Transformation und neue Technologien als Chance zur Revolutionierung der Planung
Auf der Planungsfachkonferenz 2018 gewährten Jens Reissmann (Global Process Owner Planning) und Tobias Kretzschmar (Program Manager) Einblicke in ihre Vision zur Planung der Zukunft und den komplexen Weg zur Umsetzung eben dieser bei einem der größten Life Science Konzerne weltweit.
Als Folge der Reorganisation der Teilkonzerne zu New Bayer wurde ein neues Target Operating Model für den Controllingbereich erstellt, sowie eine globale Prozessexzellenzinitiative ins Leben gerufen. Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden und eine erfolgreiche Transformation zu gewährleisten wurde das data.one Projekt aufgesetzt. Die Planung der Zukunft soll sich eng an der Steuerungslogik von Bayer orientieren und Entscheidungsprozesse effektiv unterstützen. Neue In-Memory-Technologien und eine innovationsfördernde Unternehmenskultur stellten die Grundvoraussetzung für ein Projekt dieser Komplexität und Tragweite dar. Wesentliche Komplexitätstreiber sind dabei die unterschiedlichen organisatorischen Grundprinzipien zwischen der divisionalen und funktionalen Steuerung innerhalb des Konzerns. Zusätzlich galt es die Übernahme und Eingliederung des MONSANTO Konzerns zu berücksichtigen.
„Think Big“: Steuerungsorientierte Planung in einem simplifizierten Ansatz
Vier konzeptionelle Säulen bilden die Vision des Projektteams ab und stellen den Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung des Controllings bei Bayer dar:
- One Steering: Die Planung erfolgt konsolidiert entlang der Management-Verantwortlichkeiten, wobei sich Diskussionen anhand einer treiberbasierten Planung auf wesentliche Geschäftstreiber fokussieren.
- One Language: Standardisierung der Kennzahlen über alle Divisionen, Länder und Funktionen hinweg, sowie Nutzung von Standardbrücken für die Planung von Deltas und Analyse von Veränderungen gegenüber den Referenzperioden.
- One System: Ein integriertes Planungssystem als „Single-Point-of-Truth“, welches den Planungsprozess durch asymmetrische Plandateneingabe effizienter gestaltet.
- One Process: Top-down orientiertes Target Setting und Bottom-up-Ausplanung anhand eines standardisierten Planungskalenders mit fixen Stichtagen.
„Start Small“: Feedback der Organisation macht eine Überarbeitung der Ansätze notwendig
Im Rahmen der Projektarbeit wurden intensive Diskussionen mit den Planungsverantwortlichen innerhalb der Bayer-Organisation geführt. Als Folge dessen sah sich das Projektteam gezwungen, einige Ansätze ihrer Vision anzupassen, beziehungsweise erst in einem zweiten Schritt zu realisieren. So wurden etwa der Verzicht auf Details und die Planung anhand von Deltas (Veränderungen eines Wertes, z. B. der Umsatzerlöse, zwischen 2 Perioden) als kritisch angesehen. Auch wurde die treiberbasierte Planung aufgrund der grundlegend verschiedenen Geschäftsmodelle der einzelnen Divisionen hinterfragt. Um dem Feedback der Organisation Rechnung zu tragen wurde der Fokus des ersten Go-Live von der Simplifizierung auf die Integration der verschiedenen Detailpläne verschoben, ohne dabei grundlegende Designprinzipien, wie die enge Verzahnung von Steuerung und Planung außer Acht zu lassen. So konnten mit dem ersten Go-Live wesentliche Meilensteine auf dem Weg zur Umsetzung der Vision erreicht werden:
- Die Planung erfolgt konsolidiert nach Märkten anstatt unkonsolidiert nach Gesellschaften, um die Fokussierung auf das externe Geschäft zu fördern.
- Die Planung erfolgt in einem zentralen, integrierten Planungstool mit über 1.800 Nutzern weltweit. Dabei deckt das Tool alle vier Divisionen sowie die 13 Konzernfunktionen, mit über 200 Gesellschaften in mehr als 200 Absatzmärkten ab. Dies umfasst auch die mehr als 350 Profit Center und ca. 1.000.000 Kostenobjekte.
- Durch die Nutzung von integrierten „Planungsportlets“ (vergleichbar mit Apps) zur Plandateneingabe lassen sich zukünftige Funktionalitäten und Planungsmasken flexibel in das Tool integrieren.
- Durch die volle Integration ziehen sich Änderungen in Echtzeit durch alle Finanzpläne des Konzerns.
Zurück zur Vision: Umsetzung einer angepassten Vision auf Basis der gesammelten Erfahrungen
Mit der Umsetzung des Feedbacks der Organisation wächst nun doch der Wunsch nach einer Simplifizierung und Detailreduzierung in der Planung. Dies liegt vor allem an der Erkenntnis aus den Forecast- und Budgetprozessen, dass eine volle Integration der Planung auf sehr detailliertem Level nicht unbedingt zu effizienteren Prozessen führt. Somit wird die ursprüngliche Vision in einer angepassten Version auch weiterhin verfolgt und mittlerweile von der Organisation auch deutlich stärker unterstützt. So wurde beispielsweise die treiberbasierte Planung nicht weiter verfolgt und die asymmetrische Planung durch eine leichter zu verstehende aggregierte Planung ersetzt.
Rückblickend können folgende Erkenntnisse gewonnen werden, welche sich auch auf andere Planungsprojekte projizieren lassen:
- Durch ein hohes Maß an Integration steigt die Komplexität des Systems enorm, was die Umsetzung von Änderungen erschwert und zu systemseitigen Performance-Verlusten führen kann.
- Zudem führt eine Erhöhung der Entwicklungsressourcen nicht zwingend zu Zeit- und Qualitätsgewinnen in der Umsetzung.
- Der Kulturwandel innerhalb der Organisation gestaltet sich schwierig, solange die Incentivierung auf Budgets basiert.
- Gegensätzliche Erwartungshaltungen erfordern einen enormen Kommunikationsaufwand.
- Zudem mutiert das Projekt nicht selten zur „Beschwerdestelle“ und Probleme in der Steuerung werden in der Planung diskutiert.
Die Erfahrungen haben gezeigt, dass ein Projekt dieser Tragweite ein gewisses Maß an Flexibilität in der Umsetzung erfordert, um allen Stakeholdern gerecht zu werden. Durch die Standardisierung von Prozessen und Inhalten in Kombination mit der Integration der Teilpläne in einem zentralen Tool konnte die Organisation an die neue Lösung herangeführt werden. Tiefgreifendere Änderungen in der Planung können darauf aufbauend nun vorgenommen werden, da sich die Organisation des Nutzens stärker bewusst geworden ist.