Prof. Dr. Alexander Bassen, Dr. Kati Beiersdorf
Rz. 25
ED ESRS LSME schreibt für LSME-Unternehmen in Abschn. 1.22 – ebenso wie ESRS 1.21 für Anwender des Set 1 – vor, dass über Nachhaltigkeitsaspekte auf der Grundlage des Grundsatzes der doppelten Wesentlichkeit zu berichten ist. ED ESRS LSME spezifiziert also die Informationen, die ein LSME-Unternehmen über seine wesentlichen Auswirkungen und Risiken in Bezug auf einen bestimmten Nachhaltigkeitsaspekt anzugeben hat.
Rz. 26
Die Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse ist demnach auch für ein LSME-Unternehmen regelmäßig der Ausgangspunkt für seine Nachhaltigkeitsberichterstattung, um so die wesentlichen Auswirkungen und Risiken zu ermitteln, über die im Nachhaltigkeitsbericht zu berichten ist. Dabei legt der ED ESRS LSME für die Beurteilung der Wesentlichkeit denselben Ansatz wie ESRS Set 1 zugrunde (ED ESRS LSME.BC32; siehe zur Wesentlichkeitsanalyse nach ESRS Set 1 § 3 Rz 61 ff.). Es sind sogar dieselben Themen (topics), Unterthemen (sub-topics) und Unter-Unterthemen (sub-sub-topics) bei der Wesentlichkeitsanalyse zu berücksichtigen, wie sie in den ESRS Set 1 in ESRS 1.AR16 aufgeführt werden. Der ED ESRS LSME verwendet in Abschn. 1.AR18 entsprechend dieselbe Liste der bei der Wesentlichkeitsanalyse zu berücksichtigenden Nachhaltigkeitsaspekte wie ESRS Set 1. Allerdings enthält der ED ESRS LSME mit Abschn. 1.AR10 eine neue Anwendungsanforderung (Application Requirement), die LSME-Unternehmen bei der Wesentlichkeitsanalyse bezogen auf Auswirkungen und Risiken in ihrer Wertschöpfungskette bei einer großen Anzahl von Geschäftspartnern unterstützen soll. Danach wird in solchen Fällen von LSME-Unternehmen nicht erwartet, dass bei der Wesentlichkeitsanalyse jeder einzelne Akteur Berücksichtigung findet. Vielmehr kann die Wertschöpfungskette auf einer aggregierteren Ebene bewertet und allgemeine Bereiche ermittelt werden, in denen die Wahrscheinlichkeit wesentlicher Auswirkungen und Risiken am größten ist. Dies könnte z. B. nach Hauptgruppen von Zulieferern in Abhängigkeit von deren Betriebskontext und auf Grundlage der Merkmale des Geschäftsmodells und/oder spezifischer Tätigkeiten, Geschäftsbeziehungen, geografischer Gebiete etc. erfolgen, die eine erhöhte Wahrscheinlichkeit negativer Auswirkungen und finanzieller Risiken mit sich bringen. Dagegen wird die Anwendung eines detaillierteren Analyseansatzes erwartet, wenn spezifische Nachhaltigkeitsprobleme identifiziert werden, z. B. aufgrund der Größe, der geografischen Lage oder der Art der Produkte und Dienstleistungen eines Wertschöpfungskettenakteurs. In solchen Fällen konzentriert sich das LSME-Unternehmen auf diese Akteure.
Rz. 27
Abschn. 1.30 des ED ESRS LSME legt fest, dass die in Abschn. 2 des Entwurfs geforderten allgemeinen Angaben – unabhängig vom Ergebnis der Wesentlichkeitsanalyse – immer zu machen sind. Sie stellen damit Mindestangabepflichten des ED ESRS LSME dar. Wird ein Nachhaltigkeitsaspekt als wesentlich eingestuft, sind darüber hinaus bei der Angabe von Informationen über Kennzahlen für einen wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekt die in Abschn. 4–6 des ED ESRS LSME, bei der Angabe von Informationen über Leitlinien, Maßnahmen und Ziele die in Abschn. 3 des ED ESRS LSME festgelegten Anforderungen anzuwenden. Einzelne Datenpunkte innerhalb einer Angabepflicht können weggelassen werden, wenn diese Informationen als unwesentlich eingestuft werden und nach Ansicht des Unternehmens nicht erforderlich sind, um das Ziel der jeweiligen Informationsanforderung zu erreichen (ED ESRS LSME Abschn. 1.36).
Rz. 28
Wird ein Nachhaltigkeitsaspekt als unwesentlich eingestuft, müssen dazu keine Angaben gemacht werden. Es kann in diesem Fall jedoch eine kurze Erläuterung der Ergebnisse der Wesentlichkeitsanalyse in den Nachhaltigkeitsbericht aufgenommen werden (ED ESRS LSME Abschn. 1.34). Eine Ausnahme gilt für den Aspekt "Klimawandel". Sollte dieser als unwesentlich klassifiziert werden, muss dieses Ergebnis der Wesentlichkeitsanalyse ausführlich erläutert werden (ED ESRS LSME Abschn. 1.33).
Rz. 29
Es ist fraglich, ob der ED ESRS LSME hinsichtlich der Umsetzung des Wesentlichkeitsgedankens aufgrund des Wortlauts der CSRD (Art. 19a Abs. 6 Bilanz-RL n. F. stellt auf die "wichtigsten" (principal) negativen Auswirkungen und Risiken ab), nicht eine weit weniger umfangreiche Berichterstattung auslösen müsste als die im ED ESRS LSME derzeit – analog zu ESRS Set 1 – festgelegte Berichtspflicht zu den "wesentlichen" (material) negativen Auswirkungen und Risiken. Dies könnte über ein abweichendes Begriffsverständnis begründet werden, wonach die "Schwellenwerte für die wichtigsten negativen Auswirkungen und Risiken höher [lägen] als für die wesentlichen" negativen Auswirkungen und Risiken. Diese Problematik löst der ED ESRS LSME – ebenfalls analog zu ESRS Set 1 – jedoch nach der hier vertretenen Auffassung im Rahmen seiner Konkretisierungsfunktion zur CSRD dadurch auf, dass nach ED ESRS LSME Abschn. 1.43 die wichtigsten Auswirkungen und Risiken eines Unternehmens den wesentlic...