichtige und seine Familie sich ausschließlich im Ausland aufhalten, sei trotz beibehaltener Wohnung kein Wohnsitz i. S. des § 8 AO vorhanden, womit der Anspruch auf Kindergeld entfalle.
In diesem Zusammenhang wurde von der Finanzverwaltung bisher geregelt, dass es genügt, dass die Wohnung z. B. über Jahre hinweg jährlich regelmäßig zweimal zu bestimmten Zeiten über einige Wochen benutzt wird ( AEAO, BStBl 2014 I S. 290 zu § 8 AO, Nr. 4, Satz 2).
FG München genügt Beibehaltung der Wohnung
Diese Auffassung führte eine Familienkasse auch im Rahmen einer Entscheidung des FG München (Urteil v. 27.4.2016, 9 K 2913/15) an. Auch kurzzeitige Besuche ohne die Familie (wie hier) zu Berufszwecken kämen einem Aufenthalt mit Wohncharakter nicht gleich.
Das FG geht aber unter Berufung auf die BFH-Rechtsprechung vom 19.3.1997 (a.a.O.) davon aus, dass A hier seinen Wohnsitz mit Beginn seines Auslandseinsatzes nicht aufgegeben hat, auch wenn die Familie mit nach Brasilien gegangen ist. Denn sie hätten das Einfamilienhaus unverändert und vollständig eingerichtet behalten sowie die Versorgungsverträge weiter laufen lassen. Damit hätten sie das Einfamilienhaus für eine jederzeitige Nutzung während des Auslandseinsatzes bereitgehalten. Auch sei die weitere Benutzung des Einfamilienhauses in absehbarer Zeit zu erwarten. Hinzu komme, dass A von seinem Arbeitgeber jederzeit zurückgerufen werden konnte. Für die Beibehaltung des Wohnsitzes spreche auch, dass er das Einfamilienhaus einmal 3 und einmal 4 Tage genutzt hat.
Praxis-Tipp: Revisionsverfahren und geänderte Auffassung der Finanzverwaltung
Beim BFH läuft gegen die Entscheidung des FG München ein Revisionsverfahren (Az III R 9/17). Hier geht es um die Fragen, ob es für die Beibehaltung eines Wohnsitzes genügt, dass jemand eine Wohnung, die er vor einem Auslandsaufenthalt ständig genutzt hat und danach wieder nutzen wird, während des Auslandsaufenthaltes unverändert in einem nutzungsbereiten Zustand beibehält und ob Inlandsaufenthalte während eines Auslandsaufenthaltes keinen Wohncharakter haben müssen.
In diesem Zusammenhang ist aber darauf hinzuweisen, dass die Finanzverwaltung ihre Auffassung wohl geändert hat. Nun ist nämlich zu § 8 AO im AEAO (Haufe Index 6479469) durch BMF-Schreiben v. 7.8.2017 (BStBl 2017 I S. 1257, Nr. 4 und 6) geregelt, dass eine Nutzung zu Wohnzwecken – insbesondere in Arbeitnehmer-Entsende-Fällen auch vorliegen kann, wenn der Steuerpflichtige eine Wohnung innerhalb eines Kalenderjahres nicht nutzt. Wird ein Arbeitnehmer beispielsweise im Ausland tätig und wird er von seiner Familie begleitet, so ist ein inländischer Familienwohnsitz weiterhin anzunehmen, wenn dieser über die Dauer der Entsendung beibehalten werden soll und nach objektiven Maßstäben jederzeit durch die Familie zu Wohnzwecken genutzt werden kann.
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