„Jeder Kilometer mit dem Fahrrad ist ein Mehrwert“
Frau Kurz, Ihr Unternehmen war 2023 Gastgeber der B.A.U.M. Jahrestagung. Schon seit 2009 sind Sie Mitglied bei dem Verband. Was versprechen Sie sich eigentlich davon?
Ohne die Unterstützung von Verbänden wäre unser Erfolg nicht möglich gewesen. Es ist spannend, sich mit anderen Unternehmen zu vernetzen und Preisträger:innen mit unterschiedlichen Ansätzen und innovativen Geschäftsmodellen zu sehen. Wir wollen uns davon inspirieren lassen und herausfinden, was funktioniert und was nicht. Der B.A.U.M. e.V. ist für uns ein Ort der Inspiration, des Austausches und des Lernens. Doch das funktioniert nur, wenn wir uns engagieren. Als Gastgeber der Jahrestagung möchten wir die Plattform bieten, um diesen Austausch zu ermöglichen und auch unsere Erfahrungen zu teilen. Manche Nachhaltigkeitsherausforderungen, die wir bereits gut meistern – wie beispielsweise betriebliche Mobilität – gelten nämlich auch für andere Branchen.
Der größte Impact? Steckt im Geschäftsmodell!
Engagieren Sie sich über das Fahrrad hinaus für die Mobilitätswende?
Unser Wirken sehen wir vor allem im Bereich des Fahrrads. Allerdings ist das Fahrrad allein für größere Distanzen nicht das richtige Verkehrsmittel. Wir engagieren uns daher auch viel für Multimodalität, damit unser Produkt in Kombination mit anderen innovativen Geschäftsmodellen einen Beitrag zur Mobilitätswende leisten kann.
War der Boom des E-Bikes der große Glücksfall Ihres Unternehmens?
Wahrscheinlich hat das E-Bike das Dienstradleasing gefördert und umgekehrt wäre der Boom des E-Bikes ohne Dienstradleasing nicht denkbar.
Dienstradleasing ist ein sehr attraktiver Benefit. Wahrscheinlich hat das E-Bike das Dienstradleasing gefördert und umgekehrt wäre der Boom des E-Bikes ohne Dienstradleasing nicht denkbar. Dadurch wurden diese höherpreisigen Räder nämlich für viele Menschen erschwinglich. E-Bikes machen einen Großteil der Leasingräder aus.
Das Unternehmen betreibt viel Lobbyarbeit und leistet sich ein Team für politische Kommunikation. Welche Ziele verfolgen Sie aktuell?
Das Fahrrad soll stärker auf die Agenda kommen. Der Diskurs um das Fahrrad wird herausfordernder, zum Beispiel werden Lastenräder oft belächelt. Wir wollen das Fahrrad als einen nachweislich relevanten Player im multimodalen Mix der Mobilitätswende platzieren. Diesen Diskurs wollen wir führen. Mehr als 50 Prozent der Pendler:innen fahren eine Strecke von weniger als zehn Kilometern – und damit eine Strecke, die sich ideal mit dem Fahrrad oder E-Bike zurücklegen lässt.
Fahrradfahren ist gesund, es macht Spaß und ist nachhaltig. Dieser ernstzunehmende Beitrag soll gesehen werden.
Fahrradfahren ist gesund, es macht Spaß und ist nachhaltig. Dieser ernstzunehmende Beitrag soll gesehen werden. Bisher kommt die Vokabel Fahrrad im Mobilitätsdiskurs aber noch nicht oft genug vor. Deswegen betreiben wir Lobbyarbeit, wie es andere Branchen auch tun.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit als Treiber in Ihrem Unternehmen?
Das können wir nicht unabhängig von unserem Geschäftsmodell sehen, denn darin steckt unser größter Impact. Wir sehen uns als einen verantwortungsvollen Player in einer Branche, die noch großes Potenzial für Entwicklung hat. Jeder Kilometer, der mit einem Pkw gefahren wird, verursacht Studien zufolge gesellschaftliche Kosten. Jeder Kilometer mit dem Fahrrad ist ein Mehrwert. Wir wissen, dass Menschen, die Zugang zu hochwertigen Rädern haben, nachweislich mehr fahren. Diesen Zugang ermöglicht das Dienstradleasing.
Unternehmerische Verantwortung bedeutet Gestalten
Und doch wollen viele Menschen ihr Auto nicht für ein Fahrrad tauschen. Wie überzeugen Sie die?
Wir möchten als Unternehmen mit gutem Beispiel vorangehen und haben viel dafür getan, dass Pendeln für unsere Mitarbeitenden attraktiv wird, etwa durch ein arbeitgeberfinanziertes Jobrad. Im Dezember haben wir auch ein Mobilitätsbudget eingeführt, womit wir positive Anreize für nachhaltige Bewegung und Pendelmobilität setzen. Darüber hinaus haben wir einen überdachten Fahrradkeller und Duschen für die Mitarbeitenden. Menschen werden nun einmal von unterschiedlichen Angeboten angesprochen. „One Size Fits All“ gibt es nicht. Manche unserer Mitarbeitenden fahren 20 Kilometer zur Arbeit, weshalb ihnen eine Dusche wichtig ist. Andere kommen mit dem Zug und fahren die letzten Kilometer mit dem Faltrad. Indem wir ein neues Gebäude in Bahnhofsnähe bezogen haben, konnten wir vieles möglich machen.
Nicht jedes Unternehmen hat es so einfach…
Ein Arbeitgeber auf dem Land, der schlecht an den ÖPNV angebunden ist, steht natürlich vor anderen Herausforderungen. Und deswegen muss die Politik die passenden Rahmenbedingungen schaffen. Mit dem, was sie beitragen können, stoßen Arbeitgeber immer wieder an Grenzen. Gleichzeitig gehört es auch zur unternehmerischen Verantwortung, Chancen zur Gestaltung zu nutzen. Das tun wir bei Jobrad und ich würde mir wünschen, dass es viele andere Organisationen auch so machen. Wie werden wir die nachhaltige Transformation sonst schaffen, wenn Unternehmen nicht immer wieder selbst aktiv werden?
Wie werden wir die nachhaltige Transformation sonst schaffen, wenn Unternehmen nicht immer wieder selbst aktiv werden?
Nachhaltige Mobilität: Es muss noch viel passieren
Zur Unternehmensgruppe gehören auch mehrere Start-ups. Welche Strategie verfolgen Sie?
Unser Überbegriff lautet nachhaltige Mobilität. Zum Beispiel bietet unsere Schwestergesellschaft LOFINO Mobilitätsbudgets an, die Arbeitgeber ergänzend nutzen können, um den Mobilitätsmix nachhaltiger zu gestalten. Unsere Leasing-Rückläufer landen bei Bravo Bike: Diese hochwertigen Fahrräder können nach Ende der Leasing-Laufzeit von drei Jahren noch gut verwendet werden. So erhalten auch Menschen, die keinen Zugang zu einem Dienstradleasing haben, ein gutes Fahrrad. Das alles passt zusammen.
Das Unternehmen wächst, inzwischen gibt es Jobrad sogar in Österreich. Wohin soll das führen?
Allgemein muss in Sachen nachhaltige Mobilität noch viel passieren. Und ja, in vielen Geschäftsmodellen ist Internationalisierung der nächste Schritt. Ein wesentlicher Treiber für den Boom unseres Geschäftsmodells war jedoch die steuerrechtliche Gleichstellung des Dienstrads mit dem Dienstwagen. Deswegen müssen wir immer auf die Möglichkeiten in anderen Ländern schauen. Es war kein Zufall, dass wir zuerst nach Österreich gegangen sind, denn dort hat sich eine Möglichkeit aufgetan. Aber nicht nur in Hinblick auf Internationalisierung gibt es Raum für unsere Ideen sowie für das Wachstum unserer Modelle. Erst vor kurzem haben wir die „Startrampe“ gegründet: ein Inkubator für neue Ideen zu nachhaltiger Mobilität.
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