Vorrangige Methode bei der Ermittlung der ortsüblichen Marktmiete
Wer eine Wohnung im Vergleich zur ortsüblichen Marktmiete verbilligt überlässt, verzichtet bewusst auf mögliche Einnahmen und kann die tatsächlich entstandenen Aufwendungen nur in dem Verhältnis als Werbungskosten abziehen, in dem die vereinbarte Miete zur ortsüblichen Miete steht. Wird aber die 66 %-Grenze der ortsüblichen Miete nach § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG erreicht, ist Vollentgeltlichkeit anzunehmen und ein ungekürzter Werbungskostenabzug zuzulassen.
Ortsübliche Marktmiete für Wohnungen
Unter ortsüblicher Marktmiete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung ist die ortsübliche Kaltmiete zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung umlagefähigen Kosten zu verstehen. Die Höhe der ortsüblichen Miete kann anhand von Mietspiegeln, Fremdmieten im selben Haus, Grundstücksmarktberichten der Gutachterausschüsse oder Aufstellungen von Wohnungsvermittlern, die im Internet einsehbar sind, ermittelbar sein.
Vorhandene Fremdmieten im selben Haus
Im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem FG Thüringen hat die Klägerin eine Wohnung (57 qm) an die Tochter vermietet. Eine ebenfalls 57 qm große Wohnung im selben Haus vermietete die Klägerin an fremde Dritte. Anhand des vorhandenen Mietspiegels wäre die 66 %-Grenze überschritten gewesen; das Finanzamt verglich aber die Mieten der beiden Wohnungen, sodass nur 64,01% (Miete Tochter) erreicht wurden.
Nach Auffassung des BFH (Urteil vom 17.08.2005 - IX R 10/05) ist die maßgebliche ortsübliche Miete grundsätzlich aus dem örtlichen Mietspiegel zu entnehmen.
FG Thüringen: Kein Vorrang bei vorhandenem Mietspiegel
Das FG Thüringen (Urteil vom 22.10.2019 - 3 K 316/19) geht aber aktuell davon aus, dass bei einem vorhandenen Mietspiegel keine strikte Bindung daran etwa im Sinne eines zwingenden absoluten Vorrangs besteht. Die maßgebende ortsübliche Miete könne grundsätzlich auf jedem Wege ermittelt werden. Als Maßstab für eine sachgerechte Schätzung der "Ortsüblichkeit" der Marktmiete im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG könnten demnach auch Vergleichsmieten für eine an einen Fremdmieter im selben Haus vermietete Wohnung herangezogen werden.
Denn der nach der BFH-Rechtsprechung im Einzelfall gebotenen Schätzung der ortsüblichen Miete für Wohnungen "vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung" trage eine Heranziehung der Vergleichsmiete für eine im selben Haus belegene fremdvermietete Wohnung gleicher Größe und gleicher Ausstattung (mit Einbauküche) in noch weitaus größerem Maße Rechnung als eine Schätzung mit Hilfe des Mietspiegels, die ggf. erst durch etwaige - lediglich pauschale - Zu- bzw. Abschläge an die konkreten örtlichen Gegebenheiten angepasst werden könnte bzw. müsste. Daher sei die Heranziehung der Vergleichsmiete durch das Finanzamt nicht zu beanstanden.
Revisionsverfahren beim BFH anhängig
Das FG Thüringen hat die Revision zugelassen. Dem BFH soll Gelegenheit gegeben werden, im Rahmen des Revisionsverfahrens insbesondere Stellung dazu zu nehmen, ob (entgegen dem Verständnis der bisherigen BFH-Rechtsprechung durch das FG) für die Ermittlung der Marktmiete im Rahmen des § 21 Abs. 2 EStG allein ein vorhandener Mietspiegel vorrangig maßgebend sein soll und ob etwa eine Vergleichsmiete nur herangezogen werden darf, wenn kein Mietspiegel vorhanden ist. Vergleichbare Fälle können offen gehalten werden, bis der BFH (IX R 7/20) entschieden hat. Einsprüche ruhen kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.
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