Digitale Plattformen: Sharing Economy im Fokus

Die EU-Kommission hat den nationalen Finanzverwaltungen jüngst den Zugriff auf die steuerrelevanten Daten der Sharing-Economy-Plattformen inklusive grenzüberschreitendem Informationsaustausch in Aussicht gestellt. Für nicht deklarierte Einkünfte steigt die Entdeckungsgefahr beträchtlich.

Erhebungsdefizite und nationale Betrachtung

Aus steuerlicher Perspektive stehen weite Teilbereiche der Sharing Economy spätestens seit 2014 im Zwielicht. Insbesondere die Schnittmenge der Sharing Economy-Aktivitäten, die entgeltlich sowie plattformbasiert erfolgen, stehen seitdem im Fokus der Finanzverwaltung. Es besteht der Verdacht, dass oftmals keine Veranlagung der auf der Angebotsseite erzielten Einkünfte erfolgt.

Hinzu tritt, dass für die Finanzverwaltung, insbesondere sofern die Abwicklung über digitale Plattformen erfolgt, derzeit kaum handhabbare Möglichkeiten bestehen, die verwirklichten Steuertatbestände außerhalb des Veranlagungsverfahrens und ohne Zugriff auf die Datenbanken der Plattformbetreiber zu erkennen. Vor diesem Hintergrund wurde bspw. im Jahr 2018 ein Auskunftsersuchen an Irland gestellt. Dort hat die europäische Zentrale einer der führenden Anbieter im Wohnraum-Sharing-Segment Ihren Sitz.

Da anzunehmen ist, dass in einer Vielzahl von Fällen erzielte Einkünfte nicht deklariert werden, wurde nicht unlängst dringend angeraten, die erzielten Einkünfte gegenüber den Finanzbehörden offenzulegen (bspw. Kußmaul/Kloster, DStR 2016, 1280) als auch bereits gesetzliche Lösungsmöglichkeiten adressiert, die aufgrund des potentiell zu erwartenden Abwicklungsvolumens in konzeptionell vorzugswürdiger Weise an den Plattformbetreiber anknüpfen (Fetzer u.a., StuW 2020, 106). Der deutsche Gesetzgeber ist bislang, mutmaßlich aufgrund der grenzüberschreitenden Charakteristik und eines seit Längerem in Aussicht gestellten europäisch-harmonisierten Vorgehens, noch nicht aktiv geworden.

Im Bereich der Umsatzsteuer wurde mit Einführung des § 25e UStG ein erster Schritt mit Anknüpfung an die Plattformbetreiber umgesetzt. Durch die Vorschrift haftet der Betreiber eines elektronischen Markplatzes grundsätzlich für die auf Lieferungen durch die leistenden Unternehmer nicht abgeführte Umsatzsteuer, welche über den elektronischen Markplatz abgewickelt wurden. Ein vergleichbares Vorgehen wäre auch bezüglich sonstiger Leistungen denkbar und umsetzbar.

Europäische Initiative zum Abbau der Informationsasymmetrie

Um diesen Herausforderungen der Digitalisierung der Wirtschaft – die derzeit insbesondere in hohen Informationsasymmetrien bestehen – und damit den in der Folge verbundenen Steuererhebungsdefiziten zu begegnen, hat die EU-Kommission am 15.7.2020 einen Richtlinienvorschlag (COM (2020) 314 final) zur Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit im Steuerbereich (DAC7 – Amtshilferichtlinie 2011/16/EU) vorgelegt.

Neben der Stärkung des bestehenden zwischenstaatlichen Informationsaustauschs ist eine Ausweitung der Meldepflichten auf digitale Plattformen vorgesehen, um durch eine höhere Transparenz insbesondere Steuerhinterziehung im Bereich der Plattformökonomie und die damit in Zusammenhang stehenden Wettbewerbsverzerrungen zu bekämpfen. Eine Umsetzung der Richtlinienvorgaben ist derzeit bis zum 31.12.2021 und ein Inkrafttreten für die Meldezeiträume (Kalenderjahr) ab dem 1.1.2022 vorgesehen.

Erfasst werden sowohl Plattformbetreiber, die ihren Sitz innerhalb der Europäischen Union als auch außerhalb haben und folgende Geschäftstätigkeiten ausführen bzw. vermitteln:

  • Vermietung von unbeweglichem Vermögen (Immobilien),
  • persönliche Dienstleistungen (bspw. Fahrdienstleistungen),
  • Verkauf von Gütern,
  • Vermietung aller Arten von Verkehrsmitteln (bspw. Car-Sharing des Privat-PKW),
  • Investitionen und Darlehen im Zusammenhang mit Crowdfunding.

Diese digitalen Plattformen sollen verpflichtet werden vom jeweiligen Verkäufer (Angebotsseite) zahlreiche personenbezogene Daten (u.a. Name, Anschrift, SteuerID, hinterlegte Konten, gezahlte oder gutgeschriebene Vergütungen) zu erheben und regelmäßig zu melden. In Bezug auf die Vermietung von unbeweglichem Vermögen soll eine erweiterte Informationsbasis erhoben und gemeldet werden (u.a. die inserierte Wohneinheit).

Im Kontext der Umsatzsteuer wurde bereits eine entsprechende Erhebung der Daten auf Seiten des Betreibers eines elektronischen Marktplatzes durch § 22f UStG mit einer auf drei Jahre befristeten Bescheinigung über die steuerliche Erfassung des für den liefernden Unternehmer zuständigen Finanzamts umgesetzt. Diese erfasst jedoch bislang nur Lieferungen und keine Dienstleistungen (sonstige Leistungen).

Praxis-Tipp: Handlungsempfehlung für die Vergangenheit

Sind die Fristen für eine ordnungsgemäße Deklaration bereits versäumt oder wurden bereits unvollständige oder unrichtige Steuererklärungen eingereicht, besteht die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO, um neben dem unumgänglichen steuerrechtlichen Verfahren, ein hinzutretendes strafrechtliches Verfahren zu vermeiden. In eher seltenen Fällen kann auch eine Berichtigung nach § 153 AO in Betracht kommen. Die steuerlichen Verjährungsregelungen werden ebenfalls nur selten einen Ausweg bieten können. Sie betragen gem. § 169 Abs. 2 S. 2 AO bei leichtfertiger Steuerverkürzung 5 bzw. bei Steuerhinterziehung 10 Jahre zzgl. der jeweiligen Anlaufhemmung nach § 170 AO sowie etwaigen Ablaufhemmungen. Angesichts dessen, dass die Geschäftsmodelle relativ neu sind, dürften die Fristen regelmäßig noch nicht abgelaufen sein.

Ist bislang keine Steuerdeklaration erfolgt, bedarf es zur Aufarbeitung der Vergangenheit in jedem Fall der Konsultation eines steuerlichen Beraters sowie einer individuellen Einzelfallbetrachtung. Je nach Art und Umfang der jeweiligen Aktivität kann es neben der Einkommensteuerpflicht auch zur Begründung einer Gewerbesteuer- sowie Umsatzsteuerpflicht kommen.

Aufgrund der hohen formellen und materiellen Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige, sollten, soweit dies ex post noch möglich ist,

  • umfängliche Nachweise vorgehalten werden. Die Nachweise sollten unter anderem Kontoauszüge und Abrechnungen der Plattformbetreiber bzw. selbst gestellte Rechnungen umfassen sowie lückenlos und vollständig sein.
  • Neben der Einnahmenseite ist auch die Ausgabenseite zu betrachten und durch Nachweise zu belegen.

Gegenüber der Finanzverwaltung ist in diesem brisanten Stadium der steuerlichen Erklärung höchst mögliche Transparenz geboten.

Praxis-Tipp: Handlungsempfehlung für Gegenwart und Zukunft

Abgesehen davon, dass die Einkünfte unbedingt deklariert werden sollten, ist eine saubere und lückenlose Dokumentation anzuraten. Dies deshalb,

  • weil im Rahmen der Veranlagung auch etwaige Aufwendungen den Einnahmen gegenüberzustellen sind und
  • die Aufwendungen über die geplanten meldepflichtigen Informationen nicht ermittelbar sind.
  • Zu nennen sind hier bspw. öffentlich-rechtliche Abgaben, Mietzahlungen, Leerstandszeiten, Nebenkosten, Gebühren und Kosten für Anzeigen.

Mit Blick auf die Einordnung der Einkunftsart sowie im Lichte aktueller Gesetzesänderungen (bspw. Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau gem. § 7b EStG) ist zur Ermittlung der korrekten Besteuerungsgrundlagen und zur Ausschöpfung legalen Gestaltungspotenzials die Konsultierung eines steuerlichen Beraters zu empfehlen. Die Einbindung eines Steuerberaters ist sowohl im eigenen wie im fiskalischem Interesse, da so die Einkünfte im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten steueroptimal – aus Sicht der Finanzverwaltung nicht zu niedrig und aus Sicht des Steuerpflichtigen nicht zu hoch – ermittelt werden können.

Praxishinweis: Rechtsprechungsbrechende Gesetzgebung sowie verschärfte Verfolgungsverjährung

Nicht nur die sukzessive Ausweitung des Informationsaustauschs, sondern auch die jüngste Verschärfung der Verfolgungsverjährung bei (schwerer) Steuerhinterziehung, die ohne viel Aufsehen zu erregen mit dem zweiten Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz; BGBl. I 2020, 1512) vollzogen wurde, zeigen, dass dringender Handlungsbedarf geboten ist. Dies gilt im Besondern für alle Fälle, in denen das BZSt bereits ein Auskunftsersuchen gestellt und gegebenenfalls auch bereits beantwortet bekommen hat. Hinzu tritt, dass bei schwerer Steuerhinterziehung die Einziehung rechtswidrig erlangter Taterträge neuerdings (§ 375a AO) und entgegen der Rechtsprechung des BGH (v. 24.10.2019, StR 173/19) auch dann möglich ist, wenn die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis bereits verjährt sind.

Ausblick

Was mit Ermittlungen und Auskunftsersuchen in sog. «Ebay-Fällen» begonnen hat, wird sich zukünftig auch auf andere neuere bzw. digitale Geschäftsmodelle ausdehnen. Allen voran ist an die hier behandelte Sharing Economy zu denken, jedoch auch an die Besteuerung von Influencern, die Ihre Einkünfte regelmäßig über digitale Socialmedia-Plattformen wie beispielsweise YouTube, Instagram oder Facebook generieren.

Auch könnte sich der Fokus alsbald auf die Versteuerung von steuerpflichtigen Veräußerungsgewinnen aus Kryptowährungen, die auch bereits im Rahmen eines (Krypto-)Währungsumtauschs anfallen können, ausweiten, wobei sich hier eine ex post Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen ohne sorgfältige Dokumentation noch weitaus schwieriger darstellen wird. Bei Einbeziehung von Derivaten auf Kryptowährungen kommt zusätzlich erschwerend die auszuwertende Masse an Handelsdaten in den volatilen Kryptomärkten hinzu.


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