Kosten einer Heimunterbringung als außergewöhnliche Belastung
Ist der Aufenthalt in einem Heim durch eine Krankheit veranlasst, erwachsen die krankheitsbedingten zwangsläufig und sind daher dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Der Aufenthalt kann auch dann krankheitsbedingt sein, wenn eine stationäre Pflegebedürftigkeit noch nicht gegeben bzw. keine zusätzlichen Pflegekosten entstanden sind und kein Merkzeichen "H" oder "Bl" im Schwerbehindertenausweis festgestellt ist. In seiner bisherigen Rechtsprechung ging der BFH (Urteil v. 18.04.2002, III R 15/00) aber davon aus, dass bei einer altersbedingten Unterbringung in einem Alters(wohn)heim, die Kosten ihren Charakter als übliche Aufwendungen der Lebensführung auch nicht dadurch verlieren, dass der Steuerpflichtige während des Heimaufenthalts erkrankt ist.
Beispiel mit Krankheit nach Einzug
A ist in 2006 altersbedingt in ein Altenheim umgezogen. Infolge einer Krankheit wurde A ab 1.1.2015 in die Pflegestufe I eingeordnet. In seiner Einkommensteuererklärung 2015 macht A die Aufwendungen für die Unterkunft und Verpflegung (nach Abzug der Haushaltsersparnis) als außergewöhnliche Belastung geltend.
Die bisherige Auffassung des BFH hat aktuell auch das FG Niedersachsen (Urteil v. 15.12.2015, 12 K 206/14) bestätigt, was hier zur Folge hätte, dass die Unterbringungskosten nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig wären, weil A erst ca. 9 Jahre nach der Übersiedlung in das Altersheim pflegebedürftig geworden ist.
Praxis-Tipp: Verwaltungsauffassung
Die Finanzverwaltung hat aber gegen die damalige Entscheidung des BFH mit einem Nichtanwendungserlass reagiert (BMF, Schreiben v. 20.1.2003, IV C 4 - S 2284 - 2/03). Danach ist der Abzug von Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für die eigene krankheits- oder behinderungsbedingte Unterbringung in einem Heim oder für eine entsprechende Unterbringung eines nahen Angehörigen ab dem Zeitpunkt der Feststellung mindestens der Pflegestufe I oder der Feststellung nach § 45 a SGB XI zulässig. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die betreffende Person bereits vorher in das Heim übergesiedelt ist.
Revisionsverfahren gegen das Urteil des FG Niedersachsen
Das FG hat die Revision gegen die Entscheidung des FG Niedersachsen zugelassen, welche auch eingelegt wurde (Az. des BFH: VI R 3/16). Dies beruht auf dem Gesichtspunkt, dass der BFH in seiner jüngeren Rechtsprechung (Urteil v. 15.4.2010, VI R 51/09) ausdrücklich offen gelassen hat, ob die Kosten einer Heimunterbringung, abweichend von seiner bisherigen Rechtsprechung, auch dann zu berücksichtigen sind, wenn ein Steuerpflichtiger erst nach dem Umzug in das Altenheim krank und pflegebedürftig geworden ist. Für eine Berücksichtigung unter Anrechnung einer Haushaltsersparnis könnte nach Auffassung des BFH sprechen, dass auch bei nachträglich eintretender Pflegebedürftigkeit der weitere Heimaufenthalt aus tatsächlichen Gründen als zwangsläufig anzusehen sein könnte.
Im Übrigen ist es zu dem Verfahren beim FG Niedersachsen anscheinend nur deshalb gekommen, weil das Finanzamt einen Kostenabzug versagte, da die Besonderheit bestanden hat, dass auch ab dem Zeitpunkt, ab dem die Pflegestufe I erreicht wurde, keine vollstationäre Pflege benötigt wurde. Dementsprechend hat das FG die Revisionszulassung auch damit begründet, dass der BFH ferner offen gelassen hat, ob und ggf. ab welcher Pflegestufe die Kosten für die Unterbringung eines pflegebedürftigen Steuerpflichtigen in einem Altenheim aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstanden sind. Da (m. E.) die Auffassung des Finanzamts aus dem Nichtanwendungserlass nicht hergeleitet werden kann, sollte sich in vergleichbaren Fällen weiterhin hierauf bezogen werden. Falls das Finanzamt – trotz des Nichtanwendungserlasses – einen Kostenabzug versagt, sollte Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens beantragt werden. Einsprüche ruhen kraft Gesetzes (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO).
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