Interview: Rechtsextremes Verhalten als Kündigungsgrund
Haufe Online: Ist es möglich, einen Mitarbeiter wegen rechtsradikalen Verhaltens zu kündigen?
Dr. Markus Diepold: Es entscheidet der Einzelfall. Maßgeblich ist, ob der Mitarbeiter bei einem privaten oder einem öffentlichen Arbeitgeber tätig ist und ob im oder außerhalb des Betriebs das rechtsradikale Verhalten erfolgt. Bei einem privaten Arbeitgeber ist grundsätzlich nur das Verhalten innerhalb des Betriebs maßgeblich, bei einem öffentlichen Arbeitgeber kann auch das Verhalten außerhalb des Betriebs eine Rolle spielen.
Haufe Online: Muss aber nicht immer auch eine Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis vorliegen?
Dr. Markus Diepold: Bei einer Kündigung wegen rechtsradikaler Äußerungen bewegt sich der private Arbeitgeber im Bereich der verhaltensbedingten Kündigung. Eine Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis ist also Voraussetzung. Die Pflichtverletzung kann z. B. in der erheblichen Störung des Arbeitsablaufs liegen, die durch rechtsradikale Äußerungen entstehen können. Die tatsächliche Störung ist entscheidend, vor dem Hintergrund der Meinungsfreiheit reicht eine bloße Gefährdung leider nicht.
Haufe Online: Wenn in dem rechtsradikalen Verhalten des Arbeitnehmers eine Pflichtverletzung zu sehen ist, muss dann nicht vor der Kündigung eine Abmahnung ausgesprochen werden?
Dr. Markus Diepold: Grundsätzlich ja. Die Abmahnung kann aber je nach Schwere der Äußerung entbehrlich sein. Das BAG hat z. B. entschieden, dass eine Abmahnung nicht mehr ausgesprochen werden muss, wenn ein Auszubildender an der Werkbank eines türkischen Arbeitnehmers ein Schild mit der Aufschrift „Arbeit macht frei – Türkei schönes Land“ befestigt und das „Ausschwitzlied“ mehrfach im Betrieb anstimmt.
Haufe Online: Wo liegt das Problem bei der Kündigung wegen rechtsradikaler Äußerungen?
Dr. Markus Diepold: Auch rechtsradikale Äußerungen sind grundsätzlich durch die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG geschützt. Wer ein Grundrecht ausübt, darf dafür aber nicht sanktioniert werden. Nur dann, wenn eine Straftat, wie z. B. eine Beleidigung (§ 185 StGB), Volksverhetzung (§ 130 StGB) oder eine strafbare Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen (§ 86 StGB) vorliegt, tritt die Meinungsfreiheit zurück.
Haufe Online: Wann kann außerbetriebliches Verhalten eine Kündigung rechtfertigen? Kann einem Arbeitnehmer aufgrund seiner Mitgliedschaft in der NPD gekündigt werden?
Dr. Markus Diepold: Das Freizeitverhalten eines Arbeitnehmers kann nur in Ausnahmefällen eine Kündigung durch den privaten Arbeitgeber rechtfertigen. Allein die Mitgliedschaft in der NPD und / oder der Jugendorganisationen der NPD stellt keinen Kündigungsgrund dar. Es fehlt an einem konkreten Bezug zum Arbeitsverhältnis. Anders ist es dann, wenn das außerbetriebliche Verhalten zu Störungen im Arbeitsablauf oder im Bereich der betrieblichen Verbundenheit der Arbeitnehmer führt.
Haufe Online: Sie erwähnten vorher einen Unterschied zwischen privatem und öffentlichem Arbeitgeber. Was hat es damit auf sich?
Dr. Markus Diepold: Nach dem BAG kann die politische Betätigung für eine verfassungsfeindliche Partei unter Umständen als Grund für eine Kündigung angesehen werden. Es ist zu prüfen, ob sich ein Eignungsmangel aus begründeten Zweifeln an der geforderten Verfassungstreue des Arbeitnehmers (Art. 33 Abs. 2 GG) ergibt. Man prüft also nicht den Ausspruch einer verhaltensbedingten, sondern einer personenbedingten Kündigung.
Haufe Online: Muss man nicht generell auch differenzieren, ob es sich um einen Angestellten in einer höheren Position mit Repräsentationsfunktion handelt oder nicht?
Dr. Markus Diepold: Ja. Entscheidend für eine personenbedingte Kündigung im öffentlichen Dienst ist, welche staatlichen Aufgaben der Arbeitgeber wahrnimmt, welche Verhaltenspflichten der Arbeitnehmer und welches Aufgabengebiet er zu bearbeiten hat. Je nach Tätigkeit können sich dann rechtsradikale Äußerungen oder Parteizugehörigkeit auf die allgemeine Aufgabenstellung des öffentlichen Arbeitgebers oder das konkrete Aufgabengebiet des Arbeitnehmers negativ auswirken. An Lehrer oder Erzieher sind höhere Anforderungen in Bezug auf ihre politische Loyalität zu stellen als an Angestellte, die technische Abläufe kontrollieren. Es geht um die Abgrenzung von einfachen oder gesteigerten politischen Loyalitätspflichten.
Haufe Online: Also kann nicht einmal im öffentlichen Dienst die Mitgliedschaft in der NPD eine Kündigung rechtfertigen?
Dr. Markus Diepold: Grundsätzlich nicht. Die Mitgliedschaft begründet nur Zweifel an der Eignung des Mitarbeiters. Selbst die aktive Teilnahme am Parteigeschehen, die Übernahme einer Parteifunktion und die Organisation von Parteiveranstaltungen sind dann kein Kündigungsgrund. Nur wenn ein Mitarbeiter die verfassungsfeindlichen Ziele einer extremistischen Organisation aktiv fördert und verwirklichen will, kommt man in den Bereich der Kündigungsmöglichkeit.
Das Interview führte Renate Fischer, Ass. jur.
Informationen zum Autor: Dr. Markus Diepold ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Rechtsanwaltskanzlei Salans LLP, Berlin.
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