Impact Festival 2023: Wer wollen wir gewesen sein?
„Der Mensch unterscheidet sich laut Jane Goodall vom Schimpansen dadurch, dass er eine Vorstellung von der Zukunft entwickeln kann. Er kann das Futur II bilden und sich fragen: Wer möchte ich gewesen sein?“ Das sagte Dr. Eckart von Hirschhausen in seiner Keynote beim diesjährigen Impact Festival. Diese Frage beschäftigt offenbar auch die Akteure und Besucher der Veranstaltung, denn das verbindende Thema war der Beitrag der Wirtschaft zu einer lebenswerten Zukunft.
100 Speaker und 160 Aussteller trafen sich zur dritten Auflage des Impact Festivals in Offenbach. Die Organisatoren bezeichnen die Veranstaltung als „Europas größtes B2B-Event für die nachhaltige Transformation“ und zählten am 13. und 14. September über 3.100 Gäste. Erklärtes Ziel war es, Start-ups, Unternehmen und Investoren zusammenzubringen. Erstmals wurde auch eine „Impact Investor Conference“ in das Programm integriert, die noch differenzierter auf die Informationsbedürfnisse von Investoren einging.
Von Verantwortung, „Transformation by Design“ und neuen Geschäftsmodellen
Das Konzept gliederte sich sowohl auf den Bühnen als auch im Ausstellungsbereich in sechs Innovationsfelder. Diese orientierten sich am Green Deal der EU und den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen.
In seiner Eröffnungsrede betonte der hessische Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen Tarek Al-Wazir, dass die Entscheidungen von heute massive Auswirkungen auf die kommenden Generationen haben. Investitionen in Innovationen und Infrastruktur müssen die Zukunft garantieren. Dabei könne die Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft nicht ohne starke Unternehmen gelingen.
Die Transformationsforscherin Prof. Dr. Maja Göpel spannte den Bogen weiter und wies darauf hin, dass angesichts der Klimakrise ein „Weiter so“ eine immense Veränderung mit sich bringe. Diese sei jedoch eine "Transformation by Disaster", stattdessen sollte eine "Transformation by Design“ angestrebt werden. In der anschließenden Podiumsdiskussion monierte Göpel, es müsse mehr darüber gesprochen werden, welchen Beitrag ein Unternehmen zum Gemeinwohl leiste, „in den Medien lesen wir aber immer nur darüber, wer das nächste Unicorn ist“.
Dr. Katharina Reuter sprach in ihrem Vortrag zu „Corporate Political Responsibility“ über die Verantwortung von Unternehmen als gesellschaftliche Akteure. Haltung zu zeigen, so Reuter, sei nicht nur ein Markenzeichen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen wichtig. So sagt etwa Thomas Buberl, CEO der AXA-Gruppe, eine vier Grad wärmere Welt sei nicht mehr versicherbar. Die Klimakrise bedroht also direkt das Geschäftsmodell des Versicherers.
„Unser Geschäftsmodell basierte einzig darauf, dass wir töten,“ sagte Godo Röben, bis 2021 Geschäftsführer der Rügenwalder Mühle. Sein Vortrag trug den klangvollen Titel „Disruption im Wurstregel“. Angesichts der weltweiten Bevölkerungsexplosion könne die Menschheit nicht mehr ethisch vertretbar mit tierischem Eiweiß ernährt werden. Eine Wende gelinge jedoch nicht durch Verzicht, sondern durch bessere Angebote. Für die Rügenwalder Mühle habe sich das frühe Aufstehen gelohnt, so Röben: Heute mache das Unternehmen 70 Prozent seines Umsatzes mit veganen Alternativen und habe in diesem Segment in Deutschland einen Marktanteil von 40 Prozent.
Dr. Jörg Oliveri del Castillo-Schulz, COO der Commerzbank AG, beleuchtete die Rolle des Kapitalmarktes in der „Twin Transition“. Deutschlands viertgrößte Bank will die CO2-Emissionen ihres gesamten Kredit- und Investmentportfolios bis 2050 auf netto null reduzieren. Oliveri del Castillo-Schulz räumte ein, heute würden noch viele Treibhausgas-intensive Unternehmen finanziert. Denn wenn nur finanziert würde, was bereits „grün“ ist, gäbe es keinen Wandel. Er sagte aber auch: „In Zukunft werden nur Unternehmen mit einer grünen Mission Geld bekommen.“
Einblicke in Nachhaltigkeit als Strategie und Tagesgeschäft
Neben den Keynotes auf der großen Bühne standen zahlreiche Fachvorträge, Podiumsdiskussionen und Workshops auf dem Programm. So sprachen etwa Alma Spribille (Wetell) und Ulrich Rücker über die positiven Auswirkungen der Gemeinwohlökonomie auf das Unternehmensergebnis. Dr. Antje von Dewitz (Vaude) und Viola Wohlgemuth (Greenpeace) beleuchteten den Weg zu nachhaltigeren Lieferketten in der Textilbranche. Wohlgemuth plädierte für eine Entwicklung weg von linearen Prozessen hin zu Kreisläufen und forderte Unternehmen dazu auf, sich zu fragen „wie sie vom Produzenten zum Anbieter werden können“.
Lutz Fricke gab einen spannenden Einblick in seine Arbeit als Head of Sustainability bei einem Logistikunternehmen in der Automobilbranche: „Leute wurden bei uns eingestellt mit der Frage ‚Habt ihr Benzin im Blut?‘ – die schreien natürlich nicht alle Hurra, wenn ich komme.“
Impact Awards 2023
Wie schon im Vorjahr wurden im Rahmen der Veranstaltung die „Impact Awards“ an Unternehmen verliehen, die mit ihren Geschäftsmodellen einen positiven Einfluss auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit haben:
- In der Kategorie „Seed“ gewann heynanny. Das Start-up will die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern und unterstützt mit seinem Angebot Unternehmen dabei, ein familienfreundlicherer Arbeitgeber zu werden.
- In der Kategorie „Growth“ setzte sich das Münsteraner Unternehmen eeden durch. Unter dem Motto „transform waste to value“ entwickelt eeden chemische Upcycling-Verfahren für die Textilindustrie.
- In der Kategorie „Transformation“ gewann kein Aussteller der Messe, sondern das Gerüstbauunternehmen Gemeinhardt Service. Die Firma ist als eine der ersten in der Baubranche Gemeinwohl-zertifiziert.
Fragen, die bleiben
Die Bandbreite der im Ausstellerbereich präsentierten Lösungen war immens. Eine Zunahme im Vergleich zum Vorjahr nehmen wir bei Angeboten in den Bereichen ESG-Software sowie Treibhausgaskompensation und Carbon Removal wahr. Hier bleiben zwei Fragen spannend: Erstens, ob und inwieweit es zu einer Marktkonsolidierung kommt. Und zweitens, ob alle Lösungen den versprochenen positiven Impact liefern können.
Glaubt man der Keynote des Commerzbank-COO, wird „Impact Investing“ bald absoluter Mainstream sein. Hier stellt sich die Frage, warum dieses Segment dann in seiner eigenen Organisation in eine separate Wagniskapital- und Innovationseinheit ausgelagert wird. Diese hat auch das besprochene Festival organisiert, das im Sinne der Start-up-Logik jedenfalls eindeutig in der „Growth“-Phase angekommen ist: Im kommenden Jahr wird die Veranstaltung auf die Frankfurter Messe umziehen, die laut Veranstalter neben einer besseren Anbindung auch räumliche Möglichkeiten für einen Besucherzuwachs bietet.
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