So gehen Sie in Ihrem Unternehmen mit der befristeten Absenkung des Umsatzsteuersatzes richtig um
Nach dem Regierungsentwurf sollen der Regelsteuersatz von 19 % auf 16 % und der ermäßigte Steuersatz von 7 % auf 5 % sinken. Über den Gesetzesentwurf soll am 19.6.2020 im Bundestag beraten werden.
Eine endgültige Fassung des BMF-Schreibens bleibt weiterhin abzuwarten, der Entwurf bietet jedoch eine erste Richtung.
Welche Unternehmen sind von der Absenkung des Umsatzsteuersteuersatzes betroffen?
Da es sich um eine Regelung zur Stärkung des Binnenmarktes handelt, sind vor allem Unternehmer und Unternehmen im Waren- und Dienstleistungsverkehr betroffen. Alle Unternehmen, die in dieser Zeitspanne (1.7.2020–31.12.2020) in Deutschland steuerbare und steuerpflichtige Umsätze erbringen, müssen in ihren Ausgangsrechnungen entweder 16 % oder bei ermäßigt besteuerten Lieferungen und sonstigen Leistungen 5 % ausweisen. Damit betrifft die zeitlich befristete Absenkung des Umsatzsteuersatzes sowohl den örtlichen Obsthändler als auch den Hotelier.
Mit welchem Steuersatz stelle ich wann die von mir erbrachte Lieferung oder sonstige Leistung in Rechnung?
Die geminderten Steuersätze sind auf Lieferungen, sonstige Leistungen sowie innergemeinschaftliche Erwerbe anzuwenden, die zwischen dem 1.7.2020 und dem 31.12.2020 erbracht werden. Entscheidend ist hierbei der Zeitpunkt, zu dem die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt/erbracht wird. Der Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung ist irrelevant. Ebenso wenig ist der Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts für die erbrachte Lieferung oder sonstige Leistung oder auch die Rechnungslegung entscheidend. Die geminderten Steuersätze finden neben den Lieferungen und sonstigen Leistungen auch bei der Berechnung der Einfuhrumsatzsteuer Anwendung.
In den Fällen, in denen der Unternehmer der Istversteuerung unterliegt, ist zu beachten, dass Entgelte, aber auch Teilentgelte, die vor dem 1.7.2020 vereinnahmt werden, deren Leistungen jedoch erst nach dem 30.6.2020 erbracht werden (und damit zu diesem Zeitpunkt erst der Besteuerung unterliegen) nachträglich ab dem Stichtag – 1.7.2020 – mit den abgesenkten Steuersätzen zu berechnen sind. Im umgekehrten Fall (Vereinnahmung von Entgelten oder Teilentgelten nach dem 30.6.2020, für Lieferungen und sonstige Leistungen, die der Unternehmer vor dem 1.7.2020 erbracht hat) sind die bislang geltenden Umsatzsteuersätze von 19 % und 7 % auf die Nettorechnungsbeträge zu erheben.
Umsatzsteuersatz und Vorsteuerabzug bei Teilentgelten, die vor dem 1.7.2020 vereinnahmt, deren Leistung jedoch erst nach dem 30.6.2020 erbracht werden
Schreibt der Unternehmer eine Rechnung über ein Teilentgelt vor dem 1.7.2020, dessen Leistung erst nach dem 1.7.2020 erbracht wird, ist diese Rechnung (Rechnungsdatum zwischen dem 1.7.2020 und dem 31.12.2020) mit dem abgesenkten Steuersatz von 16 % bzw. 5 % zu stellen. Der Leistungs- und Rechnungsempfänger kann sich unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG die Vorsteuer ziehen. Eine Rechnungsberichtigung ist in diesen Fällen nicht vorzunehmen, wenn der leistende Unternehmer in der Endrechnung die Umsatzsteuer für die Leistung in Gänze mit den abgesenkten Umsatzsteuersätzen berechnet.
Eine Rechnungskorrektur bei Anzahlungsrechnungen ist hingegen vorzunehmen, wenn die Leistung nach dem 30.6.2020 erbracht wird, der Unternehmer aber die Anzahlungsrechnung bereits mit 19 % bzw. 7 % gegenüber dem Kunden abgerechnet hat.
Praxistipp: Rechnungskorrekturen in Umsatzsteuervoranmeldung oder Umsatzsteuerjahreserklärung mittels negativer Bemessungsgrundlage berücksichtigen
Die Rechnungskorrektur bei Anzahlungsrechnungen, die vor dem 30.6.2020 mit 19 % bzw. 7 % gestellt wurden, bei denen die Lieferung bzw. sonstige Leistung jedoch im Zeitraum vom 1.7.2020 bis 31.12.2020 erbracht wurden, sind in der Umsatzsteuervoranmeldung (Zeile 26 bzw. 27) oder in der Umsatzsteuerjahreserklärung (Zeile 38 bzw. 41) mittels einer negativen Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen.
Umsatzsteuersatz und Vorsteuerabzug bei Vorschussrechnungen, deren Leistungen nach dem 30.6.2020 ausgeführt werden (keine Vereinnahmung des Entgelts vor dem 30.6.2020)
Weist der Unternehmer für steuerpflichtige Leistungen und Teilleistungen, die er nach dem 30.6.2020 erbringt, für die er jedoch vor dem 1.7.2020 eine Vorschussrechnung schreibt, die abgesenkten Steuersätze aus, ist die Abrechnung nicht zu beanstanden. Es ist jedoch eine Korrektur auf Seiten des Unternehmers vorzunehmen, wenn der Rechnungsersteller die Umsätze mit den normalerweise geltenden Umsatzsteuersätzen ausweist.
Der Leistungsempfänger kann die ausgewiesene Vorsteuer in dem Voranmeldungszeitraum als Vorsteuer geltend machen, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung an ihn ausgeführt wurde. Im Falle von Werklieferungen, Werkleistungen oder Dauerleistungen, bei denen Teilleistungen vor dem 1.7.2020 vereinbart wurden, muss die ggf. vorher ausgestellte (Voraus)Rechnung berichtigt werden.
Umsatzsteuersatz und Vorsteuerabzug bei Vorschussrechnungen, deren Leistungen nach dem 30.6.2020 ausgeführt werden (Vereinnahmung des Entgelts vor dem 30.6.2020)
Wird die steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung von dem Unternehmer nach dem 30.6.2020 erbracht und hat er hierfür vor dem 30.6.2020 eine Vorausrechnung mit den abgesenkten Umsatzsteuersätzen geschrieben und vereinnahmt das Entgelt vor dem 1.7.2020, entsteht die Umsatzsteuer wie in der Rechnung ausgewiesen. Der Leistungsempfänger kann sich unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer ziehen. Eine Rechnungsberichtigung entfällt in diesem Fall.
Abgrenzungsfragen bei Dauerleistungen
Führt ein Unternehmer Leistungen nach dem 30.6.2020 aus, für die er bereits zuvor eine Dauerrechnung (zum Beispiel Rechnungen über langfristige Mieten, Leasing etc.) erteilt hat, die noch von den Umsatzsteuersätzen 19 % bzw. 7 % ausgehen, ist er berechtigt und ggf. verpflichtet die Umsatzsteuer nach §§ 14 Abs. 2, 14a UStG zu berichtigen. Mit dieser Korrekturverpflichtung geht jedoch nicht auch die Verpflichtung einher, dass der leistende Unternehmer die Abrechnungen für Leistungen, die vor dem 1.7.2020 erbracht wurden analog der umsatzsteuerlichen Minderbelastung anpasst. Die Preisanpassung und damit Weitergabe der Steuersatzsenkung ist eine rein zivilrechtlich zu beurteilende Frage.
Dauerleistungen werden in den Fällen einer sonstigen Leistung an dem Tag ausgeführt, an dem der vereinbarte Leistungszeitraum endet. Bei wiederkehrenden Lieferungen gilt die Dauerlieferung als an dem Tag ausgeführt, an dem die einzelne Lieferung ausgeführt wird.
Sonderfälle bei Rechtsanwälten, Architekten, Ingenieuren, Notaren und Steuerberatern
Auch die Gebühren, Honorare und Vergütungen der freien Berufe schließen die Umsatzsteuer nicht mit ein. Die Umsatzsteuer ist zu den Gebühren, Honoraren und Vergütungen – den gesetzlich vorgeschriebenen Entgelten – zusätzlich in Rechnung zu stellen. Erbringt der Rechtsanwalt oder Steuerberater eine Leistung, die nach dem 30.6.2020 ausgeführt wird, ist also die Vergütung um den abgesenkten Steuersatz von 16 % zu erhöhen.
Praxistipp: Leistungen an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Mandanten verschieben
Sollten Sie Mandanten haben, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind (zum Beispiel Vermieter, die lediglich umsatzsteuerfreie Wohnungsvermieter sind), empfehlen wir die Leistung (zum Beispiel Buchhaltung oder Jahresabschlussleistungen sowie Leistungen im Zusammenhang mit der Erstellung der Steuererklärungen) erst nach dem 30.6.2020 fertig zu stellen. Denn erst mit Fertigstellung und damit Leistungserbringung nach dem 30.6.2020 können Sie die geminderten Umsatzsteuersätze in Rechnung stellen. Mangels Vorsteuerabzugsberechtigung erhöht sich dadurch die Liquidität ihres Mandanten. Gerade in der aktuellen Situation können 3 % Ersparnis dem Mandanten helfen. Bei Leistungen, die an Leistungsempfänger erbracht werden, die nach § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, ist die Ausführung der Leistung vor oder nach Absenkung der Steuersätze irrelevant, weil ihre Nettoaufwendungen dieselben bleiben.
Absenkung des Umsatzsteuersatzes und Gutscheineinlösungen
Bei Einzweckgutscheinen, also Gutscheinen, bei denen der Zweck des Gutscheins im Zeitpunkt der Ausgabe bereits feststeht, wird die Lieferung bzw. sonstige Leistung bereits mit Ausgabe fingiert. Die nunmehr aktuelle Absenkung des Umsatzsteuersatzes ab dem 1.7.2020 hat keinerlei Auswirkungen auf den Einzweckgutschein.
Bei Ausgabe von Mehrzweckgutscheinen, also Gutscheinen, bei denen sich erst im Zeitpunkt der Einlösung herausstellt, ob eine Lieferung oder eine sonstige Leistung zu besteuern ist, ist wie folgt vorzugehen (sog. vereinfachtes Verfahren gem. Entwurf des BMF-Schreibens v. 11.6.2020):
- Unternehmer erstattet ausgegebene Gutscheine in der Zeit vom 1.7.2020 bis zum 31.8.2020 --> Umsatzsteuer ist mit dem allgemeinen Umsatzsteuersatz von 19 % bzw. 7 % zu berechnen.
- Unternehmer erstattet ausgegebene Gutscheine in der Zeit nach dem 31.8.2020 --> Umsatzsteuer ist mit dem nach dem 1.7.2020 geltenden, abgesenkten Umsatzsteuersatz von 16 % bzw. 5 % zu berichtigen.
Absenkung des Umsatzsteuersatzes: Entlastung für die Gastronomie
Um besonders die Gastronomie mit Liquidität zu versorgen und steuerlich zu entlasten, wurde im Rahmen des ersten Corona-Steuerhilfegesetzes eine Absenkung des Umsatzsteuersatzes auf Speisen in Gaststätten von 19% auf 7% beschlossen. Der abgesenkte Steuersatz ist für den Zeitraum vom 1.7.2020 bis 30.6.2021 befristet anzuwenden. Durch das nun beschlossene zweite Corona-Steuerhilfegesetz sinkt der Steuersatz um weitere 2% auf 5%. Die Absenkung auf 5% gilt jedoch nur bis zum 31.12.2020, sodass ab dem 1.1.2021 wieder die Rechnungslegung mit 7% erfolgen muss (jedoch auch nur befristet bis zum 30.6.2021). Für Getränke gilt mit dem zweiten Corona-Steuerhilfgesetz vom 1.7.2020 bis zum 31.12.2020 der abgesenkte Umsatzsteuersatz von 16%.
Für in den Gaststätten ausgereichte Getränke galt bislang der Regelsteuersatz von 19%, für den Zeitraum vom 1.7. – 31.12.2020 wird dieser Steuersatz auf 16% abgesenkt. Ab dem 1.1.2021 gilt ebenfalls wieder der reguläre Steuersatz von 19%.
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