Sachverhalt
Fahrradhändler F hat sich ein besonderes Geschäftsmodell ausgedacht: Um Kunden langfristig an sich zu binden, bietet er ihnen beim Kauf von Kinderfahrrädern an, diese – soweit sie noch funktionsfähig sind – zu 40 % des ursprünglichen Kaufpreises wieder zurückzunehmen, wenn gleichzeitig ein größeres Fahrrad bei ihm erworben wird.
Kunde K hatte im Frühjahr 2013 ein Kinderfahrrad „Puki“ für 299 EUR erworben und dieses im September 2014 gegen ein größeres Kinderfahrrad eingetauscht. Auf den Kaufpreis des neuen Fahrrads von 399 EUR wurden ihm vereinbarungsgemäß (gerundet) 120 EUR angerechnet, sodass K nur noch 279 EUR bezahlen musste.
Fragestellung
F bittet um Auskunft, welche umsatzsteuerrechtlichen Folgen sich für ihn aus seinem Geschäftsmodell ergeben.
Lösung
F ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, der Leistungen im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Lieferung des Fahrrads „Puki“ im Frühjahr 2013 war eine nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbare Lieferung, die auch keiner Steuerbefreiung unterlag. Da K insgesamt 299 EUR aufwandte, war aus diesem Betrag die USt mit 19 % herauszurechnen. Die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 1 UStG betrug damit (299 EUR : 1,19 =) 251,26 EUR und die Umsatzsteuer (251,26 EUR x 19 % =) 47,74 EUR. Die Umsatzsteuer entstand mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Ausführung der Lieferung (bei unterstellter Sollversteuerung) im Frühjahr 2013. Steuerschuldner war F (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG).
Die Rückgabe des alten Fahrrads stellt weder eine Rückgängigmachung der ursprünglichen Lieferung noch eine Rückgabe dar. Da keine Gründe für eine Rückabwicklung der damaligen Lieferung vorliegen, handelt es sich um eine Rücklieferung, die aufgrund eines neuen Verpflichtungsgeschäfts stattfindet. K liefert – nichtsteuerbar, da er nicht als Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens handelt – an F das alte Fahrrad, da er ihm die Verfügungsmacht an dem Fahrrad verschafft. Da damit das Entgelt für eine Lieferung des F in einer Lieferung eines anderen Gegenstands besteht, liegt ein Tausch (§ 3 Abs. 12 Satz 1 UStG) mit Baraufgabe vor.
Hinweis: Der BFH (Urteil v. 12.11.2008, XI R 46/07, BStBl 2009 II S. 558) hatte sich grundsätzlich mit der Abgrenzung von Rückgabe und Rücklieferung auseinandergesetzt. So hat er die Rücknahme von gebrauchten, aber noch verwendungsfähigen Umzugskartons durch ein Umzugsunternehmen nicht als eine Minderung der Bemessungsgrundlage, sondern als eine eigenständige Rücklieferung angesehen.
Der Verkauf des neuen Fahrrads im September 2014 ist wiederum eine steuerbare und steuerpflichtige Lieferung, für die F USt schuldet. Die Bemessungsgrundlage bestimmt sich bei einem Tausch mit Baraufgabe nach § 10 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 UStG nach dem gemeinen Wert des als Gegenleistung erhaltenen Gegenstands zuzüglich der von K aufgewendeten Baraufgabe von 279 EUR. Soweit davon ausgegangen wird, dass der Verkehrswert (gemeine Wert) des in Zahlung genommenen Fahrrads tatsächlich 120 EUR beträgt, hätte K insgesamt 399 EUR aufgewendet.
Hinweis: Sollte F das Fahrrad zu einem deutlich höheren Wert, als dem gemeinen Wert in Zahlung nehmen, könnte ein verdeckter Preisnachlass vorliegen (vgl. dazu Abschn. 10.5 Abs. 4 UStAE zu einem Pkw-Händler).
Die Bemessungsgrundlage beträgt damit (399 EUR : 1,19 =) 335,29 EUR und die Umsatzsteuer ist mit 19 % i. H. v. (335,29 EUR x 19 % =) 63,71 EUR entstanden. Die Umsatzsteuer entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Ausführung der Lieferung (bei unterstellter Sollversteuerung) für den VAZ September 2014. Steuerschuldner ist F (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG).
Hinweis: Da F als "Wiederverkäufer" (entspricht einem gewerbsmäßigen Händler) mit Fahrrädern handelt und er das gebrauchte Fahrrad von einem Nichtunternehmer erworben hat, muss er das gebrauchte Fahrrad im Rahmen der Differenzbesteuerung verkaufen. USt entsteht dann nur aus der Differenz zwischen dem Verkaufspreis und dem Einkaufspreis.