Die Frist soll im Einzelfall angemessen verlängert werden können, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass die Ersatzbeschaffung noch ernstlich geplant und zu erwarten sei, aber aus besonderen Gründen noch nicht habe durchgeführt werden können.
Dieser Auffassung schließt sich der BFH in seinem Urteil vom 12.1.2012 (IV R 4/09) nicht an. Er hält es aus Vereinfachungsgründen und zur Verwirklichung eines gleichmäßigen und vorhersehbaren Gesetzesvollzugs für angebracht, die Frage nach einer angemessenen Reinvestitionsfrist unter Berücksichtigung des in § 6b Abs. 3 Sätze 2 und 3 EStG allgemein zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens zu beantworten.
§ 6b EStG eröffnet die Möglichkeit, die bei der Veräußerung bestimmter Anlagegüter aufgedeckten stillen Reserven auf ein im Wirtschaftsjahr der Veräußerung angeschafftes oder hergestelltes Ersatzwirtschaftsgut zu übertragen. Hiernach kann der Steuerpflichtige die stillen Reserven auch auf ein später angeschafftes oder hergestelltes Wirtschaftsgut übertragen, indem er im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine gewinnmindernde Rücklage bildet und diese im Reinvestitionsjahr gegen Minderung der Anschaffungs- und Herstellungskosten auflöst. Hierfür sieht § 6b Abs. 3 Satz 2 EStG eine Frist von 4 Wirtschaftsjahren vor. Diese Frist verlängert sich nach § 6b Abs. 3 Satz 3 EStG bei neu hergestellten Gebäuden auf 6 Jahre, wenn mit deren Herstellung vor dem Schluss des vierten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres begonnen worden ist. Eine darüber hinausgehende Verlängerungsmöglichkeit sieht § 6b EStG nicht vor.
§ 6b EStG dient einem der Rücklage für Ersatzbeschaffung vergleichbaren Zweck. Die Vorschrift soll steuerliche Hindernisse für die Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens abbauen, die im Unternehmen nicht mehr benötigt werden und deren Veräußerung betriebswirtschaftlich geboten und volkswirtschaftlich wünschenswert wäre. Insoweit soll sie die Veräußerung dieser Wirtschaftsgüter begünstigen und damit eine sinnvolle Anpassung der Unternehmen an strukturelle Veränderungen ermöglichen.
Unter diesem Aspekt sind Rücklage für Ersatzbeschaffung und Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG vergleichbar. Der BFH hält es deshalb für angebracht, für die Bemessung einer angemessenen Reinvestitionsfrist an den in § 6b Abs. 3 EStG zum Ausdruck gebrachten Rechtsgedanken anzuknüpfen. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, in Fällen der Ersatzbeschaffung eine kürzere Investitionsfrist vorzusehen, als sie von § 6b Abs. 3 EStG geregelt wird. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass von § 6b EStG privilegierte geplante Reinvestitionsmaßnahmen regelmäßig längerfristig vorbereitet werden, während die Ersatzbeschaffung eines Wirtschaftsguts wegen seines Untergangs aufgrund höherer Gewalt den Steuerpflichtigen unvorbereitet trifft und eine Reinvestition deshalb mindestens denselben Zeitbedarf auslöst.
Vor diesem Hintergrund bemisst der BFH die Reinvestitionsfrist nach gleichen Maßstäben:
Die Frist berechnet sich auf einen Zeitraum von 4 Wirtschaftsjahren - nach der Bildung der Rücklage.Für die Herstellung eines neuen - im Bereich der Rücklage für Ersatzbeschaffung funktionsgleichen - Gebäudes beträgt die Reinvestitionsfrist 6 Jahre.
Auf einen bestimmten Herstellungsbeginn kommt es bei Immobilien im Unterschied zur Regelung in § 6b EStG nicht an, weil die Bildung der Rücklage für Ersatzbeschaffung bereits den Nachweis der Investitionsabsicht erfordert und die Umsetzung dieser Absicht regelmäßig zu einem frühzeitigen Herstellungsbeginn führen wird.
Eine über diese Fristen hinausgehende Möglichkeit zur Fristverlängerung im Einzelfall besteht nicht.
Aus dem Umstand, dass der betroffene Unternehmer zunächst den Erwerb oder Bau eines Wirtschaftsgutes anstelle des Später angeschafften plante, ist nicht auf eine Aufgabe der Investitionsabsicht zu schließen, wenn das Anlagegut ein geeignetes Ersatzwirtschaftsgut ist.
Wichtig: Während des Laufs der Reinvestitionsfrist bedarf es keiner ständigen Überprüfung, ob die ursprünglich festgestellte Investitionsabsicht noch fortbesteht. Der Fortbestand der Absicht wird widerleglich vermutet. Bestehen hingegen im Einzelfall Anhaltspunkte für eine Aufgabe der Investitionsabsicht, hat das Finanzamt diese darzulegen und ggf. entsprechend nachzuweisen. Hierzu bedarf es konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die Investitionsabsicht aufgegeben worden ist. Dabei spricht sowohl eine nach den Versicherungsbedingungen noch laufende Frist für Ersatzleistungen als auch eingeholte Angebote des Unternehmers eher gegen eine Aufgabe der Ersatzbeschaffungsabsicht.