Zeitlicher Zusammenhang und Prüfungswartezeiten beim Kindergeld

Vor Kurzem hat der BFH seine Rechtsprechungsgrundsätze zur kindergeldrechtlichen Erstausbildung für Fälle, in denen die einheitliche Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung abzugrenzen ist, fortentwickelt und präzisiert. 

Anhand der neuen Grundsätze (vgl. dazu die News v. 4.7.2019) hat er sich nun auch zu der Frage des zeitlichen Zusammenhangs bei einer mehraktigen Ausbildung (vgl. News v. 6.7.2018 zu den damals anhängigen Verfahren) und zu der Frage, ob eine Erst- oder Zweitausbildung bei Prüfungswartezeiten vorliegt (vgl. News v. 15.8.2017 zu den damals anhängigen Verfahren), geäußert.

Zeitlicher Zusammenhang bei einer mehraktigen Ausbildung

Hier stellte sich die Frage, ob bei einem späteren Beginn eines weiteren Ausbildungsabschnitts Voraussetzung ist, dass das Kind spätestens im Folgemonat nach Abschluss einer ersten berufsqualifizierenden Ausbildungsmaßnahme eine Bewerbung zum nächstmöglichen Zeitpunkt nachweist oder zumindest eine Absichtserklärung abgibt (Auffassung der Finanzverwaltung).

Erst- oder Zweitausbildung bei Prüfungswartezeiten

Eine Ausbildungseinheit ist nach Auffassung des BFH nicht gegeben, wenn sich erst nach einer Berufstätigkeit der zweite Ausbildungsabschnitt anschließen kann. In diesem Zusammenhang war fraglich, wie mit Fällen umzugehen ist, in denen zwar eine berufspraktische Erfahrung für die Zulassung der Prüfung vorausgesetzt wird, der zweite aber trotzdem direkt nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts beginnen kann.

Fortentwickelte Rechtsprechung

Nach der fortentwickelten Rechtsprechung hat der BFH (Urteil v. 11.12.2018, III R 26/18, Haufe Index 12982457) kann es an einer einheitlichen Erstausbildung fehlen, wenn das Kind nach Erlangung des ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine Berufstätigkeit aufnimmt und die daneben in einem weiteren Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen gegenüber der Berufstätigkeit in den Hintergrund treten. Ob die nach Erlangung des Abschlusses aufgenommene Berufstätigkeit die Hauptsache und die weitere Ausbildungsmaßnahme eine nebensächliche Weiterbildung in dem bereits aufgenommenen Berufszweig darstellt, ist anhand einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse zu entscheiden. Hierfür sind z. B. folgenden Kriterien von Bedeutung:

  • Handelt es sich um zeitlich unbefristetes oder auf mehr 26 Wochen befristetes Arbeitsverhältnis?
  • Liegt eine vollzeitige oder nahezu vollzeitige Beschäftigung vor?
  • etzt das Arbeitsverhältnis den ersten Berufsabschluss voraus?
  • Passt sich die Berufstätigkeit dem jeweiligen Ausbildungsplan an oder findet die Ausbildung neben der Berufstätigkeit statt?

Folgeentscheidungen des BFH

Anhand dieser Grundsätze zu prüfen, ob eine Erst- oder Zweitausbildung vorliegt, hat der BFH nun den Finanzgerichten zur Aufgabe gemacht. 

Er hat aber zu verstehen gegeben (BFH, Urteil v. 11.12.2018, III R 32/17, Haufe Index 13106813), dass es nicht gegen die Verklammerung der Ausbildungsabschnitte spricht, wenn die Anmeldung für den weiteren Ausbildungsabschnitt erst mehrere Monate nach Bestehen des ersten Ausbildungsabschnitts erfolgt. Auch einer sofort nach Abschluss eines Ausbildungsabschnittes erfolgenden Mitteilung der Absicht der Fortsetzung der Ausbildung an die Familienkasse bedarf es nicht (entgegen DA-KG 2018 V 6.1 Abs. 1 Satz 8); der Untersuchungsgrundsatz gebietet auch die Berücksichtigung von Beweiszeichen, die erst nach Ablauf des Anspruchszeitraums bekannt werden. Es genügt wenn, die Sachverhaltsumstände im Entscheidungszeitpunkt vollständig und glaubhaft dargelegt sind (BFH, Urteil v. 20.2.2019, III R 35/18, Haufe Index 13152003). 

Auch wegen der Frage des Erfordernisses einer Berufstätigkeit ist er der Auffassung (u. a. BFH, Urteile v. 11.12.2018, III R 47/17, Haufe Index 13106811, III R 22/18, Haufe Index 13106814 und III R 2/18, Haufe Index 11570710), dass nicht jede von der Prüfungsordnung des zweiten Ausbildungsabschnittes vorausgesetzte Berufstätigkeit den notwendigen Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten entfallen lässt. Denn eine solche Prüfungsvoraussetzung kann möglicherweise auch durch eine ohne besondere Qualifikationsanforderungen vor oder während des ersten Ausbildungsabschnitts durchgeführte Tätigkeit erfüllt werden. Ebenso ist denkbar, dass einer solchen Prüfungsvoraussetzung durch eine zwar während des zweiten Ausbildungsabschnitts durchgeführte, aber weniger als 20 Wochenstunden umfassende Arbeitstätigkeit genügt werden kann. Besteht in solchen Fällen ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen zwei Ausbildungsabschnitten, hält es der BFH nicht für gerechtfertigt, allein aus einer solchen Prüfungsvoraussetzung eine Zäsur abzuleiten, obwohl die Arbeitstätigkeit die Ausbildung nicht unterbricht und die zweite Ausbildungsphase durch die Ausbildung und nicht durch die Arbeitstätigkeit geprägt wird. 


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