Die neue Mobilitätsprämie für Fernpendler
Durch das Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht v. 21.12.2019 (BGBl 2019 I S. 2886) wurden dafür die §§ 101 – 109 EStG ergänzt. Die Regelung dient im Wesentlichen der Entlastung der Steuerpflichtigen, bei denen infolge der erhöhten Entfernungspauschale zwar ein höherer Werbungskostenabzug möglich wäre, es aber mangels ausreichendem zu versteuernden Einkommens faktisch zu keiner steuerlichen Entlastung kommt.
Vereinfacht gesagt, soll die Mobilitätsprämie bei Geringverdienern die ihnen durch die erhöhte Entfernungspauschale eigentlich zustehende Steuerersparnis ersetzen. Nachfolgend werden die Voraussetzungen für die Gewährung und die Regeln zur Berechnung der Mobilitätsprämie beschrieben.
Anspruchsberechtigung für Mobilitätsprämie
Fernpendler, bei denen die Entfernung von der Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte mindestens 21 Kilometer beträgt und die kumulativ mit ihrem zu versteuernden Einkommen unterhalb des Grundfreibetrags i. S. d. § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG liegen, erhalten alternativ zu der erhöhten Entfernungspauschale eine Mobilitätsprämie.
Bemessungsgrundlage und Höhe der Mobilitätsprämie
Die Bemessungsgrundlage für die Mobilitätsprämie ergibt sich aus dem Produkt der erhöhten Entfernungspauschale (35 Cent ab dem 21. Entfernungskilometer für die VZ ab 2021 und 38 Cent ab dem VZ 2024 bis einschließlich VZ 2026) und der Summe aus den Wegen zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. Die Mobilitätsprämie wird i. H. v. 14 % dieser sich aus der Entfernung und der Pauschale ergebenden Bemessungsgrundlage gebildet (§ 101 Satz 4 EStG). Der Prozentsatz entspricht dem Eingangssteuersatz im Einkommenssteuertarif und gewährleistet insoweit ein verfassungsrechtlich gebotenes Maß an vergleichbarer Wirkung der Prämie im Vergleich zum Werbungskostenabzug.
Bei Arbeitnehmern gibt es die Mobilitätsprämie infolge des Arbeitnehmer-Pauschbetrags nur, soweit durch die erhöhten Entfernungspauschalen von 35 Cent ab dem 21. Entfernungskilometer zusammen mit den übrigen Werbungskosten, die im Zusammenhang mit den Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit stehen, der Pauschbetrag (1.000 EUR) überschritten wird.
Berechnung der Mobilitätsprämie bei Arbeitnehmern
Neben der Entfernung und der Entfernungspauschale ist auch die Höhe des zu versteuernden Einkommens, die Höhe des Grundfreibetrags und die Höhe des Arbeitnehmerpauschbetrags bei der Berechnung zu berücksichtigen. Dadurch wird die Berechnung ziemlich kompliziert und ist am besten anhand von Beispielen zu erklären.
Beispiel 1: Ein Arbeitnehmer fährt in 2021 an 190 Tagen zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. Die Entfernung beträgt 50 km. Die übrigen Werbungskosten betragen 600 EUR und das zu versteuernden Einkommen beträgt 7.500 EUR.
Berechnung der Werbungskosten | Betrag |
190 Arbeitstage * 20 km * 0,30 EUR (für die ersten 20 km) | 1.140 EUR |
190 Arbeitstage * 30 km * 0,35 EUR (ab 21. km) | 1.995 EUR |
übrige Werbungskosten | 600 EUR |
Summe | 3.735 EUR |
Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag in Höhe von 1.000 EUR wird somit um 2.735 EUR überschritten.
Von diesem Betrag entfallen auf die erhöhte Entfernungspauschale 1.995 EUR. Das zu versteuernde Einkommen von 7.500 EUR unterschreitet den voraussichtlichen Grundfreibetrag für 2021 i .H. v. 9.744 EUR um 2.244 EUR. Die erhöhte Entfernungspauschale i.H.v. 1.995 EUR liegt somit in Höhe von 2.244 EUR innerhalb des Betrags, um den das zu versteuernde Einkommen den Grundfreibetrag unterschreitet und hat in Höhe dieses Betrags zu keiner steuerlichen Entlastung geführt.
Bemessungsgrundlage für die Mobilitätsprämie sind somit 1.995 EUR. Die Mobilitätsprämie beträgt 14 % von 1.995 EUR = 279,30 EUR.
Beispiel 2: Sachverhalt wie Beispiel 1, das zu versteuernde Einkommen beträgt jedoch 9.000 EUR und die übrigen Werbungskosten betragen 0 EUR.
Berechnung der Werbungskosten | Betrag |
190 Arbeitstage * 20 km * 0,30 EUR (für die ersten 20 km) | 1.140 EUR |
190 Arbeitstage * 30 km * 0,35 EUR (ab 21. km) | 1.995 EUR |
Summe | 3.135 EUR |
Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag in Höhe von 1.000 EUR wird somit um 2.135 EUR überschritten.
Von diesem Betrag entfallen auf die erhöhte Entfernungspauschale 1.995 EUR. Das zu versteuernde Einkommen unterschreitet den voraussichtlichen Grundfreibetrag für 2021 i. H. v. 9.744 EUR um 744 EUR. Die erhöhte Entfernungspauschale i. H. v. 1.995 EUR liegt somit in Höhe von 744 EUR innerhalb des Betrags, um den das zu versteuernde Einkommen den Grundfreibetrag unterschreitet und hat in Höhe dieses Betrags zu keiner steuerlichen Entlastung geführt. 1.251 EUR der erhöhten Entfernungspauschale haben sich bereits über den Werbungskostenabzug ausgewirkt.
Bemessungsgrundlage für die Mobilitätsprämie sind somit 744 EUR. Die Mobilitätsprämie beträgt 14 % von 744 EUR = 104,16 EUR.
Beantragung der Mobilitätsprämie
Nach § 104 Abs. 1 EStG wird die Mobilitätsprämie auf Antrag gewährt. Der Anspruchsberechtigte hat den Antrag auf die Mobilitätsprämie bis zum Ablauf des vierten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem nach § 103 EStG die Mobilitätsprämie entsteht, zu stellen (§ 104 Abs. 2 Satz 1 EStG). Der Antrag ist nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck bei dem Finanzamt zu stellen, das für die Besteuerung des Anspruchsberechtigten nach dem Einkommen zuständig ist.
Festsetzung und Auszahlung der Mobilitätsprämie
Die Mobilitätsprämie ist nach Ablauf des Kalenderjahres im Rahmen einer Einkommensteuerveranlagung festzusetzen (§ 105 EStG). Eine Festsetzung erfolgt nur, wenn die Mobilitätsprämie mindestens 10 EUR beträgt. Die festgesetzte Mobilitätsprämie mindert die festgesetzte Einkommensteuer im Wege der Anrechnung. Sie gilt insoweit als Steuervergütung.
Besteht das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die dem Steuerabzug unterlegen haben, gilt der Antrag auf Mobilitätsprämie zugleich als ein Antrag auf Einkommensteuerveranlagung. Besteht nach § 46 EStG keine Pflicht zur Durchführung einer Veranlagung und wird keine Veranlagung, insbesondere zur Anrechnung von Lohnsteuer auf die Einkommensteuer nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG beantragt, ist für die Festsetzung der Mobilitätsprämie die im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung festgesetzte Einkommensteuer, die sich auf Grund des Antrags auf Mobilitätsprämie ergibt, mit 0 EUR anzusetzen.
Verfassungsrechtliche Problematik
Verfassungsrechtlich ist die Berechnung der Mobilitätsprämie nicht unproblematisch, da sich der Werbungskostenabzug nur progressiv entsprechend dem individuellen Steuersatz auswirkt, während die Mobilitätsprämie den Steuerpflichtigen vollumfänglich zugute kommt. Gerechtfertigt werden kann dies aus dem Ansatz von nur 14 % der Pauschale, was dem tariflichen Eingangssteuersatz entspricht. Mit der Mobilitätsprämie sollen also Steuerpflichtige ebenfalls entlastet werden, deren Einkommen unterhalb des Eingangssteuersatzes liegt.
Verfassungsrechtliche Zweifel können sich auch daraus ergeben, dass Personen zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet werden, obwohl es nicht zu einer Veranlagung kommt.
Fazit
Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, ist die Berechnung der Mobilitätsprämie wesentlich komplexer als die Berechnung der Entfernungspauschale. Außerdem muss die Mobilitätsprämie mit der Abgabe einer Steuererklärung beantragt werden. In einem BMF Schreiben sollen weitere Einzelheiten geklärt werden. In einem Bericht des Bundesrechnungshofs heißt es, "...der Bundesrechnungshof verkennt nicht die mit der Mobilitätsprämie verfolgten sozialen Aspekte". Doch der Verwaltungsaufwand könne "außer Verhältnis zum finanziellen Entlastungsvolumen von 40 Millionen Euro" stehen. Die Begüngstigten würden schließlich "in den Finanzämtern zum Teil bislang überhaupt nicht steuerlich geführt". Sie müssten neu erfasst werden.
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