Vorsicht bei Tilgung von Pflichtteilsverbindlichkeiten durch steuerverstricktes Vermögen
Beispiel: Tilgung durch Übertragung eines Grundstücks und einer GmbH-Beteiligung
M ist aufgrund eines Testaments Alleinerbin ihres 2017 verstorbenen Ehemannes V. Nach dem Tod ihres Vaters V machen die gemeinsamen Kinder S und T ihre Pflichtteilsansprüche gegenüber ihrer Mutter M geltend. Der Pflichtteilsanspruch des S wird dadurch erfüllt, dass M dem S ein unbebautes Grundstück überträgt, das V vor 5 Jahren erworben hat. Das Grundstück hat im Zeitpunkt der Pflichtteilsabgeltung einen Verkehrswert von 100.000 EUR, der in etwa dem Wert des Pflichtteilsanspruchs entspricht. T erhält eine Alleinbeteiligung an der X-GmbH, deren Wert ihrem Pflichtteilsanspruch entspricht.
Testierfreiheit: Ausschluss von der Erbfolge
Die Testierfreiheit gestattet es dem Erblasser, seine gesetzlichen Erben von der Erbfolge auszuschließen. Den nächsten Angehörigen des Erblassers wird aber durch das Pflichtteilsrecht eine Mindestbeteiligung am Nachlass des Erblassers gesichert. Das Pflichtteilsrecht kann prinzipiell nicht durch eine Verfügung von Todes wegen, d.h. durch Testament oder Erbvertrag, entzogen werden. Zu den pflichtteilsberechtigten Personen gehören u.a. Abkömmlinge (§ 2303 Abs. 1 Satz 1 EStG), Eltern und der Ehegatte (§ 2303 Abs. 2 Satz 1 EStG) des Erblassers. Das Pflichtteilsrecht besteht nach § 2303 BGB, wenn eine pflichtteilsberechtigte Person durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist.
Pflichtteilsanspruch ist Geldanspruch
Das Pflichtteilsrecht führt zu einem Geldanspruch gegen den oder die Erben, der mit dem Erbfall entsteht (§ 2317 Abs. 1 BGB) und eine Nachlassverbindlichkeit darstellt (§ 1967 Abs. 2 BGB). Das Pflichtteilsrecht gewährt keine dingliche Beteiligung am Nachlass, sondern nur einen schuldrechtlichen, auf Geld gerichteten Anspruch. Der Pflichtteilsberechtigte kann nicht verlangen, dass einzelne Nachlassgegenstände auf ihn übertragen werden. Der Pflichtteilsanspruch vermittelt keinen Anspruch auf Übereignung bestimmter Wirtschaftsgüter aus der Erbmasse, weil er kein auf Teilhabe am Nachlass gerichteter Anspruch ist. Der volle Pflichtteilsanspruch beläuft sich auf den halben Wert des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB). Er ist vererblich und übertragbar (§ 2317 Abs. 2 BGB).
Der BFH hat entschieden, dass die Tilgung einer Pflichtteilsschuld durch Einräumung einer Beteiligung an einer Personengesellschaft zu einem entgeltlichen Rechtsgeschäft führt (BFH, Urteil v. 16.12.2004, III R 38/00, Haufe Index). Die Finanzverwaltung hat sich dieser Rechtsprechung für den Fall angeschlossen, dass die Tilgung der Pflichtteilsschuld durch Übertragung eines Grundstücks erfolgt (OFD Münster, Kurzinfo ESt Nr. 12/2006 v. 7.6.2006, Haufe Index 1541286).
Achtung bei steuerverstricktem Vermögen
Die steuerliche Auswirkung dieser Beurteilung kann im Einzelfall fatal sein. Dann nämlich, wenn steuerverstricktes Vermögen übertragen wird, z.B. ein Grundstück innerhalb der Zehnjahresfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder Anteile an einer Kapitalgesellschaft i.S.v. § 17 EStG. Konsequenzen im vorstehenden Beispielsfall: M erzielt Veräußerungserlöse in Höhe der Pflichtteilsansprüche. Den Pflichtteilsberechtigten entstehen in gleicher Höhe Anschaffungskosten. Diese Beurteilung führt bei der Erbin M zu Einkünften aus einem privaten Veräußerungsgeschäft aufgrund der Veräußerung des Grundstücks bzw. aus Gewerbebetrieb infolge der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft.
Praxis-Tipp: Steuerfolgen bedenken
Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass Pflichtteilsansprüche bei der Nachfolgeplanung stets in gebotenem Maße zu berücksichtigen sind, damit steuerrechtlich keine Nachteile auftreten können. Bevor eine private Pflichtteilsschuld durch Übertragung von Betriebsvermögen oder steuerverstricktem Privatvermögen getilgt wird, sollten die beschriebenen Steuerfolgen bedacht werden.
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