Zeitpunkt der Erteilung eines Aufteilungsbescheides

Eine Entscheidung über den Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung ist nicht erforderlich, wenn keine Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen oder bereits ergriffene Vollstreckungsmaßnahmen wieder aufgehoben werden. Diese Regelung hört sich eindeutiger an, als sie tatsächlich ist.

Aufteilung der Gesamtschuld

Ehegatten sind Gesamtschuldner der aufgrund der Zusammenveranlagung sich ergebenden Steuerschuld (§ 44 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Gesamtschuldnerschaft hat zur Folge, dass jeder Ehegatte bis zur vollständigen Tilgung die gesamte Steuerschuld schuldet. Erst durch die Aufteilung nach den §§ 268 ff. AO wird die Gesamtschuld für Zwecke der Vollstreckung in Teilschulden aufgeteilt und dadurch die Vollstreckung gegen die Gesamtschuldner auf ihren jeweiligen Anteil an der Gesamtschuld beschränkt.

Antragsstellung nach Bekanntgabe des Leistungsgebots 

Der Antrag kann von jedem Gesamtschuldner bereits vor Fälligkeit der Steuerbeträge, jedoch frühestens nach Bekanntgabe des Leistungsgebots gestellt werden (§ 269 Abs. 2 Satz 1 AO). Nach einer vollständigen Tilgung der rückständigen Steuer ist der Antrag auf Aufteilung unzulässig (§ 269 Abs. 2 Satz 2 AO). Dies gilt auch dann, wenn die Tilgung der Gesamtschuld im Wege der Aufrechnung (vor Antragsstellung) durch das Finanzamt erfolgt ist (BFH, Urteil v. 12.6.1990, VII R 69/89, Haufe Index 63381).

(Frühere) Auffassung der Finanzverwaltung zu § 279 AO

Die Finanzverwaltung ging bisher davon aus, dass die Erteilung eines Aufteilungsbescheides nicht (mehr) erforderlich ist, wenn keine Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen oder bereits ergriffene Vollstreckungsmaßnahmen wieder aufgehoben werden. Gleiches sollte gelten, wenn die Gesamtschuld bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Aufteilungsbescheides bereits beglichen wurde (z. B. Zahlung durch den nicht Antragstellenden nach Antragsstellung). Dies gelte auch dann, wenn die Tilgung der Gesamtschuld im Wege der Aufrechnung durch das Finanzamt erfolgt ist (Bayerisches Landesamt für Steuern v. 10.11.2014, S 0520.1.1-1/5 St 42, FMNR4f7130014). 

Zwar hat der BFH für eine Aufrechnung entschieden (Urteil v. 1.3.1990, VII R 135/87, Haufe Index 416983), dass die Aufrechnung zwar keine Maßnahme der Vollstreckung darstellt, aber mit Beantragung eines Aufteilungsbescheids nicht nur eine Vollstreckungs- sondern auch eine Aufrechnungsbeschränkung eintritt. Daraus folgt, dass jeder Gesamtschuldner - unabhängig davon, ob die Zwangsvollstreckung wegen der Gesamtschuld eingeleitet ist oder droht - befugt sein muss, deren Aufteilung vor Einleitung der Vollstreckung zu beantragen, um eine Aufrechnung des Finanzamts mit der Gesamtschuld ihm gegenüber auf den auf ihn entfallenden Aufteilungsbetrag zu beschränken. Dies sollte nach Auffassung der Verwaltung aber wohl nur dann gelten, wenn für einen der beiden Gesamtschuldner ein berechtigtes Interesse besteht, nicht nur die Vollstreckung sondern auch die Aufrechnung zu beschränken. 

Beispiel: Berechtigtes Interesse

Die seit 2017 getrennt lebenden Eheleute A und B schulden aus der Zusammenveranlagung 2017 2.000 EUR Einkommensteuer. Nach Bekanntgabe des Bescheids beantragt die Ehefrau die Aufteilung der Gesamtschuld, weil ihr Arbeitslohn unter dem Grundfreibetrag lag. Von ihrem Arbeitslohn wurden 500 EUR Steuerabzugsbeträge einbehalten. Das Finanzamt tilgt noch vor Einleitung der Vollstreckung die Steuerschuld mit einem Vorsteuererstattungsanspruchs des A. 

Hier besteht für A kein berechtigtes Interesse die Aufrechnung zu beschränken, weil nur B nach der Aufteilung keine Steuer mehr schuldet bzw. aufgrund § 276 Abs. 6 EStG sogar ihre Steuerabzugsbeträge erstattet bekäme (die Schuld von A würde sich dann um 500 EUR erhöhen). Aufgrund § 279 Abs. 1 AO geht das Finanzamt aber nun davon aus, dass keine Aufteilung mehr erfolgen muss.

BFH: B hat auch wegen der Erstattung ein berechtigtes Interesse

Nach einem aktuellen Beschluss des BFH v. 2.10.2018, (VII R 17/17, Haufe Index 12339661) ist § 279 Abs. 1 Satz 1 EStG dahin zu verstehen, dass er einer Entscheidung über den Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung vor deren Einleitung im Fall eines berechtigten Interesses nicht entgegensteht, sondern nur angibt, wann ein Aufteilungsbescheid stets zu erlassen ist, also nach Einleitung der Vollstreckung. § 279 Abs. 1 Satz 2 AO regele zwar, dass eine Entscheidung "nicht erforderlich" ist, wenn keine Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen oder bereits ergriffene wieder aufgehoben werden. Aber auch diese Vorschrift sei dahin auszulegen, dass ein Aufteilungs-bescheid zwischen Erlass des Leistungsgebots und vollständiger Tilgung der Steuerschuld regelmäßig zu erlassen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an einer Aufteilung hat. Das ist nach Auffassung des BFH nicht nur der Fall, wenn ihm die Vollstreckung droht oder er eine Aufrechnung verhindern will, sondern auch, wenn er die Anrechnung von Zahlungen gemäß § 276 Abs. 3 oder Abs. 6 AO und damit eine Erstattung gemäß § 276 Abs. 6 Satz 2 AO erreichen will. 

Neue Auffassung der Verwaltung?

Aus einer neuen Verfügung des Bayerischen Landesamts für Steuern v. 17.7.2018 (S 0520.1.1-1/10 St 43, Haufe Index 11844602) ergibt sich m. E. diesbezüglich, dass die Finanzverwaltung ihre Auffassung überdacht hat. Nun wird davon ausgegangen, dass gleiches gilt (siehe oben), wenn die Gesamtschuld im Zeitpunkt der Antragsstellung bereits getilgt war. Tilgungen nach Antragsstellung (z. B. im Wege der Aufrechnung), aber vor Bekanntgabe des Aufteilungsbescheides, führen dagegen lediglich zur Anrechnung des Tilgungsbetrages nach § 276 Abs. 6 AO.


Schlagworte zum Thema:  Abgabenordnung, Vollstreckung