Unterjährige Anschaffung des Grundbesitzes bei Immobilienverwaltung
Einfache und erweiterte Gewerbeertragskürzung
Nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitzes gekürzt (sog. einfache Kürzung). Anstelle dieser Kürzung tritt nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf Antrag u.a. bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung).
Beschränkt sich also die Tätigkeit einer GmbH auf die Immobilienverwaltung, wird der daraus erwirtschaftete Gewinn durch die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG im Ergebnis vollständig von der Gewerbesteuer ausgenommen.
Entscheidung des BFH
Voraussetzung für die Gewährung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG anstelle der pauschalen Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG ist nach Auffassung des BFH nur, dass der fragliche Grundbesitz zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehört. Weitere tatbestandliche Erfordernisse und Einschränkungen bestehen insoweit nicht, insbesondere keine solchen zeitlicher Art (BFH, Urteil v. 15.3.2000, I R 17/99, BStBl 2001 II S. 251, Rn. 15).
Zwar bestimme § 20 Abs. 1 Satz 2 GewStDV, dass für die Frage, ob und inwieweit i.S.d. § 9 Nr. 1 GewStG Grundbesitz zum Betriebsvermögen gehört, der Stand zu Beginn des Kalenderjahrs sei. Diese Regelung bezieht sich nach Ansicht des BFH lediglich auf die pauschale Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG, nicht aber auf die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Die Orientierung auf den Beginn des Kalenderjahrs ist durch die Anknüpfung der Pauschalkürzung an dem Einheitswert des dem Unternehmen gehörenden Grundbesitzes bedingt. Diese Orientierung erübrigt sich indes, wenn die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG beantragt wird und wenn deren Voraussetzungen vorliegen; diese Kürzung tritt dann an die Stelle der Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG und unterfällt eigenen Grundsätzen.
In einer späteren Entscheidung hat der BFH unbeantwortet gelassen, ob die erweiterte Kürzung zu versagen ist, wenn das fragliche Grundstück sich am 1.1. des Erhebungszeitraums nicht im Betriebsvermögen befindet ( BFH, Urteil v. 19.10.2010, I R 1/10, BFH/NV 2011 S. 841, Rn. 10).
Auffassung der Finanzverwaltung
Die Finanzverwaltung vertritt die Ansicht, dass es für die Anwendung der Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG hinsichtlich der Beurteilung der Frage, ob Grundbesitz zum Betriebsvermögen des Unternehmens gehört, nicht auf den Stand an einem bestimmten Stichtag ankommt (R 9.2 Abs. 1 Satz 4 GewStR 2009).
Urteil des FG Berlin-Brandenburg
Angesichts der in den Gewerbesteuer-Richtlinien vertretenen Auffassung ist es überraschend, das das FG Berlin-Brandenburg über einen Fall entscheiden musste, in dem eine GmbH das Grundstück "unterjährig" am 1.7. des betreffenden Jahrs erworben hat. Ungeachtet der BFH-Entscheidung und der Verwaltungsmeinung vertritt das FG Berlin-Brandenburg die Auffassung, dass keine erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags bei Grundstückserwerb im Laufe des Erhebungszeitraums vorzunehmen ist (FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 11.12.2018, 8 K 8131/17, DStR 2021 S. 2582).
Danach soll die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nur dann in Betracht kommen, wenn auch ein Anspruch auf Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG bestehe. Es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber im Falle der Anschaffung eines Grundstücks im laufenden Erhebungszeitraum Unternehmen, die die besonderen Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erfüllen, gegenüber den Unternehmen, die lediglich einen Anspruch auf einfache Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG haben, privilegieren wollte.
Revisionsverfahren beim BFH anhängig
Das FG Berlin-Brandenburg hat die Revision gegen sein Urteil wegen Divergenz zum genannten BFH-Urteil zugelassen, die auch eingelegt wurde (Az. des BFH: III R 7/19). Steuerpflichtigen, denen die erweiterte Kürzung im Jahr des Grundbesitzes durch das Finanzamt versagt wird, sollten Einspruch einlegen. Die Entscheidung des III. Senats des BFH bleibt vor dem Hintergrund der Tragweite der Entscheidung mit Spannung zu erwarten (Habel, DStR 2021 S. 2567, 2570).
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