Verpflegungspauschale bei erster Tätigkeitsstätte

Die ermittelten Verpflegungspauschalen sind zu kürzen, wenn dem Arbeitnehmer anlässlich oder während einer Tätigkeit außerhalb der ersten Tätigkeitsstätte vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung von einem Dritten eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt wird.

Aufgrund des Wortlauts könnte man die Auffassung vertreten, dass eine Kürzung nicht in Betracht kommt, wenn der Arbeitnehmer über keine erste Tätigkeitsstätte verfügt.

Was der Gesetzestext sagt

Nach § 9 Abs. 4a Satz 1 EStG sind Mehraufwendungen eines Arbeitnehmers für die Verpflegung nur nach Maßgabe der folgenden Sätze als Werbungskosten abziehbar. Wird ein Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig, ist nach § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG eine Verpflegungspauschale anzusetzen, deren Höhe in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG bestimmt ist. Für Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte ordnet § 9 Abs. 4a Satz 4 EStG eine entsprechende Anwendung der Sätze 2 und 3 dieser Vorschrift an. § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG bestimmt, dass die Verpflegungspauschale in voller Höhe zu kürzen ist, wenn einem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte Frühstück, Mittag- und Abendessen unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.

Beispiel

Im Rahmen eines Klageverfahrens beim FG Niedersachsen erzielte der Kläger als nautischer Offizier Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Im Streitzeitraum war er auf See tätig. An Bord der Schiffe stellte der Arbeitgeber dem Kläger unentgeltlich Mahlzeiten zur Verfügung. In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger Verpflegungspauschalen ohne Kürzung geltend. Als Begründung gab der Kläger an, dass eine Kürzung nach § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG nur dann in Betracht kommt, wenn eine erste Tätigkeitsstätte vorhanden ist, was bei Seeleuten aber gerade nicht der Fall sei.

FG Niedersachsen: Kürzung ist vorzunehmen

Nach Auffassung des FG Niedersachsen schließt aber die Verweisung in § 9 Abs. 4a Satz 4 EStG auf die Sätze 2 und 3 auch eine Kürzung nach § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG ein. Dies folge bereits aus § 9 Abs. 4a Satz 2 EStG, auf den § 9 Abs. 4a Satz 4 EStG für Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte ausdrücklich verweist. Nach Satz 2 ist eine Verpflegungspauschale nur „zur Abgeltung der“ dem Arbeitnehmer „tatsächlich entstandenen beruflich veranlassten Mehraufwendungen“ anzusetzen. Diese Vorschrift wird von der Finanzverwaltung (BMF vom 24.10.2014, BStBl. 2014 I S. 1412 Tz. 73) und der Literatur übereinstimmend dahingehend verstanden, dass im Zusammenwirken mit der Vorschrift des § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG kein Abzug eines Verpflegungsmehraufwands möglich ist, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unentgeltlich Frühstück, Mittag- und Abendessen zur Verfügung stellt, so das FG. Aus dieser Fassung des Gesetzes ergäbe sich, dass - auch ohne ausdrückliche Verweisung auf § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG in Satz 4 dieser Vorschrift - auch bei Arbeitnehmern ohne erste Tätigkeitsstätte ein Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen nicht möglich ist, wenn sie in vollem Umfang unentgeltlich von ihrem Arbeitgeber verpflegt werden.

Revisionsverfahren

Meines Erachtens ist dem FG uneingeschränkt zuzustimmen. Da aber die Frage, ob die Kürzung nach § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG auch in den Fällen anzuwenden ist, in denen der Arbeitnehmer nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt, seit der gesetzlichen Neuregelung noch nicht durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt ist, hat das FG die Revision zugelassen. In vergleichbaren Fällen (Steuerpflichtige ohne erste Tätigkeitsstätte) kann Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens beantragt werden, bis der BFH entschieden hat (Az. VI R 27/19). Einsprüche ruhen kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.