Teilen 2.0 – Sharing Economy zukünftig auch im B2B-Bereich
Wir stehen noch am Anfang der Sharing Economy, läutete Dr. Christian Busch von der London School of Economics seinen Vortrag „Digital in die Zukunft: Innovative Organisationsmodelle“ ein. Laut Dr. Busch warten ungenutzte Ressourcen im Wert von 3,5 Billionen US-Dollar nur darauf, besser allokiert zu werden. Ein einfaches Beispiel hierfür stellen unsere Autos dar, jedoch könnten viele Geräte und Produkte in Zukunft "geteilt" werden.
Den nächsten logischen Schritt nach den C2C-Portalen wie Airbnb, Uber und Kleiderkreisel stellen aus seiner Sicht B2B-Plattformen wie Floow2 dar. Hier können Unternehmen auf einer Plattform von über 25.000 Unternehmen Gerätschaften, Maschinen und Fahrzeuge anbieten oder mieten. Dieser Trend zeigt: Die Devise „Asset sharing is your new Asset“ wird große Auswirkungen auf bestehende Geschäftsmodelle haben, da zukünftig auch kleine Unternehmen Zugang zu kapitalintensiven Ressourcen erlangen, was bislang nur großen, etablierten Playern möglich war.
Unabhängigkeit und Selbsterneuerung wie beim Seestern
Demnach ist es wichtig, dass Unternehmen sich von Spider- zu Starfish-Organisationen transformieren. Das Beispiel aus dem Tierreich verdeutlicht, dass die vielen langen Spinnenbeine, welche sinnbildlich für diverse Einheiten eines Unternehmens stehen, absterben, sobald der Kopf der Spinne (die Zentrale) nicht mehr funktioniert. Bei einem Seestern hingegen können Verluste einzelner Arme in Kauf genommen werden, da diese wieder nachwachsen und die bestehenden Arme, also Einheiten, davon weitestgehend unbeeinflusst bleiben.
Genauer gesagt bedeutet das für Unternehmen, sich von den traditionellen hierarchischen Strukturen zu lösen und sich zu einer dezentralisierten Organisation zu entwickeln. So sollen sie fähig sein, mit ihren verschiedenen Unternehmensteilen unabhängig zu operieren und zu wachsen.
Musterbeispiel Haier: Organisationswandel im Rahmen der digitalen Transformation
Ein Musterbeispiel für ein Unternehmen, das den Wandel zu einer Starfish-Organisation erfolgreich vollzogen hat, ist das chinesische Unternehmen Haier. Bemerkenswert dabei ist, dass sich der Hersteller von Haushaltsgeräten komplett neu erfunden hat: Weg von einem traditionell produzierenden Unternehmen hin zu einem Internet- bzw. Plattformunternehmen. Dabei wurden diverse Organisationseinheiten in ihrer bestehenden, starren Struktur aufgelöst, indem Mitarbeiter aber auch externe Personen die Möglichkeit bekamen unternehmerisch tätig zu werden und Bereiche zu übernehmen. Durch viele kleine Unternehmer entstanden so unabhängige Mikro-Organisationen (micro enterprises, ME), die der Zentrale zuarbeiten, jedoch weitestgehend autonom sind (vgl. Abb. in der Bilderserie). Die Mikro-Unternehmen lassen sich in zwei Kategorien unterteilen:
Transformative MEs:
- Unternehmen mit Lösungen, die zum Kerngeschäft von Haier gehören
- Beispiel: App-Lösung für Kühlschränke
Incubation MEs:
- Unternehmen mit Lösungen, die nicht zum Kerngeschäft von Haier gehören und losgelöst vom traditionellen Konzept der Marke sind.
- Beispiel: Spiele-Unternehmen
Die Entstehung dieser Mikro-Unternehmen ist u.a. auf einen sehr offenen Umgang mit Daten und Informationen zurück zu führen, denn die neuen Unternehmer bekommen alle notwendigen Daten zur Verfügung gestellt. Dies geht einher mit einem kulturellen Wandel und der Förderung von Open Innovation. Darüber hinaus stellt Haier sicher, dass die Unternehmen von bestimmten internen Service.Bereichen (z.B. Finance, Tax, HR und R&D) unterstützt werden, damit ihrer Skalierbarkeit und ihrem Wachstum keine Grenzen gesetzt sind.
Fünf Handlungsfelder für Unternehmen der Zukunft
Zusammenfassend sieht Dr. Busch fünf zentrale Handlungsfelder als essenziell an, damit Unternehmen aus organisatorischer Perspektive die digitale Transformation gelingt.
1. Aktionsgetriebener Zweck
Zunächst ist es wichtig den aktionsgetriebenen Zweck innerhalb des Unternehmens sicherzustellen. Beispielsweise sollte die Vision der Unternehmensführung so kommuniziert und gelebt werden, dass sich schnell Anhänger finden, die wiederum ihr Umfeld positiv beeinflussen und so einen nachhaltigen Wandel herbeiführen. Mit den Worten von Dr. Busch: „Die Outgroup wird zur Ingroup“; die ersten Vorreiter schaffen es, weitere Personen zu begeistern und sie für eine Idee zu gewinnen.
2. Authentisch gelebte Werte
„Small people talk about people, average people talk about things and great people talk about ideas“ (Eleanor Roosevelt)
Bereits die Frau des früheren US-Präsidenten erkannte die Vorteile einer Kultur der Ideen sowie deren positiven Einfluss. Dr. Busch sieht diesen Bedarf für eine solche Unternehmenskultur genauso wie die Fähigkeit innerhalb der Organisation konstant zu lernen. Meistern Unternehmen diese Herausforderung, haben sie die nötige Agilität weiter zu bestehen. Es stellt sich also die Frage nach den Unternehmenswerten: Werden diese tatsächlich gelebt oder sind sie lediglich leere Worthülsen auf dem Papier? In seiner Betrachtung spricht Dr. Busch von „authentischen Werten“ und deren Notwendigkeit als wichtiger Bestandteil eines Unternehmens der Zukunft.
3. Wirkungs-Governance
Stellen Sie sich vor, Ihr CEO veröffentlich wöchentlich seine Arbeitsagenda und informiert seine Angestellten regelmäßig darüber, ob er seine Ziele erreicht hat oder nicht. Das ist ein Beispiel für das Feld der Wirkungs-Governance. Dabei sollen Prozesse demokratischer gestaltet und eine höhere Transparenz, sowohl top-down als auch bottom-up, geschaffen werden. Diese Kultur begünstigt enorm positive Zufälle von spontaner Zusammenarbeit in einem Unternehmen, da es die Silo-Strukturen von Projektgruppen aufbricht und man über die Arbeit der Kollegen Kenntnis gewinnt.
4. Einbettung von vorhandenen Technologien
Eine weitere Herausforderung für Unternehmen heutzutage besteht darin, nicht nach Lösungen mit neuen Technologien zu suchen, sondern bereits Vorhandenes zu nutzen. So sind die Unternehmen im Bereich „Internet of Things“ erfolgreich, die genau das tun: bereits existierende Technologien einbetten sowie deren Potenziale ausschöpfen. Der Grundgedanke dabei ist die Verabschiedung von zusätzlichen Ressourcen und vielmehr die Eigeninitiativen innerhalb seines Unternehmens zu unterstützen.
5. Championing
Championing adressiert den Bedarf einer effektiven Kommunikation innerhalb von Organisationen. Hier ist es wichtig, gewisse Champions zu benennen, also Personen, die die Konzepte innerhalb der Organisation verbreiten und als Ansprechpartner fungieren. So können neue Ideen innerhalb eines Unternehmens effektiv kommuniziert und verbreitet werden – und das auf allen Hierarchieebenen.