Rechtssichere Umwelt- und Nachhaltigkeitskommunikation – was Unternehmen jetzt beachten müssen
Die viel diskutierte Green Claims Richtlinie zielt darauf ab, Greenwashing zu verhindern und mehr Transparenz in der Umwelt- und Nachhaltigkeitskommunikation zu schaffen. Verbraucher sollen informierte Entscheidungen treffen können. Sie sollen nicht durch irreführende Nachhaltigkeitsclaims getäuscht werden. Der Hintergrund ist durchaus ernst. Eine Untersuchung des europäischen Verbraucherschutz-Netzwerks CPC aus 2020 zeigte, dass 42 Prozent von 344 überprüften Nachhaltigkeitsclaims als falsch oder irreführend eingestuft wurden. Zudem wiesen 57 Prozent der Claims Transparenzmängel auf, und viele Claims machten nicht deutlich, ob sie das gesamte Produkt, nur bestimmte Elemente davon oder das Unternehmen als solches betreffen.
Als „Six Sins of Greenwashing“ hat die Organisation Terra Choice schon vor vielen Jahren sechs Kategorien identifiziert, die sich unverändert als hilfreiche Erklärungsgrundlage jenseits juristischer Feinheiten eignen:
- Sin of the Hidden Trade-Off (versteckte Kompromisse)
- Sin of No Proof (fehlende Beweise)
- Sin of Vagueness (Ungenauigkeit)
- Sin of Irrelevance (Belanglosigkeit)
- Sin of Fibbing (Lügen / Schwindeln)
- Sin of Lesser of Two Evils (kleineres Übel / falscher Vergleich)
Diese „Sünden“ verdeutlichen die verschiedenen Arten, wie Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsbemühungen übertreiben oder falsch darstellen. Das ist mit beträchtlichen Risiken verbunden. Es drohen regulatorische Strafen, Reputationsschäden und zivilrechtliche Haftung, wobei das Reputationsrisiko in aller Regel das empfindlichste ist.
Fürs Erste entschieden: der Streit um Werbung mit „klimaneutral“
Besonders kritisch ist Werbung mit Begriffen wie „klimaneutral“ oder „umweltfreundlich“, da sie oft missverstanden wird. In zahlreichen Gerichtsverfahren wurde entschieden, dass der Begriff „klimaneutral“ von Verbrauchern im Sinne einer ausgeglichenen CO₂-Bilanz verstanden wird und deshalb für sich genommen nicht irreführend ist. Es sei jedoch notwendig, klarzustellen, ob diese Neutralität durch Einsparungen oder Kompensation erreicht wird. Der BGH hat in seinem Urteil vom 27.06.2024 (Az. I ZR 98/23) nunmehr jedoch entschieden, dass der Begriff „klimaneutral“ sehr wohl mehrdeutig und damit irreführend sei, da er eben sowohl als Reduktion von CO₂ im Produktionsprozess als auch als bloße Kompensation von Treibhausgasen verstanden werden kann – wobei der echten Reduktion vor der Kompensation stets Vorrang gebührt. Diese Mehrdeutigkeit erfordere deshalb zwingend eine genaue Erklärung in der Werbung selbst. Eine Zurverfügungstellung weiterführender Informationen oder aufklärender Hinweise außerhalb der unmittelbaren Werbung, etwa durch Verlinkungen, sei nicht ausreichend.
Die ohnehin schon strengen Anforderungen an Nachhaltigkeitskommunikation unter dem aktuellen Wettbewerbsrecht (UWG) sind damit nochmals verschärft worden. Es ist anzunehmen, dass Verstöße zukünftig nicht nur von Mitbewerbern und Verbänden mittels Unterlassungsklagen, sondern unter dem Aspekt des individuellen Schadensersatzes auch von Verbrauchern unmittelbar geltend gemacht werden. In Kombination mit dem neuen Instrument der Verbandsklage werden hier ganz neue Herausforderungen und Belastungen auf Unternehmen zukommen, die sich einem Greenwashing-Vorwurf ausgesetzt sehen.
Legislative und administrative Neuerungen
Die EmpCo- und die Green Claims Richtlinie bringen jetzt europaweit einheitliche Standards für Informationspflichten und die Belegbarkeit von umweltbezogener Werbung. Dazu zählt zum Beispiel ab spätestens Anfang 2026 ein weitgehendes Verbot von produkt- und dienstleistungsbezogener Werbung mit Klimaneutralität, wenn diese durch Ausgleichsmaßnahmen erreicht wird. Was der BGH also soeben unter strengen Anforderungen gebilligt hat, ist demnächst gar nicht mehr erlaubt. Zentrales und zugleich aktuell noch am meisten diskutiertes Element des Entwurfs der Green Claims Richtlinie ist das Erfordernis einer zwingenden Vorabzertifizierung von expliziten Umweltaussagen durch ein unabhängiges und akkreditiertes Prüfunternehmen. Hiermit wird neuer bürokratischer Aufwand mit hohen Kosten verbunden sein.
Die neuen Regelungen stellen zudem strenge Anforderungen an Nachhaltigkeitssiegel und Umweltzeichen. Private Systeme müssen nachweisen, dass ihre ökologischen und/oder sozialen Merkmale ehrgeiziger sind als bestehende Systeme.
Die Richtlinien verlangen eine genaue Prüfung, ob sich eine Umweltaussage auf das gesamte Produkt, nur auf Teile davon oder das gesamte Unternehmen bezieht. Mündliche Aussagen sollen ebenfalls erfasst werden – wie das in der praktischen Umsetzung mit dem Erfordernis einer Vorabzertifizierung durch Dritte vereinbar sein soll, ist allerdings unklar. Notwendige Informationen können, so der Entwurf, zum Beispiel durch QR-Codes bereitgestellt werden. Immerhin das wäre eine gewisse Vereinfachung gegenüber aktuellen Erfordernissen an die Unmittelbarkeit der Bereitstellung wesentlicher Informationen.
Drohendes „Greenhushing“?
Ausnahmen von den neuen Regeln gibt es nur wenige im Lebensmittel- und Finanzdienstleistungsbereich. Kleinstunternehmen erhalten eine längere Umstellungsfrist. Wer sich nicht an die neuen Regeln hält, dem drohen hohe Bußgelder von bis zu 4 Prozent des Jahresumsatzes. Alles in allem könnten diese neuen Regeln in der Gesamtschau im schlimmsten Fall das Gegenteil dessen bewirken, was sie eigentlich bezwecken sollen, wenn nämlich Unternehmen auf Nachhaltigkeitsbemühungen in Zukunft lieber ganz verzichten, statt hohe Kosten und gegebnenfalls sogar Bußgelder in Kauf nehmen zu müssen – man spricht dann von „Greenhushing“.
Fazit
Schon jetzt sind bei der Werbung mit mehrdeutigen Umweltschutzbegriffen wie „klimaneutral“ neue und strenge Anforderungen zu beachten. Die kommenden EmpCo- und Green Claims Richtlinien stellen Unternehmen in den nächsten Monaten vor weitere neue Herausforderungen bei der Nachhaltigkeitskommunikation, denn strengere Anforderungen an Transparenz und Beweisbarkeit von Umweltaussagen sollen Verbraucher besser schützen und Greenwashing verhindern. Unternehmen sollten sich deshalb frühzeitig mit den neuen Regelungen vertraut machen, um rechtliche Risiken zu minimieren und ihre Nachhaltigkeitskommunikation transparent und glaubwürdig zu gestalten.
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