Unwiderruflichkeit einer Betriebsaufgabeerklärung
Betriebsfortführungsfiktion bei Betriebsverpachtung im Ganzen
Durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 wurde mit § 16 Abs. 3b EStG eine Betriebsfortführungsfiktion für Fälle der Betriebsunterbrechung oder Betriebsverpachtung im Ganzen eingeführt. Zu der Regelung hat die Finanzverwaltung – nach 5 Jahren – in einem Anwendungsschreiben Stellung genommen und u. a. darauf hingewiesen, dass für die gegenüber dem Finanzamt abzugebende Erklärung zur Aufgabe des Betriebs keine bestimmte Form vorgeschrieben ist. Aus Beweisgründen soll die Aufgabeerklärung jedoch schriftlich und unter Angabe eines Aufgabedatums abgegeben werden (BMF, Schreiben v. 22.11.2016, Haufe Index 9950367).
Beispiel: Rücknahme der Aufgabeerklärung
A betrieb bis zum 31.7.2018 auf einem ihm gehörenden Grundstück eine Gaststätte. Durch Gesellschaftsvertrag vom 21.7.2018 gründete er zusammen mit seinem Sohn S eine GmbH, an der beide zu je ½ beteiligt waren. A veräußerte die Gaststätteneinrichtung und den Warenbestand an die GmbH und verpachtete ihr die bisherigen Geschäftsräume. Vom 1.8.2018 an betrieb die GmbH in diesen Räumen ebenfalls eine Gaststätte.
Mit Schreiben vom 23.10.2018 stellte der damalige Steuerberater des A beim Finanzamt den Antrag, die Einkommensteuervorauszahlungen ab Dezember 2018 auf 0 EUR festzusetzen, weil der Gewerbebetrieb zum 31.7.2018 eingestellt worden sei. In der Einkommensteuererklärung 2018 erklärt A neben laufenden Einkünften aus Gewerbebetrieb (Gaststätte) für den Zeitraum 1.1.2018 bis 31.7.2018 einen "Veräußerungs-/Aufgabegewinn i.S.d. § 16 EStG" i.H.v. 15.000 EUR aus der Veräußerung des Inventars und des Warenbestands. Im verpachteten Betriebsgrundstück sind stille Reserven von 185.000 EUR enthalten.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 legt A Einspruch ein mit der Begründung, er habe sein Einzelunternehmen nicht aufgegeben, sondern lediglich verpachtet. Das Schreiben seines früheren Steuerberaters vom 23.10.2018 enthalte keine eindeutige Aufgabeerklärung. Die Erklärung sei offensichtlich nicht von dem Bewusstsein getragen gewesen, die Versteuerung der stillen Reserven auszulösen, da sonst im Hinblick auf die Versteuerung der stillen Reserven kein Antrag gestellt worden wäre, die Einkommensteuervorauszahlungen auf 0 EUR herabzusetzen.
BFH sieht die Sache anders
Bei Gaststätten bilden die gewerblich genutzten Räume regelmäßig den wesentlichen Betriebsgegenstand, sodass trotz Veräußerung der Gaststätteneinrichtung und des Warenbestands das Verpächterwahlrecht besteht. Gibt der Unternehmer in dieser Situation keine Aufgabeerklärung ab, ist zu unterstellen, dass er beabsichtigt, den Betrieb fortzuführen. A hat sich jedoch nicht zur Fortführung des Betriebs durch Verpachtung entschieden, sondern mit dem Schreiben seines Steuerberaters vom 23.10.2018 die Betriebsaufgabe erklärt.
Erklärt er ausdrücklich die Betriebsaufgabe, kann er diese rechtsgestaltende Erklärung nicht mit dem Hinweis darauf widerrufen, es sei ihm nicht klar gewesen, dass er als Folge auch die stillen Reserven seines Betriebsgrundstücks versteuern müsse (BFH, Urteil v. 22.9.2004, III R 9/03, Haufe Index 1266987 zu einem Fall vor Einfügung des § 16 Abs. 3b EStG).
Praxis-Tipp: Rechtsprechung gilt auch für Rechtslage nach Einfügung des § 16 Abs. 3b EStG
Nach der in Literatur vertretenen – m.E. zutreffenden – Ansicht gilt auch nach Einfügung des § 16 Abs. 3b EStG, dass eine als ausdrückliche Betriebsaufgabeerklärung zu wertende Äußerung des Unternehmers unwiderruflich ist, und zwar auch, wenn der Steuerpflichtige sich später darauf beruft, diese rechtsgestaltende Erklärung sei wirkungslos, weil ihm nicht bewusst gewesen sei, dass mit der Betriebsaufgabe auch die stillen Reserven des verpachteten Betriebsgrundstücks zu versteuern seien (Strahl/Demuth, Gestaltende Steuerberatungspraxis 2016 S. 96).
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