Es wurden die europäischen und nationalen Prüfungsschwerpunkte festgelegt, die bei der Überprüfung der 2016er Abschlüsse durch die nationalen Enforcement-Stellen kapitalmarktorientierter Unternehmen in Europa gesetzt werden.

Praxistipp: Liste der Prüfungsschwerpunkte nicht abschließend

Bereits seit 2014 sind sowohl die nationalen als auch europäischen Prüfungsschwerpunkte von gleicher Relevanz. Die Liste der Prüfungsschwerpunkte seitens ESMA und DPR ist allerdings nicht als abschließend zu verstehen. Sind bei einem Unternehmen andere Sachverhalte im Geschäftsjahr von besonderer Relevanz, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Aufgriff dieser im Rahmen der (Stichproben-)Prüfung.

ESMA und DPR veröffentlichen Prüfungsschwerpunkte

Am 28.10.2016 veröffentlichte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority; ESMA) ihre europäischen Prüfungsschwerpunkte (common enforcement priorities) für das nachfolgende Kalenderjahr 2017, betreffend Abschlüsse aus dem Kalenderjahr 2016. Zeitnah hat die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung e.V. (DPR) am 3.11.2016 ebenfalls ihre nationalen Prüfungsschwerpunkte festgelegt.

Die ESMA-Schwerpunkte ergänzen die durch die nationalen Enforcer (in Deutschland durch die DPR) gesetzten Schwerpunkte und sind für den Bilanzersteller daher von gleicher Relevanz wie die national spezifischen Prüfungsschwerpunkte.

Prüfungsschwerpunkte der ESMA

Auf nachfolgende Themen legt die ESMA besonderen Wert im Rahmen der Berichterstattung börsennotierter Unternehmen in Europa:

1. Präsentation der finanziellen Messgrößen (financial performance)

  • Ausweis von Informationen im Abschluss, die nach IFRS nicht explizit gefordert werden: u.a. unverzerrte Darstellung von nicht in den IFRS definierten (Performance-)Größen sowie Erläuterung der Aufwendungsarten nach deren Herkunft bei Verwendung des Umsatzkostenverfahrens nach IAS 1.99
  • Ausweiszeilen, Überschriften und Zwischensummen: u.a. verständliche und klare Darstellung von Aggregationen oder Zwischensummen im Einklang mit IAS 1.55A und IAS 1.85A sowie Erläuterung der Größe „operating profit“, sofern operative Effekte (z.B. Effekte aus Unternehmenszusammenschlüssen oder Vorratsabschreibungen) ausgeklammert wurden.
  • Segmentinformationen: Einheitliche und konsistente Darstellung der Informationen für Segmentangaben im Einklang mit sonstigen Veröffentlichungen des Unternehmens (z.B. Presseveröffentlichungen) sowie Erläuterungen der Ermessensentscheidungen nach IFRS 8.22(a) bei Segmentzusammenfassungen
  • Bewegungen im sonstigen Gesamtergebnis (OCI): u.a. Darstellung einer Analyse (Entwicklung) des OCI nach IAS 1.106A je Position im OCI
  • Ergebnis je Aktie (EPS): Gleichwertige Darstellung des un- und verwässerten EPS gem. IAS 33.66 sowie Angabe, ob zukünftig (finanzielle) Instrumente einen verwässernder Effekt haben könnten (IAS 33.70(c))
  • Beachtung der Leitlinien der ESMA zu alternative performance measures (APM) vom 5.10.2015

2. Finanzinstrumente

Unterscheidung zwischen Eigenkapitalinstrumenten und finanziellen Verbindlichkeiten: Prüfung des fixed-for-fixed Kriteriums nach IAS 32.22 sowie sonstiger (ökonomischer) Motive bei der Einstufung einer liability als EK oder FK sowie Offenlegung von Ermessensentscheidungen nach IAS 1.122 und IFRS 7.17 bei eingebetteten Derivaten.

3. Anhangangaben zu den Auswirkungen neuer Standards auf den IFRS-Konzernabschluss

Offenlegung bzw. Diskussion potentieller Auswirkungen aus der Erstanwendung der neuen Standards IFRS 9, IFRS 15 und IFRS 16 auf den Abschluss nach IAS 8.30.

4. Sonstige Hinweise

ESMA fordert vom Brexit betroffene Emittenten in Europa auf, entsprechenden Risiken im Abschluss zu erläutern bzw. deren Auswirkung zu prüfen (u.a. Darstellung der Liquiditätsrisiken nach IFRS 7 und IAS 1.125 und Auswirkungen auf fair value Bewertungen nach IFRS 13 und IAS 19)

Prüfungsschwerpunkte der DPR

Nachfolgend sind die zusätzlich festgelegten DPR-Schwerpunkte dargestellt:

1. Anteile an anderen Unternehmen

  • Beurteilung der Ermessensentscheidungen bei „atypischen“ Fällen (IFRS 10, IFRS 11, IAS 28) sowie Vollständigkeit der jeweils zugehörigen Anhangangaben gemäß IFRS 12 und IAS 24: u.a. Nichtkonsolidierung bei vorliegender Stimmrechtsmehrheit
  • Änderung der Beherrschung eines Beteiligungsunternehmens: u.a. Festlegung des Erst- bzw. Entkonsolidierungszeitpunkts (IFRS 10.20)
  • Beurteilung der quantitativen und qualitativen Wesentlichkeit bei nicht konsolidierten Tochterunternehmen und Darstellung bei erstmaliger Einbeziehung

2. Werthaltigkeitstest von Sachanlagevermögen

  • Durchführung eines Werthaltigkeitstests bei Identifikation von Indikatoren für eine Wertminderung des Sachanlagevermögens (IAS 36.12-36.14) und Bestimmung der Testebene (IAS 36.66)
  • Plausibilität der wesentlichen Annahmen zur Ermittlung des erzielbaren Betrags bei Durchführung des Tests auf Ebene einer zahlungsmittelgenerierenden Einheit (ZGE) (IAS 36.33 ff.)
  • Einbeziehung von Schulden bei der Ermittlung des Nutzungswerts und des Buchwerts der ZGE (IAS 36.76 (b) und 36.78, IFRS IC Agenda-Entscheidung Mai 2016)
  • Bei nicht vollständiger Erfassung der rechnerischen Wertminderung einer wesentlichen ZGE (IAS 36.105):
    • Nachweis der Wertuntergrenze „beizulegender Zeitwert abzüglich Kosten der Veräußerung“ einzelner wesentlicher Vermögenswerte der ZGE
    • Prüfung des Erfordernisses zusätzlicher Anhangangaben zum Vorgehen bei der Ermittlung der Bewertungsgrundlagen (IAS 1.117 ff.) sowie zu den zugrunde liegenden Annahmen und anderen Quellen von Schätzungsunsicherheiten bei der Ermessensausübung (IAS 1.125 ff.)

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