Es sind beeindruckende Zahlen: Vier Millionen Videoabrufe und 25.000 Fans verzeichnet RA Christian Solmecke. Rund 400 Videos gibt es inzwischen bei Youtube mit und von dem auf Abmahnungen im Internet spezialisierten Rechtsanwalt aus Köln. "Unsere Kanzlei hat sich bei der Mitarbeiterzahl in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht", sagt Solmecke," Partner bei Wilde Beuger Solmecke. 50 Festangestellte und 50 Freiberufler arbeiten für die Kanzlei ( zum Kanzlei-Auftritt bei YouTube) .
Zwar nutzen die Kölner noch andere Mittel des Marketings, doch Videos brachten die größten Erfolge. Solmecke weiß das so genau, weil am Ende jeder Folge eine spezielle Telefonnummer eingeblendet wird. Darüber kamen so viele Anrufe, dass ein eigenes Call-Center-Team im Haus aufgebaut wurde. "Uns haben die Videos mehrere Tausend neue Mandanten gebracht", fasst Solmecke zusammen. Eigentlich aber hatte alles mit einem Fehlstart begonnen.
Solmecke arbeitete während seines Studiums für Zeitungen und Radiosender und bloggte später als Rechtsanwalt im Internet. 2009 wollte er seine Themen als "vertrauensbildende Maßnahme" auch im Video präsentieren. Mit einer Webcam nahm er Bild und Ton auf und zeigte das Ergebnis einer TV-Redakteurin – das Urteil war vernichtend. Die Inhalte stimmten, doch das wackelige Bild und der schlechte Ton ruinierten den Gesamteindruck. "Ein guter Ton ist viel wichtiger als ein gestochen scharfes Bild", weiß Solmecke heute.
Er ließ das Vorhaben ruhen und recherchierte lange, wie eine professionelle Ausstattung aussehen müsste. Heute entstehen fünf Videos pro Woche. Gefilmt wird mit einer digitalen Kamera vor einem Bücherregal oder am Schreibtisch. Solmecke nutzt dabei ein spezielles Ansteckmikrofon, wobei der Ton separat mit einem Digitalrekorder aufgezeichnet wird. Eine Drei-Punkt-Beleuchtung sorgt dafür, dass keine Schatten im Gesicht zu sehen sind. Insgesamt habe er rund 1.500 EUR in die Technik investiert. Für Vorbereitung und Dreh braucht Solmecke drei Stunden. Ein Student der Filmhochschule benötigt noch mal zwei Stunden am Rechner, um fünf Videos zu schneiden.
Rheinischer Singsang statt trockene Steuerthemen
StB Markus Händeler aus Köln schlüpft in seinen Videos in die Rolle einer Kunstfigur. Am "Steuerbüdchen" beantwortet er als „Kioskbesitzer“ relevante Themen seiner Mandanten. Im Rheinland ist das Büdchen ein Treffpunkt für die Nachbarschaft und so greift Händeler im rheinischen Singsang die ansonsten trockenen Steuerthemen allgemeinverständlich auf ( Video auf YouTube).
Für zwei Videos, die an einem Fenster seiner Privatwohnung entstehen, benötigt er drei Stunden. "Wir drehen das aus zwei Kameraperspektiven, sodass es nicht so statisch wird", sagt Händeler. Ein Regisseur aus seiner Mandantschaft hilft bei der Produktion.
Nach zehn Videos ist erst einmal Pause. "Die wirken noch nach, ich werde immer wieder darauf angesprochen", sagt Händeler, der nach Tätigkeiten in der Finanzverwaltung und einer Großkanzlei die Selbstständigkeit für sich entdeckte. "Ich wollte in meinen Videos keinesfalls die Kanzleileistungen aufzählen, weil das einfach zu viele machen. Außerdem ist das für den Zuschauer nur langweilig", sagt Händeler. Angst, vor die Kamera zu treten und frei zu reden, hatte er nicht. Dank Karneval sei er bühnenerfahren.
StB Jörg Reimer aus Aachen darf jede Woche vor die Kamera in ein professionelles Studio. Im Gespräch mit einer Moderatorin gibt es beim Lokalsender Center TV Ratschläge zu Themen wie Ehegatten-Splitting oder Alterseinkünftegesetz. Die Videos des Senders darf der Steuerberater aus Aachen via Youtube auch auf seiner Webseite nutzen. Diese brachten Reimer sogar eine Einladung zu Maybrit Illners ZDF-Talkshow.
30 TV-Mitschnitte, 55.000 Aufrufe
StB Carsten Schulz, geschäftsführender Partner bei HSP Steuer in Hannover, war in Sendungen von Bloomberg TV und Berlin TV. Die Einladungen verdankt er rund 30 Videos zu Steuerthemen, die bislang 55.000 Mal abgerufen wurden. "Wir machen das, um besser im Internet gefunden zu werden. Jedes Video enthält einen Link zu unserer Webseite", sagt Schulz. Denn Youtube ist nach Google die zweitgrößte Suchmaschine. "Durch die Brille eines Anwalts kann man bei den Nutzungsbedingungen nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen", sagt Solmecke. Allerdings fallen die Rechte an den Videos nach Veröffentlichung an das US-Unternehmen. Doch setzt Solmecke die Marketing-Brille auf, gebe es keine Alternative.
Bei HSP Steuer begann es 2008 mit einem Auftrag. Ein Fachverlag fragte an, ob die Kanzlei Videos zu Steuerthemen drehen könne. Schulz investierte rund 10.000 Euro in Studiotechnik und legte los. Da die Beiträge im sogenannten Blue-Box-Verfahren gedreht wurden, lässt sich der Hintergrund austauschen. Die Gespräche der beiden handelnden Personen laufen bei Youtube sowie auf der Kanzleiwebseite.
Youtube multipliziert negative Wirkung
Auch Schulz rät, sich professionelle Hilfe oder zumindest Urteile zu den fertigen Produkten zu holen. "Ein gutes Video bringt noch keine neuen Mandanten, aber ein schlechtes Video multipliziert sich in seiner negativen Wirkung", ist Schulz überzeugt. Bevor die eigentlichen Themen gedreht werden, sollten Aussprache und Haltung, vor allem der Hände, vor der Kamera geübt und kritisch beurteilt werden. Zwei Leute in einer Gesprächssituation sind immer eine gute Lösung, weil es Nervosität nimmt.
Videos können Besucher neugierig machen
Wer selber Videos produziert, muss diese nicht zwingend bei Youtube hochladen. Man kann bei seinem Hosting-Anbieter zusätzlich zur Webseite ein sogenanntes Video-Hosting buchen. Der Vorteil von Youtube ist, dass Nutzer direkt dort suchen und Videos sich einfach in weitere Webseiten einbinden lassen.
Das Einstellen eines Videos bei Youtube ist jedoch nur der erste Schritt, denn Zuschauer kommentieren Beiträge oder stellen Fragen. Wenn man die nicht beantwortet, kann die positive Wirkung der Videos schnell verpuffen. Zudem schaltet Youtube Werbespots vor den eigentlichen Beiträgen. An den Einnahmen werden die Videoproduzenten beteiligt. Anwalt Solmecke plädiert klar gegen die Werbespots, da sich ein Anwalt damit im gewerblichen Bereich bewegt. Daher sollte die Werbeoption in den Einstellungen des Youtube-Kontos deaktiviert sein. Zumal es keine Kanzlei möchte, wenn ein anderer Kollege kurz vor dem eigenen Video Werbung macht.