„Viele kleinere Unternehmen nehmen gar nicht an Awards teil.“
Dr. Beate Gebhardt ist Leiterin der BEST-Initiative (Business Excellence and Sustainability Transformation) und Senior Researcher an der Universität Hohenheim,
Dozentin für Konsumentenverhalten, Marketing sowie CSR-Management an verschiedenen Hochschulen, Autorin, Journalistin und freiberufliche Beraterin. Seit über 10 Jahren untersucht sie Konzepte, Bedeutung und Wirkung von Nachhaltigkeits-Awards und Unternehmensexzellenz. Zudem forscht sie zu Nachhaltigkeitskommunikation und -bewertung von Unternehmen, Lebensmittelmarketing und -märkten, Werbewirkungsanalyse, nachhaltigem Konsum und Transformation.
Frau Gebhardt, Sie haben in Ihrer Studie „Awards und Nachhaltigkeit in multiplen Krisenzeiten" die Zukunftsfähigkeit von Umwelt- und Nachhaltigkeitswettbewerben untersucht. Nehmen Unternehmen in Krisenzeiten mehr oder weniger an Awards teil?
Dr. Beate Gebhardt: Multiple Krisen wirken unterschiedlich. Einerseits hatte die Corona-Pandemie einen Rückschritt zur Folge: Vergabe-Institutionen legten ein Jahr Pause ein oder organisierten den Wettbewerb online. Manche stellten den Wettbewerb infrage oder gaben ihn ganz auf. Doch Unternehmen wollen sich vernetzen und zusammenkommen. Die fehlende Vernetzung und der unternehmerische Fokus auf das Kerngeschäft führten in der Pandemie dazu, dass sich Unternehmen deutlich seltener mit Awards beschäftigten. Andererseits treibt die Umweltkrise das Interesse von Unternehmen an Nachhaltigkeitsawards voran. Nachhaltigkeit hat sich verändert, das Thema ist präsenter geworden. Es gibt mehr Regulierungen auf EU-Ebene, die Anforderungen des Marktes bringen Nachhaltigkeit auf die Agenda der Unternehmen. Wenn Unternehmen darüber kommunizieren wollen oder müssen, wird ein Award interessant.
Nachhaltigkeitsawards: Glaubwürdig ist, was transparent ist
Inzwischen gibt es viele Nachhaltigkeitsawards. Führt das nicht eher zu einem Wertverlust?
Im Jahr 2019 zählten wir 141 Wettbewerbe mit 665 Preiskategorien. Fast 1.600 Unternehmen wurden für ihre nachhaltigen Leistungen, Projekte oder Produkte ausgezeichnet. Es sind viele Awards, wie es scheint, zu viele. Wo das Problem liegt, zeigt ein Blick auf die Ernährungswirtschaft. Wir haben die jeweils zehn umsatzstärksten Händler und Hersteller der verarbeitenden Industrie betrachtet. In beiden Bereichen erhielt 2009 nur eine kleine Spitze einen Award. Doch in den Folgejahren hat jedes große Unternehmen bereits mehrere Nachhaltigkeitspreise erhalten, auch die Discounter, die anfangs eher leer ausgingen. Was bringen Awards, wenn alle sie bekommen und trotzdem zu wenig für Nachhaltigkeit und eine lebenswerte Zukunft tun?
Was bringen Awards, wenn alle sie bekommen und trotzdem zu wenig für Nachhaltigkeit und eine lebenswerte Zukunft tun?
Awards wirken dadurch, dass sie limitiert und exklusiv sind. Es sollten nur wenige Unternehmen auszeichnet werden, der Fokus sollte auf Ökologie, Ökonomie und Soziales liegen, das wünschen sich Unternehmen von hochwertigen Nachhaltigkeitsawards. Eines der Auswahlkriterien von Unternehmen ist Glaubwürdigkeit. Aktuell können Unternehmen jedoch kaum überblicken, welcher Award glaubwürdig ist und ob sie mit ihm die Glaubwürdigkeit ihres Handelns untermauern können.
Wovon hängt die Glaubwürdigkeit eines Awards ab?
An erster Stelle stehen die Transparenz der Vergabekriterien und die Reputation der Vergabe-Institution. Schon die Bekanntheit hat darauf einen Einfluss gemäß dem Motto „Was ich kenne, dem glaube ich eher“. Es gibt ein Spitzenfeld an zehn bekannten Awards, darunter der Deutsche Nachhaltigkeitspreis und der Deutsche Umweltpreis. Doch nicht jeden dieser bekannten Nachhaltigkeitsawards empfinden Unternehmen auch als glaubwürdig. Außerdem wollten wir in unserer Umfrage wissen, wie groß das Interesse der Unternehmen an einer Teilnahme ist, wie sehr sie einen Award haben wollen. Nur ein Teil der Unternehmen möchte überhaupt mit einem Award ausgezeichnet werden. Das Interesse hängt davon ab, ob man einen Award kennt und selbst schon einen erhalten oder nicht. In einer anderen Studie und einem ersten Ansatz haben wir Nachhaltigkeitsawards bewertet. Das Ergebnis ist ernüchternd. Kein einziger Award ist über das Mittelfeld unserer Kriterien hinausgekommen. Hochwertige Awards sind Zukunftsawards, sie sind transparent, glaubwürdig und vor allem wirksam.
Kommunikation, organisationales Lernen und Nachhaltigkeitseffekte
Was versprechen sich Unternehmen von einem Nachhaltigkeitsaward?
Kommunikation steht ganz vorne. Es geht um den Imagegewinn und die positive Wirkung in der Öffentlichkeit, auch gegenüber Geschäftskunden. Vergabe-Institutionen beabsichtigen diese kommunikativen Effekte. Die Belohnung wirkt auch auf Mitarbeitende und bestätigt ihr Tun. In der Hoffnung, dieses Handeln fortzusetzen, nutzen vor allem große Unternehmen dieses Instrument für die interne Kommunikation. Ein weiterer Punkt ist organisationales Lernen. Unternehmen wollen von den Vergabe-Institutionen ein Feedback darüber erhalten, wo sie stehen. Ein Nachhaltigkeitsaward kann der Bewertung dienen und einen Benchmark zur Branche liefern. Lernen beginnt nicht erst beim Feedback, sondern bei der Sichtung der Daten, die für eine Bewerbung nötig sind.
Unternehmen können einen Award als Spiegel ihres nachhaltigen Wirtschaftens nutzen.
Unternehmen können einen Award als Spiegel ihres nachhaltigen Wirtschaftens nutzen. Wichtige Gewinne - auch ohne Trophäe in der Hand - sind Selbstreflexion sowie ein Feedback, sofern Awardgeber es bereitstellen.
Können Nachhaltigkeitsawards den hohen Erwartungen gerecht werden?
Wenn wir die Unternehmen, die einen Award erhalten haben und die noch keinen erhalten haben, gegenüberstellen, sind wir etwas erstaunt. Die Erwartung an organisationales Lernen ist viel größer als die tatsächliche Erfahrung. Wer noch nie einen Nachhaltigkeitsaward erhalten hat, unterschätzt vor allem den Imagegewinn und die kommunikativen Effekte auf das Umfeld, also die Wahrnehmung durch andere Unternehmen und die Öffentlichkeit. Unternehmen, die bereits an Awards teilgenommen haben, bewerten beides höher, genauso die Mitarbeitermotivation. Nicht zuletzt wird der Beitrag von Awards zur Nachhaltigkeitstransformation von Außenstehenden eher überschätzt und von denjenigen, die einen Award erhalten haben, geringer bewertet. Dies gilt noch viel stärker für Vergabe-Institutionen, die soziale und ökologische Effekte ihrer Awards deutlich positiver beurteilen als Unternehmen. Und auch Nachahmeffekte werden überschätzt.
Die Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitstransformation sind also eher gering?
Die großen Schritte der Veränderung werden von der Regulatorik und vom Markt vorgegeben. Im Gegenzug können Awards auch auf den Markt und auf staatliche Akteure wirken. Unternehmen verstehen Awards als Anstupser, die sie voranbringen und die zur Reflexion und zum Ausprobieren anregen. Das gibt ihnen Motivation, Hoffnung und positive Emotionalität. Es funktioniert nicht wie eine Regulierung, die einen Rahmen setzt und sanktioniert, ganz im Gegenteil.
Awards wirken auf die nachhaltige Veränderung auf einer anderen Ebene, sie wirken im kleinen Rahmen und in kleinen Schritten als Mutmacher, die ebenfalls wichtig für eine nachhaltige Transformation sind.
Awards wirken auf die nachhaltige Veränderung auf einer anderen Ebene, sie wirken im kleinen Rahmen und in kleinen Schritten als Mutmacher, die ebenfalls wichtig für eine nachhaltige Transformation sind. Awards stehen somit in einem Netzwerk vieler wichtiger Maßnahmen und werden als positives Signal verstanden.
Welche Unternehmen einen Awards gewinnen und welche nicht
Laut Ihrer Studie wollen Unternehmen aller Größen an Nachhaltigkeitsawards teilnehmen. Die Unternehmen kritisieren aber, dass zu wenige KMU ausgezeichnet werden. Diese schätzen den Beitrag zur Transformation höher ein als Großunternehmen. Gibt es also klare Gewinner und Verlierer?
Aufgrund der Preiskategorien, die häufig nach Unternehmensgröße unterteilt sind, werden Großunternehmen häufiger ausgezeichnet. Unter den Gewinnern sind also weniger Startups oder junge Unternehmen, sondern eher etablierte Unternehmen, die schon lange am Markt und zum Beispiel in Wirtschaftsverbänden vernetzt sind. Außerdem gewinnen mehr B2C-Unternehmen, die Verbraucher:innen im Blick haben, und weniger B2B-Unternehmen, die stärker in der Wertschöpfungskette agieren. Letztlich ist das alles auch eine Frage der Motivation und des Selbstbilds. Wer sich für auszeichnungswürdig hält, wird häufiger ausgezeichnet. Der Mut zählt: nachhaltig zu sein und als Vorbild ausgezeichnet zu werden. Im Vergleich zum Vereinigten Königreich oder zu Österreich gibt es in Deutschland eine größere Angst vor Greenwashing und auch Ressentiments demgegenüber, sich als Vorbild oder Leuchtturm hervorzuheben. Viele, häufig kleinere, Unternehmen nehmen deshalb gar nicht erst an Awards teil. Diese scheinbar Mutlosen sind schwer zu erreichen, doch wir müssen sie auf den Weg der Transformation mitnehmen.
Was können Vergabe-Institutionen tun, um kleine und mittlere Unternehmen besser zu erreichen?
Bewerbungen um Awards kosten Zeit und Geld. Kleine und mittlere Unternehmen trifft das schwer. Viele kleine Unternehmen wissen nichts über diese Award-Landschaft. Es gilt also im ersten Schritt zu zeigen, welche Awards es überhaupt gibt, um die Auswahl zu erleichtern. Transparenz über die Vergabekriterien, die Finanzierung und die Vergabeprozesse zu geben, ist der nächste Schritt. Dazu können und müssen Vergabe-Institutionen viel mehr beitragen.
Liegt es allein in der Verantwortung der Vergabe-Institutionen, das zu ändern?
Wir helfen Unternehmen mit unserem CSR-Award Finder – durch Fact Sheets und individuelle Auswahloptionen – bei der Suche nach dem passenden Award. Auf dieser Internetplattform kann man sehen, welche Awards es gibt und wofür sie stehen. In Zukunft wollen wir auch die Qualität der Awards bewerten. Unternehmen müssen teils viele Informationen liefern und Daten vorab bereithalten, wenn sie sich für einen Award bewerben, was besonders die Kleinen nur selten tun.
Unternehmen müssen teils viele Informationen liefern und Daten vorab bereithalten, wenn sie sich für einen Award bewerben, was besonders die Kleinen nur selten tun.
Es geht also auch darum, die Teilnahme vereinfachen, ohne die Vergabekriterien von Awards zu verwässern. Zuletzt geht es noch um mehr Bewusstsein. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder die Corporate Sustainability Reporting Directive adressieren zunehmend kleine und mittlere Unternehmen, sodass auch sie indirekt Berichtspflichten haben und sich mit diesen Themen beschäftigen müssen. Ihnen wird dann klar, dass sie ihre Daten vorhalten und an große Unternehmen weitergeben müssen. Sobald diese Daten vorliegen, kann man sie auch nutzen, um an einem Award teilzunehmen.
Nachhaltigkeitspreise: Von Verbraucher:innen und Schmähpreisen
Lassen Sie uns die Perspektive wechseln. Was kommt von alledem bei der Kundschaft an?
Vor einigen Jahren habe ich dazu eine Erhebung unter Verbraucher:innen gemacht, im Vergleich zu anderen Instrumenten wie Zertifizierungen oder Warentests. Ein Resultat: Verbraucher:innen kennen fast keinen Nachhaltigkeitsaward, weil die Kommunikation eher auf der Internetseite, im Social Media, im Nachhaltigkeitsbericht oder im Geschäftsbericht stattfindet.
Verbraucher:innen kennen fast keinen Nachhaltigkeitsaward, weil die Kommunikation eher auf der Internetseite, im Social Media, im Nachhaltigkeitsbericht oder im Geschäftsbericht stattfindet.
Also nicht dort, wo sich Verbraucher:innen über Produkte informieren. Doch sobald sie einen Award kennen, würden sie ihn auch als vertrauenswürdig erachten. Man könnte Unternehmen und Vergabe-Institutionen also empfehlen, mehr mit den Verbraucher:innen zu kommunizieren. Immerhin sind sie für beide eine der wichtigsten Zielgruppen. Bislang funktioniert das allerdings nicht. In Hinsicht auf Greenwashing-Vorwürfe machen sich Unternehmen gleichzeitig angreifbarer, wenn sie aktiv an Verbraucher:innen kommunizieren. Die kommende Green Claims Regulierung der EU-Kommission könnte hier greifen.
Im September wird erneut der Goldene Geier für die dreisteste Umweltlüge verliehen. Wie schätzen Sie solche Schmähpreise ein?
Wir wissen noch nicht, wie Negativpreise, also sogenannte Schmähpreise, auf Nachhaltigkeitsleistungen wirken. Um das herauszufinden, schreiben wir unter anderem gerade eine Masterarbeit aus. Laut einer Studie aus der Schweiz entfalten Schmähpreise jedoch unerwartete Kraft und sie könnten sogar mehr bewirken als positive Preise. Man kennt das aus der Psychologie: Rezipienten fühlen sich durch negative Informationen in ihrer Wahrnehmung bestätigt. Erhält ein Unternehmen, das bereits ein negatives Image hatte, auch noch einen Schmähpreis, ist dieser Effekt oft größer, als wenn ein positiv wahrgenommenes Unternehmen einen positiven Award erhält. Negatives wirkt mächtiger als Positives. Daher möchte ich Unternehmen Folgendes auf den Weg geben: Erhalten Sie gar nicht erst einen Schmähpreis! Befassen Sie sich frühzeitig mit Nachhaltigkeitsaspekten, setzen Sie Maßnahmen transparent um und sprechen Sie dann darüber.
Studie: „Awards und Nachhaltigkeit in multiplen Krisenzeiten" Wie zukunftsfähig sind Umwelt- und Nachhaltigkeitswettbewerbe? In ihrer Studie haben Dr. Beate Gebhardt und ihr Team (Universität Hohenheim) im Frühjahr 2023 eine deutschlandweite Doppelbefragung unter Vergabe-Institutionen und Unternehmen durchgeführt. Das Forschungsprojekt „Business-Awards als Instrument zur Steuerung der Nachhaltigkeitstransformation" wird von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert. |
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