Interview Verein Junge Steuerberaterinnen und Steuerberater

In München hat sich im Sommer 2024 ein neuer Verein zusammengefunden, welcher bewusst nur junge Steuerberaterinnen und Steuerberater anspricht. Ihre Interessenlage sei in den etablierten Organisationen nicht ausreichend abgebildet, finden die Initiatoren StB Jonas Gallersdörfer und Dr. Marco Berschneider. Was den jungen Verein sonst noch umtreibt.

Herr StB Gallersdörfer, warum haben Sie einen eigenen Verein gegründet – genügen die bestehenden Berufsverbände nicht?

StB Jonas Gallersdörfer: Die Grundidee war zunächst einmal, dass wir uns aus der Examensvorbereitung kannten und den regelmäßigen Kontakt untereinander beibehalten wollten. Gleichzeitig war klar, dass wir unsere Interessen vertreten wollten – und zwar vor allem im Hinblick auf die Steuerberaterprüfung. Denn als frisch bestellte Steuerberaterinnen und Steuerberater kennen wir sämtliche Problematiken rund um das Thema und halten die Prüfung für dringend reformbedürftig. Diese beiden Punkte waren es, die uns zur Vereinsgründung angeregt haben, die im Sommer 2024 dann schließlich zu neunt stattfand. Und tatsächlich – mit unserem ersten Statement auf LinkedIn hierzu haben wir eine große Reichweite erzielte. Viele Leute haben sich bei uns gemeldet und sind gleicher Meinung – und hier möchten wir ansetzen und als Ergänzung zu bereits bestehenden Verbänden agieren.

Was kritisieren Sie denn an der Prüfung in Ihrer derzeitigen Form?

Dr. Marco Berschneider: Eine große Einschränkung ist zum Beispiel, dass es nur einen Prüfungstermin pro Jahr gibt. Wer also diesen nicht schafft, muss ein ganzes Jahr auf die Chance zur Wiederholung der Prüfung warten – in Zeiten von Fachkräftemangel und hoher Arbeitsbelastung in der Branche nicht gerade motivierend. Außerdem ist die Stofffülle zweifellos enorm und muss, zumindest in den grundlegenden Bereichen, von angehenden Steuerberaterinnen und Steuerberatern beherrscht werden, um eine qualitativ hochwertige Steuerberatungsleistung sicherzustellen. Die Prüfungsstruktur hingegen stammt aus einer Zeit, in der die Anzahl an Rechtsnormen, Richtlinien und Erlassen noch erheblich geringer war als heute.

Hinzu kommt, dass der Bologna-Prozess und die Modularisierung vieler Studiengänge, darunter auch der der Wirtschaftswissenschaften, das Lernverhalten der Anwärter grundlegend verändert haben. Das Ganze dann auch noch an drei Tagen hintereinander – zumeist – in Handschrift über sechs Stunden abzuprüfen, finden wir nicht mehr zeitgemäß. Das hat mit der Realität nichts zu tun, denn im Job wird niemals jemand von Ihnen verlangen, ein überladenes Dokument in sechs Stunden in Handschrift zu analysieren.

Deshalb wollen Sie die Prüfungsmodalitäten ändern?

Gallersdörfer: Ja, wir haben uns als Verein zusammengetan, um politisch Einfluss nehmen zu können, das ist neben den beiden anderen Grundideen – Öffentlichkeitsarbeit und Netzwerk – unser  erklärtes Ziel.

Berschneider: Dabei geht es im Übrigen nicht um Konfrontation mit den etablierten Organen, im Gegenteil. Wir wollen schlichtweg unsere Ideen hörbar mit einbringen, mit am Tisch sitzen und den jungen Kolleginnen und Kollegen eine Stimme geben, wenn über diese Dinge entschieden wird. Bei Berufskammer und -verbänden geht man derzeit in der Masse unter, man ist als junger Teil des Berufsstands, wenn überhaupt, nur ein kleines Rad in einer ganzen Reihe von Ausschüssen. Das, so glauben wir, genügt aber nicht, um unser Ziel zu erreichen und die Interessen der nachfolgenden Generation sinnvoll zu vertreten.

Warum engagieren Sie sich im Grunde für andere, nämlich diejenigen, die nach Ihnen kommen, und nicht für sich selbst?

Berschneider: Wir haben nicht nur dieses einzige Ziel, sondern durchaus noch andere Inhalte. So zum Beispiel eine Veranstaltungsreihe mit dem Titel 'What's next?', die Karrierewege für junge Beraterinnen und Berater aufzeigen soll. Fragen wie 'Soll ich mich auf der Grünen Wiese selbstständig machen?', 'Wie funktioniert Nachfolge?', 'Wann ist überhaupt ein guter Zeitpunkt, um in die Selbstständigkeit zu gehen?' oder 'Lohnt sich der Fachberater?' wollen wir beantworten. Das sind einfach andere Themen, als sie die älteren Steuerberaterinnen und Steuerberater haben.

Dr. Marco Berschneider

Gallersdörfer: Zudem möchte ich noch ergänzen, dass wir das Examen ja auch nicht leichter machen wollen, sondern kalkulierbarer. So wird sowohl von Lehrgangsanbietern, Dozenten und ehemaligen Prüfern davon gesprochen, dass auch eine große Portion Glück dazugehört, wenn man bestehen will. Das finden wir nicht ok. Ein System, das so viele Talente verschleißt, die dann vielleicht gar nicht mehr antreten, wollen wir in unserem Beruf nicht einfach hinnehmen, auch wenn uns das ganz persönlich und unmittelbar vielleicht nicht mehr betrifft. Hier geht es um die Zukunft des Berufsstandes!

Wie genau ist Ihre Definition von 'jung'?

Gallersdörfer: Die Grenze, die wir ziehen, liegt bei 40 Jahren. Bis zu diesem Lebensalter kann man aktives Mitglied bei uns werden, danach Fördermitglied. Wir sehen uns als Ergänzung und ersten Kontaktpunkt zu den bereits bestehenden Verbänden. Daher ist es uns wichtig, mit einem niedrigen Mitgliedsbeitrag die Eintrittsbarriere abzubauen. Die jungen Kolleginnen und Kollegen sowie Anwärterinnen und Anwärter sollen die Möglichkeit haben, uns erst einmal kennenzulernen und zu testen.

Jonas Gallersdörfer

Berschneider: Neben unserer politischen Arbeit und dem Vortragsprogramm ist unser drittes Vereinsziel, einen Rahmen für Vernetzung zu schaffen. Deshalb organisieren wir kleine, regionale Treffen. Denn es nützt mir ja nichts, wenn zum Beispiel alle Mitglieder des Kammer- oder Verbandsbezirks auf den Weihnachtsmarkt in München eingeladen sind, und dann 300 Leute kommen, von denen man einen Bruchteil vermutlich nur sporadisch wieder trifft, weil sie eben nicht in den Großstädten wohnen. In unseren Augen macht es daher mehr Sinn, sich direkt vor Ort zu treffen – sowohl in großen Städten als auch direkt in den Regionen – und diese Plattform bauen wir gerade auf.

Spielt Konkurrenz denn unter Ihren Mitgliedern keine Rolle?

Gallersdörfer: Tatsächlich gibt es das gar nicht, alle gehen sehr kollegial miteinander um. Es gibt ja auch viel zu berichten und zu erzählen. In der letzten Austauschrunde wurde beispielsweise viel über die besten Prozesse in den Kanzleien gesprochen oder wie man am sinnvollsten an Mandantengespräche ran geht. Insgesamt also ein toller Austausch, bei dem man voneinander lernen kann.

Berschneider: Die meisten, die frisch bestellt sind, machen sich ja noch nicht unmittelbar selbstständig, insofern gibt es gar kein Feld, auf dem man konkurrieren könnte.

Wie viele Mitglieder haben Sie aktuell, und wie haben Sie diese gewonnen?

Gallersdörfer: Momentan sind wir 90 Mitglieder, begonnen haben wir vor einem halben Jahr mit neun. Unsere über Social Media bekannt gewordene Forderung nach einem Paradigmenwechsel in der Prüfung hat uns viel Aufmerksamkeit und damit neue Mitglieder gebracht. Wichtig ist mir übrigens an dieser Stelle zu betonen: Auch wenn wir gerade als zwei Männer mit Ihnen sprechen – unser Verein heißt ganz bewusst ‚Junge Steuerberaterinnen und Steuerberater e. V.‘. Das gilt auch für unsere beiden Vorstände des Vereins. Hier ist mit Jasmin Roder auch eine Frau vertreten. Wir wollen kein junger ‚Altherrenverein‘ sein, sondern achten auf die Ausgewogenheit zwischen den Geschlechtern.

Berschneider: Ein größerer Teil unserer Mitglieder kommt aus Süddeutschland, wo wir gestartet sind; es gibt aber auch viele Mitglieder in NRW, Berlin oder Hamburg. Das wollen wir mit regionalen Ansprechpartnern noch weiter ausbauen.

Was hat Sie bei der Gründung am meisten überrascht und gefreut?

Gallersdörfer: Es hat uns wahnsinnig gefreut, dass wir so viel Zuspruch bekommen haben. Tatsächlich haben mich mehrere Personen kontaktiert, unter anderem hat auch ein Präsident einer größeren Steuerberaterkammer hier angerufen – das motiviert natürlich uns zeigt, dass wir den Zeitgeist getroffen haben.

Berschneider: Gut war, dass wir gleich gestartet sind und nicht alles hundertmal durchdacht haben, ehe wir einen ersten Schritt gewagt haben. Dadurch ist zwar nicht alles perfekt und vieles work-in-progress, aber wir sind schon auf dem richtigen Weg!

Der noch eine Weile dauern dürfte...

Gallersdörfer: Tatsächlich ist das so. Es schreien ja nicht alle gleich 'Hurra', wenn man anklopft und mitreden möchte. Bezüglich unseres Ziels ‚Interessenvertretung‘ tasten wir uns gerade heran und beginnen, erste Gesprächspartner zu kontaktieren. Und auch die Themen Öffentlichkeitsarbeit und die Austauschtreffen nehmen Fahrt auf.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Berschneider: Wir wollen uns als Verein weiter strukturieren und bundesweit gut aufstellen. Das Vortragsprogramm soll wachsen und unsere Einflussmöglichkeiten in den wichtigen Gremien zunehmen. Wir gestalten mit und werden den Berufsstand der Steuerberaterinnen und Steuerberater vorwärtsbringen!


Zur Person

Jonas Gallersdörfer ist frisch bestellter Steuerberater und bei Ecovis in München tätig.

Dr. Marco Berschneider hat zum Zeitpunkt des Interviews bereits sein schriftliches Examen absolviert und ist in der Steuerabteilung von BMW in München beschäftigt.


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