Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG wird die für Umsätze i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer von inländischen Unternehmern nicht erhoben, wenn der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 EUR nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 EUR voraussichtlich nicht übersteigen wird.
Maßgebender Gesamtumsatz bei der Kleinunternehmer-Regelung
Umsatz i. S. d. § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG ist der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz, gekürzt um die darin enthaltenen Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (§ 19 Abs. 1 Satz 2 UStG). Beginnt der Unternehmer sein Unternehmen während des Kalenderjahrs, kann auf das Vorjahr nicht abgestellt werden. In diesen Fällen ist die Kleinunternehmer-Regelung anwendbar, wenn die Umsätze im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich 17.500 EUR nicht übersteigen (BFH, Urteil v. 22.11.1984, V R 170/83; BFH, Beschluss v. 18.10.2007, V B 164/06). Bei einer Neugründung im Laufe des Jahrs ist der voraussichtliche Gesamtumsatz dieses Jahrs entsprechend der Vorschrift des § 19 Abs. 3 Satz 3 UStG auf einen für das restliche Jahr prognostizierten Gesamtumsatz hochzurechnen (BFH, Beschluss v. 2.4.2009, V B 15/08, Rn. 12).
Kleinunternehmer sind von jeglicher Umsatzbesteuerung freigestellt. Sie dürfen deshalb in Ihren Rechnungen keine Umsatzsteuer ausweisen. Dementsprechend haben Sie auch keine Möglichkeit, den Vorsteuerabzug in Anspruch zu nehmen. Normalerweise müssen sie auch keine Umsatzsteuererklärung abgeben. Problematisch ist, ob bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes nach der Kleinunternehmerregelung bei einem Händler, der der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegt, nur auf die Differenzumsätze oder auf die Gesamteinnahmen abzustellen ist.
Beispiel Ermittlung der Umsatzgrenze nach Handelsspanne oder Gesamtumsatz
A handelt ab 1.1.2015 mit gebrauchten Autos. Damit erzielte er im Jahr 2015 Umsätze von 25.000 EUR. Da er seine Fahrzeuge aber von Privatpersonen ohne Umsatzsteuer ankaufte, hätte er nur die Differenz zwischen Ein- und Verkaufspreis der Umsatzsteuer unterwerfen müssen (Differenzbesteuerung nach § 25a UStG). Dieser Differenzbetrag von 17.000 EUR lag aber 2015 unter der Kleinunternehmergrenze von 17.500 EUR. A will also gar keine Umsatzsteuer abführen, weil er ein Kleinunternehmer sei und die prognostizierten Differenzbeträge die Kleinunternehmergrenze von 17.500 EUR nicht überschreiten. Das Finanzamt setzt jedoch nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung für 2015 Umsatzsteuer mit der Begründung fest, die Kleinunternehmergrenze von 17.500 EUR sei aufgrund des Gesamtumsatzes von 25.000 EUR überschritten.
Praxis-Tipp: Revision anhängig
Das FG Köln hat sich in einer aktuellen Entscheidung auf die Seite des Unternehmers gestellt (FG Köln, Urteil v. 13.4.2016, 9 K 667/14, Az beim BFH XI R 7/16). Danach ist A im Beispielsfall als Kleinunternehmer anzusehen. Da die Steuerbemessungsgrundlage für Umsätze, die der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG/Art. 315 MwStSystRL unterliegen, auf die Differenz/Handelsspanne begrenzt ist, ist das über die Differenz hinausgehende Entgelt bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes nach § 19 Abs. 1 UStG unberücksichtigt zu lassen. Diese Beurteilung ergibt sich allerdings nicht unmittelbar aus § 19 Abs. 1 UStG. Danach wäre für die Ermittlung der Umsatzgrenze auf den Gesamtumsatz und nicht auf die Handelsspanne abzustellen. Nach rein nationalem Recht wäre die Auffassung des A daher unbegründet, weil der voraussichtliche Gesamtumsatz des Jahres 2015 die Grenze von 17.500 EUR überstiegen hat.
Nach Auffassung des Gerichts ist § 19 Abs. 1 UStG nicht anwendbar, weil er mit Art. 288 Nr. 1 MwStSystRL nicht in Einklang steht. Nach Unionsrecht fließen nur Umsätze in den Gesamtumsatz ein, die auch besteuert werden müssen. Diese liegen hier unter der Umsatzgrenze für Kleinunternehmer. Damit ist A als Kleinunternehmer einzustufen. Vergleichbare Fälle sollten offen gehalten werden, bis der BFH im Revisionsverfahren über die praxisrelevante Frage entschieden hat.
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