Rücknahme eines Antrags auf Aufteilung der Steuerschuld
Ehegatten sind Gesamtschuldner der aufgrund der Zusammenveranlagung sich ergebenden Steuerschuld (§ 44 Abs. 1 Satz1 AO). Die Gesamtschuldnerschaft hat zur Folge, dass jeder Ehegatte bis zur vollständigen Tilgung die gesamte Steuerschuld schuldet. Erst durch die Aufteilung nach den §§ 268 ff. AO wird die Gesamtschuld für Zwecke der Vollstreckung in Teilschulden aufgeteilt und dadurch die Vollstreckung gegen die Gesamtschuldner auf ihren jeweiligen Anteil an der Gesamtschuld beschränkt.
Der Antrag kann von jedem Gesamtschuldner bereits vor Fälligkeit der Steuerbeträge, jedoch frühestens nach Bekanntgabe des Leistungsgebots gestellt werden (§ 269 Abs. 2 Satz 1 AO). Ein Widerruf des Antrags ist zulässig, solange der Aufteilungsbescheid noch nicht bekannt gegeben worden ist.
Beispiel mit Widerruf nach Bekanntgabe des Aufteilungsbescheids
Die seit 2017 getrennt lebenden Eheleute A und B schulden aus der Zusammenveranlagung 2017 2.000 EUR ESt. Nach Bekanntgabe des Bescheids beantragt B die Aufteilung der Gesamtschuld. Die Aufteilung hätte ergeben, dass A ca. 15 % und B ca. 85 % der ESt zu zahlen hätte. Da die gewerblichen Einkünfte von A aber auf einer Schätzung beruhten und er die Gewinnermittlung nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides umgehend nachreichte, änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid, welcher nun eine Nachzahlung von 200 EUR beinhaltete.
Aufgrund des noch offenen Aufteilungsantrags erließ das Finanzamt einen Aufteilungsbescheid, wonach A eine Erstattung von 150 EUR zusteht (aufgrund der Anrechnungsvorschrift des § 276 AO ist es nicht unüblich, dass z. B. der Ehegatte mit Steuerklasse V im Rahmen eines Aufteilungsbescheids einen Erstattungsanspruch erhält) und B eine Nachzahlung von 350 EUR zu leisten hat. B legte gegen den Bescheid Einspruch ein und nahm hierbei ihren gestellten Antrag auf Aufteilung der Gesamtschuld zurück.
Finanzgerichte schließen Rücknahme des Antrags aus
In diesem Zusammenhang sind die Finanzgerichte überwiegend der Auffassung (z. B. FG Baden-Württemberg, Urteil v. 14.2.2017, 11 K 370/15, Haufe Index 10873171 und FG Hessen, Urteil v. 22.6.2017, 10 K 833/15, Haufe Index 11279066), dass die Vorschriften über die Aufteilung einer Gesamtschuld die Möglichkeit einer Rücknahme des Antrags (bis zur Bestandskraft des Aufteilungsbescheides) nicht vorsehen. Zudem handele es sich bei dem Aufteilungsantrag um die Ausübung eines verwaltungsrechtlichen Gestaltungsrechts. Wegen der Rechtsnatur eines Gestaltungsrechts und aus Gründen der Rechtssicherheit könne der Antrag aber nicht widerrufen bzw. zurückgenommen werden.
Die Möglichkeit einer Rücknahme des Antrages ergebe sich auch nicht aus den Vorschriften über die Steuerveranlagung von Ehegatten. Ein Aufteilungsbescheid könne allenfalls nach Maßgabe des § 280 Abs. 1 AO korrigiert werden. Dafür muss der Aufteilungsbescheid aber auf unrichtigen Angaben beruhen oder sich die rückständige Steuer nach Erteilung des Aufteilungsbescheids geändert haben.
Abweichende Auffassungen und Revisionsverfahren
Das FG Berlin-Brandenburg geht dagegen von der Möglichkeit einer Rücknahme des Antrags aus, ohne dies aber näher zu erläutern (Urteil v. 16.9.2009, 7 K 7453/06 B, Haufe Index 2249704). Nach einer Literaturmeinung (Wackerbeck, EFG 2017 S. 1780) gelte allgemein der Grundsatz, dass Antragsrechte oder Wahlrechte, die weder ausdrücklich unwiderruflich ausgestaltet sind, noch dem Grunde nach einer zeitlichen Begrenzung unterliegen, solange ausgeübt werden können, bis der entsprechende Bescheid formell und materiell bestandskräftig ist. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes sei § 280 Abs. 1 AO nicht zu entnehmen. Auch aus der Rechtsnatur des Antrags als verwaltungsrechtliches Gestaltungsrecht könne nicht dessen generelle Unwiderruflichkeit gefolgert werden. Da § 269 AO keine gesetzliche Anordnung der Unwiderruflichkeit enthalte, sei eine Rücknahme des Antrags möglich. Des Weiteren sei das Stellen des Antrags auf Aufteilung der Steuerschuld erst nach Bekanntgabe des Leistungsgebots möglich. Daraus könnte man schließen, dass bei Bekanntgabe eines neuen Leistungsgebots ein neuer Aufteilungsantrag erforderlich sei.
Vor dem BFH laufen zwei Revisionsverfahren gegen die Entscheidungen der FG (Az VI R 14/17 und VII R 28/17). In vergleichbaren Fällen sollte Einspruch einlegt und das Ruhen des Verfahrens beantragen werden, bis der BFH entschieden hat.
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