Das Interview führten Tobias Steinhauser, Principal und Head of R&D, Procurement & Supplier Management bei Horváth in München, und Dr. Peter Schentler, Partner und Head of Controlling & Finance Österreich bei Horváth in Wien.
Das Interview ist entnommen aus: Klein/Schentler, Einkaufscontrolling, 2. Aufl. 2022.
Lassen Sie uns mit aktuellen Entwicklungen beginnen. Welche Trends beschäftigen Sie im Einkauf aktuell?
Patrick Reiß: Vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen und Krisen sind flexible Lieferketten ein wichtiges Thema. Die Volatilität beschäftigt uns nun seit mehreren Jahren; zuerst durch Covid19, aktuell auch durch den Krieg in der Ukraine. Als Unternehmen bedeutet das für uns, dass wir uns flexibler aufstellen müssen, zum Beispiel Mitarbeiter länderübergreifend einzusetzen und dort zu unterstützen, wo aktuell mehr Bedarf ist. Hier nutzen wir unsere Stärke als globaler Konzern. Die aktuelle Situation in der Ukraine betrifft uns einkaufsseitig weniger. Aus Unternehmenssicht mehr, da wir einige Standorte in der Ukraine haben und Russland ein wichtiger Markt für uns ist.
Als Unternehmen versuchen wir den Menschen in der Ukraine zu helfen; zum Beispiel medizinisches Equipment und Lebensmittel in die Ukraine zu bringen. Inwieweit sich die aktuelle Krise langfristig auf unser Geschäft auswirkt, d.h. durch Nachfrageänderungen bei Kunden, die in Russland oder der Ukraine tätig sind, kann ich derzeit nicht beantworten. Natürlich verlagern sich Aktivitäten und Preise sind volatil; aber sehr wesentlich wird sein, ob der Konflikt kurz bleiben oder über Jahre andauern wird. Ganz unabhängig von unserem Geschäft hoffe ich sehr, dass der Krieg und das Leid, das damit einhergeht, schnellstmöglich beendet wird und Russland zu ernsthaften Friedensgesprächen bereit ist.
Darüber hinaus sind aktuelle Trends Nachhaltigkeit in allen Facetten, also soziale und ökologische Themen, auch im Hinblick auf das Lieferkettengesetz. Digitalisierung und Automatisierung sind weiterhin sehr wichtig, insbesondere Data Analytics und Predictive Analytics. Die beiden letztgenannten sehe ich als sehr wesentliche Entwicklungsfelder für den Einkauf der Zukunft.
Nachhaltigkeit im Einkauf
Das Thema Nachhaltigkeit ist derzeit in aller Munde. Wie berücksichtigt DB Schenker Nachhaltigkeit im Einkauf?
Reiß: Wir haben bereits frühzeitig begonnen, Nachhaltigkeit in unsere Entscheidungen einfließen zu lassen. Uns war klar, dass wir das tun müssen. Einerseits weil wir es selbst für wichtig halten, andererseits weil es gefordert wird; neben Gesetzen und Regularien durch verschiedene Stakeholder – sowohl extern als auch intern.
Aspekte zur Nachhaltigkeit sind heute bei der Vergabe von Aufträgen zunehmend als fester Bestandteil und als Entscheidungskriterium integriert. Wir haben einen strukturierten Prozess, um entsprechende Informationen bei den Lieferanten abzufragen und zu bewerten.
Inwieweit besteht die Bereitschaft für Nachhaltigkeit mehr Geld auszugeben?
Reiß: Wir bei DB Schenker und ich persönlich glauben daran, dass Nachhaltigkeit ein wirklicher Game Changer ist. Auf Kundenseite steigen die Erwartungen hinsichtlich Nachhaltigkeit stetig. Wenn wir das nicht adäquat berücksichtigen, schadet uns das spätestens mittelfristig. Beispielsweise sorgt das Lieferkettengesetz dafür, dass Anforderungen unserer Kunden über den Vertrieb an unsere Lieferanten weitergegeben werden müssen. Als Einkauf müssen wir uns abstimmen, die Anforderungen verstehen, und in unseren Entscheidungen berücksichtigen.
Auf der anderen Seite haben wir eine hohe Preissensibilität. Viele Kunden sind noch nicht bereit, mehr Geld für nachhaltige Lösungen auszugeben. Damit müssen wir preissensitiv sein; auch vor dem Hintergrund einer Branche wie der Logistik mit niedrigen Margen. Dennoch geht es in Zukunft darum, im Zweifel lieber einen Euro mehr auszugeben und mit einem Supplier zusammenzuarbeiten, der hinsichtlich Nachhaltigkeit besser aufgestellt ist – das ist eine Zukunftsinvestition für uns. Wenn wir hier besser sind als Wettbewerber, kann das zu einem echten Vorteil werden.
Fordern Ihre Mitarbeiter mehr Nachhaltigkeit ein?
Reiß: Gerade junge Talente legen auf dieses Thema sehr viel Wert. Wir spüren das beispielsweise, wenn Mitarbeiter fragen, was wir als Unternehmen für die Nachhaltigkeit tun oder warum Führungskräfte mit einem Verbrennungsfahrzeug fahren. Warum bewerten wir unsere Supplier nicht gleichermaßen nach Qualität, Kosten und Lieferzeiten sowie Nachhaltigkeitskriterien? Unternehmen, die nicht in diese Richtung gehen, sprechen in Zukunft eine große Zielgruppe von potenziellen Mitarbeitern nicht an.
Wie setzen Sie Nachhaltigkeit organisatorisch um?
Reiß: Wir haben bei DB Schenker einen eigenen Nachhaltigkeitsbereich geschaffen, um alle entsprechenden Themenstellungen und Überlegungen mit ihren unterschiedlichen Facetten und Dimensionen zu vereinen. Damit haben wir eine Sustainability Governance Funktion, die direkt in unserem CEO-Ressort aufgehängt ist und die Themen steuert und zusammenführt.
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