Controlling 4.0 bei der Otto Group: Nicht planen, steuern!


Controlling 4.0 bei Otto - Steuerung statt Planung

Für eine erfolgreiche digitale Transformation sind Haltung, Flexibilität und Wirksamkeit wichtiger als Strukturen und Weiterbildung. Entsprechend legen Geschäftsführung und Controlling der Otto Group großen Wert auf Netzwerkorganisation, Transparenz und Abschied vom Denken in Hierarchien und Silos. Dabei hat sich besonders ein Controllingbereich zum Karriere-Sprungbrett entwickelt.

Digitalisierung bei Otto: Big Data seit 40 Jahren, e-Commerce seit 23 Jahren

Mit einem Jahresumsatz von 13,4 Milliarden Euro und rund 52.000 Mitarbeitern (Geschäftsjahr 2018/2019) ist die Otto-Group eines der 20 größten Familienunternehmen in Deutschland. Mit ihrer langen Handelshistorie weiß das Unternehmen schon seit 40 Jahren, wo ihre Kunden wohnen, wie alt diese sind und was sie im Warenkorb haben. Demzufolge war die Otto-Group schon immer ein sehr datengetriebenes Unternehmen. Bereits seit 23 Jahren ist Otto auch im E-Commerce tätig - im vergangenen Jahr wurde der traditionelle Bestellkatalog, der in seinen früheren Jahren 70% des Umsatzes generierte, vollends abgeschafft. Allerdings stellte sich nicht nur dieser Geschäftsbereich der Digitalisierung, sondern das gesamte Geschäftsmodell wurde weiterentwickelt.

Vernetzung und Engagement der Mitarbeiter sind wichtiger als neue Kompetenzen

Radikalität führt nicht unbedingt zu wirtschaftlichem Erfolg.

Aufgrund dieser Erkenntnis beschäftigt sich die Otto Group viel mit der Mittelumschichtung in der richtigen Geschwindigkeit, so Petra Scharner-Wolff, CFO der Otto Group. Sie betonte, dass es auch darum geht, die Fähigkeit zu entwickeln, das eigene Ökosystem zu öffnen. Um dem Anspruch der digitalen Transformation des Konzernkerns gerecht zu werden, hat sich die Otto-Group vor zehn Jahren mit einem Venture-Arm die entsprechende Expertise eingekauft.

Zusätzlich beschäftigt sich die Otto-Gruppe seit drei bis vier Jahren mit einem konzernweiten Kulturwandel. Laut Scharner-Wolff hat das Unternehmen erkannt, dass viel mehr Kraft darin steckt, wie es vernetzt ist und sich die Mitarbeiter einbringen, als im Erlernen neuer Fähigkeiten. Scharner-Wolff gliedert diese Veränderungen „Agil – aber wie?“ in drei Kategorien: Haltung, Flexibilität und Wirksamkeit.

Haltung ist entscheidend

In der Otto-Group gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Vorstand und dem Controlling. Die Mitglieder des Vorstands haben sich gemeinsam dazu verpflichtet, dass der Gesamterfolg der Otto Group immer an oberster Stelle steht. Das heißt, eine andere Perspektive wird als Bereicherung der eigenen Expertise angesehen. Andere Meinungen müssen Wert geschätzt werden, um das Handeln zu verbessern. Kritiker dürfen nicht als Feind angesehen werden, der vermeintliche Schwachstellen aufzeigt. Zudem müsse auch der Vorstand hierarchieübergreifendes Arbeiten wertschätzen, so Scharner-Wolff.

Die Otto-Group ist dadurch besser darin geworden, ihre Fähigkeiten auszubalancieren und Marktchancen zu nutzen. Es steckt viel mehr Kraft in der Steuerung, der Definition eines klaren Ziels sowie der schnelleren Umsetzung und dezentralen Entscheidungsfindung. Allerdings muss in einem solchen Modell viel mehr danach geschaut werden, wer gut miteinander arbeiten kann, betonte Scharner-Wolff. Dies bedeute auch, dass ein fachlich sehr kompetenter Controller ausgetauscht wird, wenn die Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des Vorstands nicht harmoniert.

Neues Tool integriert Risikomanagement, Compliance und Revision

Ein weiteres Beispiel für Agilität war die Integration von Risikomanagement, Compliance und Revision in einem Tool. Hierbei war es wichtig, dieses Tool gemeinsam zu entwickeln und es nicht in der Zentrale entstehen zu lassen, da dies die Akzeptanz deutlich erhöht. In diesem Tool sind sämtliche Meldungen, potenzielle Risiken und die entsprechenden Gegenmaßnahmen für alle Beteiligten sichtbar. Eine solche Transparenz, so Scharner-Wolff, wäre noch vor fünf Jahren undenkbar gewesen.

Flexibilität ist die neue Struktur

Die Ressourcen werden neu allokiert und die Entscheidungsprozesse unterstützt. Zudem sind die Mitarbeiter heutzutage stark vernetzt und über die Expertise und Skills ihrer Kollegen im Team informiert. Das heißt, dass bei der Verteilung der Arbeit nach entsprechenden Kompetenzen gefiltert wird. Entsprechend werden Mitarbeiter, die eine spezielle Expertise in einem Gebiet haben, auch über das Controlling-Team hinaus in relevante Controllingfragen involviert. Accounting und Controlling laufen beide unter der Leitung von Frau Scharner-Wolff.

Für das Berichtswesen besitzt die Otto-Group inzwischen eine Reporting Factory (BI Bereich). Diejenigen, die in der Vergangenheit Daten generiert haben, werten diese Daten heute nur noch in Form von Reportings aus. Früher wurden während der Generierung der Daten die inhaltlichen Veränderungen erkannt. Da die Daten nun vom System generiert werden, sind bei der Interpretation der Daten andere Skills gefordert, z. B. ein Mindestmaß an Kenntnis über die Geschäftsmodelle. Zudem werden die Reports aus den dezentralen Einheiten übernommen und nur noch kommentiert, wenn die Differenzen zu groß sind.

Das Beteiligungscontrolling gilt als Kaderschmiede der Otto Group.

Scharner-Wolff fügte hinzu, dass das Beteiligungscontrolling als Kaderschmiede innerhalb der Otto-Group gelte. Da jetzt jeder mit dem Vorstand reden kann, müssen neben den hierarchischen Karrierewegen entsprechende andere implementiert werden. Dies wiederum hat das Aufbrechen alter Strukturen zur Folge. Denn laut Scharner-Wolff sei der hierarchische Karriereweg tief in der DNA der Wertschätzung und Anerkennung verankert. Möchte man diese Expertenkarrieren und Projektkarrieren im eigenen Empfinden der Mitarbeiter gleichsetzen, muss hierfür viel getan werden.

Wirksamkeit erfordert auch Verzichten

Um Wirksamkeit zu erzielen, gilt es, die thematischen Schwerpunkte richtig zu setzen. Das sei viel wichtiger, als immer gleiche Themen zu behandeln, so Scharner-Wolff. Im Planungsprozess arbeitet man inzwischen mit Hilfe einer Top-down- und Bottom-up-Planung verstärkt maßnahmenorientiert. Die Erstellung von Berichten, die für die Mitglieder des Vorstands keinen Mehrwert bringen, wurde konsequent abgeschafft.

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„Bei der Bewertung von agilen Entwicklungsprojekten können Controller einen großen Nutzen stiften.“

Schlagworte zum Thema:  Digitalisierung, Controlling