Impact Festival 2022
Für ihre Veranstaltung haben sich die Macherinnen und Macher des Impact Festivals einen Ort ausgesucht, der bemerkenswert mit dem Konferenzthema kontrastiert. Das Gelände „Fredenhagen“ im Süden Offenbachs atmet Industriegeschichte: Metallbau, Fördertechnik für Automobilhersteller, 2009 wurde hier endgültig die letzte Maschine abgeschaltet. Nähert man sich von Norden, reiht sich Tankstelle an Autohaus an Abschleppservice. Einblicke in die nachhaltige Transformation von Unternehmen und Wirtschaft wollte das Festival dahingegen bieten. Eine Transformation, die in Offenbach noch kaum sichtbar ist.
Thematisch orientierte sich die Konferenz an den 17 Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen. Diese wurden zu sieben Innovationsbereichen gebündelt, die die Schwerpunkte für Keynotes, Workshops und Ausstellerbereiche setzten: Von „Clean Technology“ und „Ressource Efficiency“ über „Future Mobility & Smart Cities“ bis hin zum Themenfeld „Sustainable Finance & Data”.
Klassentreffen der Nachhaltigkeits-Community
Die Konferenz ist ein Projekt der neosfer GmbH, Frühphaseninvestor und Innovationseinheit der Commerzbank-Gruppe. Naturgemäß betont diese die wichtige Rolle neuer Technologien und Services für den Umbau zu einer enkelfähigen Wirtschaft. Das erklärte Ziel der Veranstaltung war es daher, ESG-Start-Ups und Impact-Investoren zusammenzubringen.
Neben Unternehmensberatungen und Wirtschaftsförderern präsentierten sich daher im Ausstellerbereich vor allem 170 Start-ups gegenüber potenziellen Investoren und Unternehmenskunden. Lediglich: größere Unternehmen waren kaum zu sehen. So bemängelten manche Aussteller, der Austausch im Start-up-Umfeld sei zwar wertvoll und wichtig, sie hätten jedoch gerne mehr Kontakte zu Corporations geknüpft. Der Veranstaltung ist daher zu wünschen, dass sie die Bubble derjenigen, die in puncto Sustainability ohnehin vorweg gehen, im kommenden Jahr weiter aufbricht.
Mahnende Worte und trotziger Optimismus
Damit nachhaltiges Wirtschaften Mainstream-fähig wird, braucht es Mahner, Antreiber und Leuchtturm-Projekte, die auf andere abstrahlen. Diesen bot die Konferenz mit der „Impact Stage“ eine angemessene Bühne.
Der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir nutzte seine eröffnende Keynote um das „grow first, think later“-Denken in Politik und Wirtschaft zu kritisieren. Der Krieg in der Ukraine verdeutliche ihm zufolge auf radikale Weise, wie dringend es sei, fossile Abhängigkeiten abzubauen und den Umbau zu einer „climate neutral and sustainable economy“ voranzutreiben. An Ideen dazu mangele es nicht. Es komme nun darauf an, diese in der Praxis nutzbar zu machen.
Ganz entscheidend für eine Erfolgschance im Kampf gegen die Klimaerhitzung seien negative Emissionen. Das betonte der emeritierte Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber. Ihm zufolge könne das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr gehalten werden. Um das Kippen weiterer Tipping-Points im Klimasystem zu verhindern, reicht es Schellnhuber zufolge nicht, „klimaneutral“ zu werden. Vielmehr muss der Atmosphäre in großem Stil CO² entzogen werden. Als einen Lösungsansatz schlug er vor, die bauliche Umgebung zu einer Kohlenstoffsenke zu machen.
Beth Thoren, Director of Environmental Action EMEA beim Musterschüler Patagonia, sagte in einem vorab aufgezeichneten Interview, Unternehmen müssen ihre Werte und Visionen in die Praxis übersetzen. Das sei jedoch in den allermeisten Organisationen noch nicht der Fall. Es gehe auch darum, ein Problembewusstsein zu entwickeln. Ein Beispiel: Patagonia nutze den Begriff „Nachhaltigkeit“ nicht, denn er sei nicht sehr ehrlich. Diese Aussage unterstrich sie durch den Zusatz „every time we sell a jacket, we create a problem. Full stop.“ Nichtsdestotrotz ermuntert sie Unternehmen, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die einen Beitrag zur Lösung aktueller Krisen leisten.
Werte sind kein „nice to have“
Ein verbindendes Element der Vorträge und Diskussionsrunden beim Impact Festival war der Verweis auf die multiplen Krisen, die wir erleben: Neben Tarek al-Wazir betonten auch Anna Christmann und Dr. Sandra Wolf, wir dürfen gerade vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und der Energiekrise nicht zuerst am Klimaschutz sparen.
Prof. Dr. Stephan Hankammer lässt den Unternehmen die Inflation nicht als Ausrede durchgehen, nicht in Initiativen für eine regenerative Wirtschaft zu investieren .
Ein emotionales Highlight setzte Anahita Thoms, die ihren Vortrag zu nachhaltigen Lieferketten nutzte, um auf die Situation der Frauen im Iran aufmerksam zu machen. Sie betonte, wir dürfen Freiheit niemals als selbstverständlich sehen und brachte den Zuhörenden das wichtigste persische Wort bei: „Azadi“ – „Freiheit“.
Impact Awards 2022
Aus den Reihen der vertretenen Start-Ups kürte eine Jury die Gewinner des Impact Awards in drei Kategorien:
- Im Bereich „Education & Social Innovation“ setzte sich Hedera gegen die übrigen Nominierten durch. Das Unternehmen unterstützt Mikrofinanz-Institute dabei, Kundenbedürfnisse zu analysieren.
- Die Kategorie „Hardware Solutions“ konnte Magnotherm für sich entscheiden. Das Unternehmen entwickelt ein Kühlsystem für Supermärkte, das Effizienzvorteile gegenüber klassischen Lösungen bieten soll.
- Im Feld „Platform & Software (SaaS) Solutions“ konnte das „solar-as-a-service“-Unternehmen Ecoligo die Auszeichnung mit nach Hause nehmen. Die Plattform richtet sich an Privatmenschen und Unternehmen, die in Energieprojekte investieren möchten.
Neben den kuratierten Kategorien gab es einen Publikums-Award, der von der hessischen Wirtschaftsförderung StartHub Hessen präsentiert wurde. Die Konferenz-Besucher stimmten für das Aachener Start-up Everwave, das Technologien entwickelt, mit deren Hilfe Müll aus Gewässern gefischt, analysiert und recycelt werden kann.
Apropos Müll: Fast selbstverständlich ist, dass die Veranstaltung versuchte die gesetzten Ansprüche auch selbst zu erfüllen. Dazu gehörte ein Less-Waste-Konzept beim ausschließlich veganen Catering ebenso wie der Versuch, möglichst wenig CO² auszustoßen und entstehende Emissionen durch Spenden an klimapositive Projekte zu kompensieren.
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