Zeitlicher Zusammenhang bei einer mehraktigen Ausbildung im Kindergeldrecht
Hintergrund ist, dass seit 2012 ein Kind, welches für einen Beruf ausgebildet wird, nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums, nur noch weiter kindergeldrechtlich berücksichtigt werden kann, wenn es keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).
Es stellt sich hinsichtlich der zeitlichen Komponente die Frage, ob bei einem späteren Beginn eines weiteren Ausbildungsabschnitts Voraussetzung ist, dass das Kind spätestens im Folgemonat nach Abschluss einer ersten berufsqualifizierenden Ausbildungsmaßnahme eine Bewerbung zum nächstmöglichen Zeitpunkt nachweist oder zumindest eine Absichtserklärung abgibt.
Mehraktige Ausbildung im Rahmen einer Erstausbildung
Ob bereits der erste berufsqualifizierende Abschluss zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss Teil der Erstausbildung sein kann, richtet sich danach, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt. Ist dabei aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat, kann auch eine weiterführende Ausbildung noch als Teil einer Erstausbildung zu qualifizieren sein.
Zeitlicher Zusammenhang nach Verwaltungsmeinung
Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung (BMF, Schreiben v. 8.2.2016, Haufe Index 9077274, Rz 12b), dass ein enger zeitlicher Zusammenhang dann vorliegt, wenn das Kind die weitere Ausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufnimmt oder sich bei mangelndem Ausbildungsplatz zeitnah zum nächstmöglichen Zeitpunkt für die weiterführende Ausbildung bewirbt. Unschädlich sind Verzögerungen, die z. B. aus einem zunächst fehlenden Ausbildungsplatz oder aus einem aus schul-, studien- oder betriebsorganisatorischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt verfügbaren Ausbildungsplatz resultieren.
Aus der Dienstanweisung zum Kindergeld ergibt sich weiter (DA-KG vom 13.7.2017, Haufe Index 11218490, A 17), dass das Kind spätestens im Folgemonat nach Abschluss seiner ersten berufsqualifizierenden Ausbildungsmaßnahme eine Bewerbung zum nächstmöglichen Zeitpunkt nachzuweisen hat. Ist eine Bewerbung zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, hat das Kind eine schriftliche Erklärung abzugeben, dass es sich zum nächstmöglichen Zeitpunkt auf ein konkretes Berufsziel hin bewirbt (Absichtserklärung). Diese Erklärung müsse spätestens im Folgemonat nach Abschluss des ersten berufsqualifizierenden Ausbildungsabschnitts bei der Familienkasse eingehen.
FG Niedersachsen sieht zeitlichen Zusammenhang bei Bewerbungen nach ca. 2-3 und Beginn nach ca. 4-5 Monaten
Im Rahmen aktueller Entscheidungen des FG Niedersachsen (v. 13.11.2017, 1 K 115/17, Haufe Index 11748590 und 6.2.2018, 13 K 171/17, Haufe Index 11748592) endeten die Ausbildungen am 25.6.2015 und 31.1.2017. Für das nachfolgende Studium wurde sich am 16.9.2015 und 06.4.2017 beworben. Dies reichte aus, um zum nächstmöglichen Zeitpunkt (nach Abschluss der Ausbildung) das Studium zu beginnen (November 2015 bzw. Juni 2017).
Das FG ist der Meinung, dass es nicht darauf ankommt, dass die Bewerbung für das Studium innerhalb eines Monats nach dem Abschluss der Ausbildung abgesandt oder die fortbestehende Ausbildungswilligkeit innerhalb eines Monats gegenüber der Familienkasse kundgetan worden ist. Der enge zeitliche Zusammenhang ist zu bejahen, wenn das Kind die weitere Berufsausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufnimmt (vgl. hierzu auch zuletzt BFH, Urteil v. 11.04.2018, III R 18/17, der enge zeitliche Zusammenhang muss zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten bestehen). Es kommt dabei darauf an, dass das Kind den weiteren Ausbildungsabschnitt mit der gebotenen Zielstrebigkeit aufnimmt. Schädlich ist, wenn der weitere Ausbildungsabschnitt nicht aufgenommen wird, obwohl das Kind damit hätte beginnen können. Daher sah das FG einen engen zeitlichen Zusammenhang als gegeben an, weil die weiterführenden Ausbildungen zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgenommen wurden und zudem die im engen zeitlichen Zusammenhang nach Abschluss der ersten Ausbildung gefertigten Bewerbungen erkennen lassen, dass das angestrebte Berufsziel noch nicht erreicht wurde.
4-6 Monatsfrist maßgebend? Klärung durch BFH
Ein anderer Senat des FG Niedersachsen (v. 13.11.2017, 2 K 155/17, Haufe Index 11659049) geht aber davon aus, dass ein zeitlicher Zusammenhang nicht mehr gegeben ist, wenn zwischen dem Abschluss und dem Beginn der weiteren Ausbildung (trotz nächstmöglichem Zeitpunkt) ein Zeitraum von über 6 Monaten liegt, ohne dass während dieser Zeit das Anstreben eines weiteren Ausbildungsabschnitts objektiv erkennbar wird (Bewerbung und Ausbildungsbeginn hier erst nach ca. 8 bzw. 9 Monaten). Einen Anhaltspunkt könnte nach Auffassung des FG aber möglicherweise auch die 4 Monatsfrist (zwischen zwei Ausbildungsabschnitten) des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG geben.
Das letzte Wort wird aber der BFH haben, weil gegen die Entscheidungen eine Nichtzulassungsbeschwerde (III B 148/17) und zwei Revisionsverfahren (III R 12/18 und III R 32/17) laufen. Vergleichbare Fälle sollten offen gehalten werden, bis der BFH entschieden hat.
Ergänzung vom 9.7.2018: Für einen weiteren Senat des FG Niedersachsen (Urteil v. 4.4.2018, 3 K 152/17) reicht es dagegen aus, dass die wesentlichen Sachverhaltsumstände (bei Aufnahme der weiterführenden Ausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt, im Urteilsfall nach 10 Monaten) spätestens im Entscheidungszeitpunkt vollständig und glaubhaft dargelegt sind. Diese Auffassung vertritt auch das FG Düsseldorf (Urteile v. 11.1.2018, 9 K 994/17 Kg, Haufe Index 11526511 und v. 28.5.2018, 7 K 3294/17 Kg). Auch hier laufen Revisionsverfahren (III R 18/18 und III R 8/18).
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