Krankheitskosten: Wann als Werbungskosten abzugsfähig?

Sicherlich ist allgemein bekannt, dass Krankheitskosten im Rahmen der privaten Einkommen­steuererklärung grundsätzlich als "außergewöhnliche Belastung" steuerlich geltend gemacht werden können. Allerdings ist dabei die sich am Einkommen orientierende sog. zumutbare Belastung "gegenzurechnen", so dass die Abzugsmöglichkeit dann oft bereits bei mittleren Einkommen ins Leere geht. In bestimmten Fällen ist aber auch der Abzug der Krankheitskosten als Werbungskosten/Betriebsausgaben (nachfolgend sprechen wir einheitlich von Werbungskosten) möglich, was generell vorteilhafter ist.

Wann sind Krankheitskosten als Werbungskosten abzugsfähig?

Aufwendungen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit sind grundsätzlich Lebenshaltungskosten, auch soweit die Gesundheitsschädigung durch den Beruf mitverursacht worden ist. Einer Berücksichtigung der beruflichen Mitverursachung als Werbungskosten steht grundsätzlich das Aufteilungsverbot des § 12 EStG entgegen. Das gilt selbst in den Fällen, in denen die Aufwendungen der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit dienen; auch dann sind berufliche und private Gründe (Wiederherstellung bzw. Sicherung der Gesundheit) untrennbar miteinander verwoben. Aufwendungen zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit können allerdings im Einzelfall durchaus Werbungskosten sein (BFH, Urteil v. 11.7.2013, VI R 37/12, BStBl II 2013, 815).

Es stellt sich also die Frage: Wann sind Krankheitskosten als Werbungskosten abzugsfähig? Bei selbst getragenen Behandlungskosten aufgrund eines anerkannten Arbeitsunfalls im Betrieb oder eines Unfalls auf dem Weg zur Arbeit ist die Antwort grundsätzlich einfach - es handelt sich dabei grundsätzlich um Werbungskosten. Schwieriger kann es sein, wenn es sich um die Frage einer „Berufskrankheit“ handelt. Wesentliche Voraussetzung ist zunächst, dass es sich entweder um eine typische Berufskrankheit handelt oder ein Zusammenhang zwischen Erkrankung und dem Beruf eindeutig feststeht.

Beruflich bedingte Krankheitskosten: Nur bei typischer Berufskrankheit

Eine Krankheit gilt dann als typische Berufskrankheit, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Beruf entsteht und für den Beruf typisch ist (z.B. Staublunge bei einem Bergmann oder Bäcker). Es genügt nicht, dass Erkrankungen dieser Art im Beruf häufiger vorkommen; entscheidend ist, ob die Gefahr dieser Erkrankung nur oder hauptsächlich infolge des Berufs und für alle Berufsangehörigen besteht (BFH, Urteil v. 14.1.1954, IV 303/53 U, BStBl III 1954, 86, v. 6.6.1957, IV 158/56 U, BStBl III 1957, 286, v. 9.11.2015, VI R 36/13, BFH/NV 2016,194).

Dabei liegt auf der Hand, dass eine angeborene oder vererbte Krankheit keine Berufskrankheit sein kann (FG Berlin, Urteil v. 10.6.1991, VIII 506/88, EFG 1992, 322). Treten z.B. bei den Kindern eines Röntgenarztes genetische Strahlenschäden auf, so sind die Aufwendungen des Vaters zur Heilung oder Linderung solcher Schäden keine Werbungskosten (BFH, Urteil v. 17.4.1980, IV R 207/75, BStBl II 1980, 639).

"Typische Berufskrankheiten" - Nachweis

In der Praxis ist das nicht immer einfach nachzuweisen, so dass die Zuordnung von Krankheiten, für die man selbst durchaus die berufliche Tätigkeit verantwortlich sieht, leider oft am Nachweis oder an der Eindeutigkeit der Ursache scheitert.

Tipp: Es ist immens wichtig, frühzeitig und vollständig ärztliche Bescheinigungen zu sammeln, um den Zusammenhang zur Krankheit belegen zu können. Denn im Nachhinein lässt sich dies mitunter schwer feststellen. 

Liste der Berufskrankheiten (BKV)

Auf Grund des § 9 Abs. 1 und 6 und des § 193 Abs. 8 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl I 1997, 2623, zuletzt geändert am 10. Juli 2017, BHBl. I S. 2299) erlassen. Danach werden die Berufskrankheiten in der Anlage 1 zur BKV aufgeführt. Die Anlage ist in folgende sechs Bereiche gegliedert:

Nr.Krankheiten
1Durch chemische Einwirkungen verursachte Krankheiten
 11 Metalle und Metalloide
 12 Erstickungsgase
 13 Lösemittel, Schädlingsbekämpfungsmittel (Pestizide) und sonstige chemische Stoffe
2

Durch physikalische Einwirkungen verursachte Krankheiten

 21 Mechanische Einwirkungen
 22 Druckluft
 23 Lärm
 24 Strahlen
3Durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten sowie Tropenkrankheiten
4Erkrankungen der Atemwege und der Lungen, des Rippenfells und Bauchfells
 41 Erkrankungen durch anorganische Stäube
 42 Erkrankungen durch organische Stäube
 43 Obstruktive Atemwegserkrankungen
5Hautkrankheiten
6Krankheiten sonstiger Ursache

Abzug als außergewöhnliche Belastung immer möglich

Hinweis: Scheidet ein Abzug als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben aus, so kommt i.d.R. ein Abzug als außergewöhnliche Belastung in Frage.

Abgrenzung zwischen Werbungskosten und allgemeinen Krankheitskosten: Beispiele

Folgende Fallbeispiele zur Frage des unmittelbaren Zusammenhangs zeigen Abgrenzungsmerkmale zwischen Werbungskosten und allgemeinen Krankheitskosten auf.

Brille zur Behebung einer Sehschwäche: Krankheitskosten als Werbungskosten?

Aufwendungen für die Anschaffung einer Brille, die zur Korrektur einer Sehschwäche dient, sind selbst dann nicht als Werbungskosten abziehbar, wenn die Brille ausschließlich am Arbeitsplatz (Bildschirmtätigkeit) getragen wird. Aufwendungen für Brillen, die eine Schutzfunktion gegenüber den speziellen Gefahren einer Berufstätigkeit erfüllen, sind selbstverständlich als Werbungskosten anzuerkennen (BFH, Urteil v. 23.10.1992, VI R 31/92, BStBl II 1993, 193). Aufwendungen für den Erwerb einer Bildschirm-Arbeitsbrille sind nur dann Werbungskosten, wenn die Sehbeschwerden auf die Tätigkeit am Bildschirm zurückgeführt werden können (BFH, Urteil v. 20.7.2005, VI R 50/03, BFH/NV 2005, 2185), ansonsten scheidet der Werbungskostenabzug aus, auch wenn die Brille nur am Arbeitsplatz getragen und dort auch aufbewahrt wird; sie behält auch dann die Funktion eines medizinischen Hilfsmittels (BFH, Urteil v. 23.10.1992, VI R 31/92, BStBl II 1993, 193).

Aber Achtung: Für Mitarbeiter, die regelmäßig am PC arbeiten und eine spezielle Bildschirm-Arbeitsbrille benötigen, muss der Arbeitgeber aufgrund arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen die entsprechenden Kosten übernehmen. Dies ergibt sich aus § 6 der Bildschirmarbeitsverordnung (BildschArbV) und § 3 Abs. 3 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG). Beim Arbeitgeber sind die Kosten als Betriebsausgaben absetzbar, beim Mitarbeiter entsteht kein steuerpflichtiger geldwerter Vorteil (R 19.3 Abs. 2 Nr. 2 LStR). Allerdings gilt nur ein Augenarzt als „fachkundige Person“ gemäß § 6 Abs. 1 BildschArbV, nicht jedoch ein Optiker. Dies hat zur Folge, dass für den Arbeitgeber keine gesetzliche Verpflichtung zur Übernahme der Kosten für eine spezielle Sehhilfe besteht, wenn lediglich ein Optiker die entsprechende Notwendigkeit bescheinigt (SenFin. Berlin v. 28.9.2009, III B-S 2332-10/2008).

Burn-Out: Beruflich bedingte Krankheitskosten?

In 2015 hat der BFH Kosten in Folge psychische bzw. psychosomatische Erkrankung („Burn out“) eines Arbeitnehmers, der bei Beförderungen übergangen wurde, nicht als beruflich veranlasst angesehen (Urteil vom 09.11.2015, VI R 36/13; BFH/NV 2016, 194).

Diabetes als beruflich bedingte Krankheitskosten?

Kosten, die durch Diabetes entstehen, können in der Regel nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden, weil kaum nachzuweisen ist, inwieweit ihre Entstehung überwiegend mit der Berufstätigkeit zusammenhängt. Der Steuerpflichtige hatte argumentiert, dass die Behandlung seiner Krankheit erforderlich sei, um weiterhin Einkünfte zu erzielen. Der BFH verneinte den Werbungskostenabzug, weil auch Kosten der allgemeinen Lebenshaltung, wie Essen, Trinken, Kleidung, Wohnung usw. insofern in Beziehung zum Beruf stehen, als der Steuerpflichtige ohne solche Aufwendungen seinen Beruf nicht ausüben kann. Der Gesetzgeber will aber gemäß § 12 EStG typische Kosten der Lebenshaltung eben nicht als Werbungskosten behandeln (BFH, Urteil v. 9.2.1962, VI 10/61 U, BStBl III 1962, 235).

Infektionskrankheiten, Prophylaxe eines Lehrers: Krankheitskosten als Werbungskosten?

Infektionskrankheiten stellen bei einem Lehrer keine typischen Berufskrankheiten dar, auch wenn dargelegt werden kann, dass viele Schüler schmutzig zur Schule kommen und Läuse, Wanzen und anderes Ungeziefer keine Seltenheit sind. Sie treffen vielmehr so gut wie jeden Berufstätigen mit Kontakten zu Kunden, Publikum oder Kindern. Dementsprechend könnten Aufwendungen für die Vorbeugung gegen derartige Krankheiten nicht als Werbungskosten, allenfalls als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG berücksichtigungsfähig sein (FG Berlin, Urteil v. 1.8.1989, EFG 1990, 63).

Schulterprobleme einer Berufsgeigerin: Krankheitskosten als Werbungskosten anerkannt

In 2013 hat der BFH den Fall einer Berufsgeigerin behandelt, die Aufwendungen für die Krankengymnastik der Schulter als Werbungskosten geltend machen wollte. Obwohl man durchaus einen Zusammenhang zwischen Beruf und körperlicher Beeinträchtigung sehen kann, hat der BFH den Fall an das Hessische Finanzgericht zurückverwiesen, um notfalls durch einen Sachverständigen prüfen zu lassen, ob die Krankheit beruflich veranlasst ist (Urteil vom 11.7.2013, VI R 37/12). Mit Urteil vom 26.10.2010, 5 K 435/06 hat das Sächsisches FG die Behandlungskosten von Schulterproblemen einer Geigerspielerin als Werbungskosten anerkannt.

Sportunfall eines Berufssportlers: Krankheitskosten als Werbungskosten

Ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Entstehung der Krankheit ist im Allgemeinen leicht festzustellen, wenn die Krankheit durch eine äußere Einwirkung, besonders durch einen Unfall, hervorgerufen worden ist (BFH, Urteil v. 9.2.1962, VI 10/61 U, BStBl III 1962, 235). Dies gilt z.B. für Berufssportler. Da diese gewerblich tätig sind, stellen die Aufwendungen Betriebsausgaben dar (BFH v. 22.2.2012, X R 14/10, BFH/NV 2012, 864.).

Vorbeugende Kurmaßnahmen: Wann beruflich bedingte Krankheitskosten?

Der BFH hat bestätigt, dass nicht nur heilende, sondern durchaus auch vorbeugende Kurmaßnahmen als Werbungskosten angesehen werden können (BFH, Urteil v. 17.7.1992, VI R 96/88, BFH/NV 1993, 19). Zu nennen sind z.B. Vergiftungserscheinungen eines Chemikers, Staublunge eines Bergmannes, Tuberkuloseerkrankung in einer TBC-Heilungsstätte u.a.

Aber:  Kneippkur-Kosten eines gesunden Bundeswehrpiloten, die als vorbeugende Maßnahme dazu aufgewendet werden, seinen allgemeinen Gesundheitszustand zu erhalten, sind weder als außergewöhnliche Belastung noch als Werbungskosten abzugsfähig (BFH, Urteil v. 17.7.1992, VI R 96/88, BFH/NV 1993, 19). Die Kur diente weder zur Heilung noch zur Vorbeugung gegen eine eingetretene oder drohende typische Berufskrankheit; denn nach der Bescheinigung des Fliegerarztes werden diese Kuren nur gesunden Piloten zur Erhaltung der Wehrfliegerverwendungsfähigkeit angeboten. Berufsbezogene Elemente und Umstände der allgemeinen Lebensführung fließen somit untrennbar ineinander, was bereits allein betrachtet, aufgrund des Abzugsverbot für gemischte Aufwendungen (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG) zur Versagung des Werbungskostenabzugsverbots führt.

Wegeunfall: Unfall auf dem Weg zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte

Erleidet ein Steuerpflichtiger auf dem Weg zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte einen Unfall, kann er die durch den Unfall verursachten Krankheitskosten als Werbungskosten abziehen. Solche Krankheitskosten werden lt. BFH nicht von der Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale erfasst (Urteil v. 19.12.2019, VI R 8/18). Zwar sind durch die Entfernungspauschale grundsätzlich sämtliche fahrzeug- und wegstreckenbezogene Aufwendungen abgegolten. Dies gilt auch für Unfallkosten, soweit es sich um echte Wegekosten handelt (z.B. Reparaturkosten). Andere Aufwendungen, insbesondere Aufwendungen in Zusammenhang mit der Beseitigung oder Linderung von Körperschäden, die durch einen Wegeunfall zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte eingetreten sind, werden dagegen hiervon nicht erfasst. Solche beruflich veranlassten Krankheitskosten können daher neben der Entfernungspauschale als Werbungskosten abgezogen werden.

Praxis-Beispiel: Außergewöhnliche Belastung vs. Werbungskosten

Das folgende Beispiel soll in einfacher Form zeigen, wie sich die unterschiedliche Wirkung des Abzuges als außergewöhnliche Belastung einerseits und als Werbungskosten andererseits darstellt. Die Jahresvergütung für einen kinderlosen Steuerpflichtigen soll 60.000 €, die Werbungskosten (Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte, Weiterbildung u.a.) 1.250 €, die außergewöhnliche Belastung 5.000 € betragen..

Im Fall des Ansatzes als außergewöhnlichen Belastung beträgt die zumutbare Eigenbelastung nach § 33 EStG in diesem konkreten Fall 3.447 €, sodass von den Aufwendungen in Höhe von 5.000 € nur 1.553 € steuerlich wirksam werden (dabei ist die Neureglung zur Berechnung der zumutbaren Eigenbelastung gemäß BFH-Urteil vom 19.1.2017, VI R 75/14, BStBl II 2017, 684 berücksichtigt). Abweichend von der bis dahin geltenden Verwaltungsauffassung, wonach sich die Höhe der zumutbaren Belastung ausschließlich nach dem höheren Prozentsatz richtet, sobald der Gesamtbetrag der Einkünfte eine der in § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Grenzen überschreitet, ist die Regelung so zu verstehen, dass nur der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der den im Gesetz genannten Grenzbetrag übersteigt, mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet wird.

 Abzug als außergewöhnliche BelastungAbzug als Werbungskosten
Arbeitslohn60.000 EUR60.000 EUR
abzgl. Werbungskosten- 1.250 EUR- 6.250 EUR
= Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit58.750 EUR53.750 EUR
= Summe der Einkünfte58.750EUR53.750 EUR
   
abzüglich Sonderausgaben (ca. Betrag, da abhängig vom Zusatzbeitrag Krankenkasse)- 10.600 EUR- 10.600 EUR
abzüglich außergewöhnliche Belastung- 1.553 EUR0,00 EUR
= zu versteuerndes Einkommen46.597 EUR43.150 EUR
   
Einkommensteuer 202011.838 EUR9.568 EUR
SolZ596 EUR526 EUR
= Steuern gesamt12.434 EUR10.094 EUR
   
Vorteil des Werbungskostenabzugs 2.340 EUR

Damit ist die Vorteilhaftigkeit des Werbungskostenabzuges gegenüber einem Ansatz als außergewöhnliche Belastung zweifelsfrei aufgezeigt.

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