Steuertipp: Einkünfte aus Kapitalvermögen - Tarifbesteuerung

Wird durch die Betriebsprüfung eine verdeckte Gewinnausschüttung festgestellt – und ist der individuelle Einkommensteuersatz niedriger als der Abgeltungssteuersatz ist guter Rat teuer. Wann ein Antrag auf Tarifbesteuerung gestellt werden kann und wann nicht, damit befasst sich der heutige Steuertipp.

Der Steueranspruch wird bei den Einkünften aus Kapitalvermögen grundsätzlich durch Erhebung der Abgeltungsteuer abgegolten. Dies betrifft neben Dividenden auch verdeckte Gewinnausschüttungen (kurz: vGA), die gleichfalls der Abgeltungsteuer unterliegen. Diese werden regelmäßig durch Betriebsprüfungen aufgedeckt. Hier wird auch  oft festgestellt, dass die Kapitalerträge ohne Kapitalertragsteuereinbehalt durch die GmbH beim Anteilseigner zugeflossen sind.

Vorrang des Veranlagungsverfahrens mit individuellem Einkommensteuersatz

Nach Auffassung der Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 18.1.2016, BStBl 2016 I S. 85, Rn. 144.) gilt: Es geht bei nachträglich im Rahmen einer Betriebsprüfung festgestellten vGA auch nach Einführung der Abgeltungsteuer wie bisher eine Erfassung über die Veranlagung dem nachträglichen Kapitalertragsteuerabzug vor (sog. Vorrang des Veranlagungsverfahrens; s. Lang/Bott in: Ernst & Young, KStG § 8 Rn. 718). Die bislang nicht besteuerten Kapitalerträge sind dann prinzipiell mit dem Abgeltungsteuersatz von 25 % nach § 32d Abs. 1 EStG zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer im Rahmen der Veranlagung nachzuversteuern.

Antrag zur Anwendung des Teileinkünfteverfahrens mit 25 % Abgeltungsteuer

Das Abgeltungsverfahren nach § 32d Abs. 1 EStG und somit der gesonderte Steuertarif von 25 % für Einkünfte aus Kapitalvermögen „auf Antrag“ gilt nicht für Kapitalerträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum, für den der Antrag erstmals gestellt wird, unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 25 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist.

Wird ein Antrag auf Suspendierung des Abgeltungsverfahrens gestellt, unterliegen Dividenden und vGA im Rahmen des Veranlagungsverfahrens der tariflichen Einkommensteuer unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens.

Die Gewinnausschüttungen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG der betreffenden Gesellschaft an den optierenden Steuerpflichtigen unterliegen dann nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG zu 60 % dem regulären Steuersatz. Die Antragstellung ist auch möglich, wenn sich die Besteuerung von Dividenden mit 60 % und dem persönlichen Einkommensteuertarif günstiger erweist als die Abgeltungsteuer von 25 %. Dies ist tendenziell der Fall bei einem persönlichen Grenzsteuersatz bis ca. 40 % unter Berücksichtigung der Kirchensteuer (Lang/Bott in: Ernst & Young, KStG § 8 Rn. 723; Korn, KÖSDI 2014 S. 18818, Rz. 9).

Antragsfrist: Wann der Antrag spätestens gestellt werden muss

Der Antrag ist spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu stellen (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Halbsatz 1 EStG).

Verwaltungsseitig wird die Auffassung vertreten, dass der Antrag spätestens zusammen mit der Abgabe der erstmaligen Einkommensteuererklärung (gleicher Eingangsstempel) für den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu stellen ist. Hierbei handele es sich um eine Ausschlussfrist, wobei es auf die erstmalige Abgabe der Steuererklärung für das jeweilige Jahr ankomme (BMF, Schreiben v. 18.1.2016, BStBl 2016 I S. 85, Rn. 141). Eine Nachholung sei nur unter den Voraussetzungen des § 110 AO möglich.

 

Der BFH hat in einer neueren Entscheidung bestätigt, dass

  • der Antrag auf Besteuerung der Kapitaleinkünfte aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nach der tariflichen Einkommensteuer unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG
  • spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu stellen ist.

(BFH, Urteil v. 28.7.2015, VIII R 50/14, BStBl 2015 II S. 894)

Eine entsprechende konkludente Antragstellung aufgrund des rechtzeitig gestellten Antrags auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG scheidet nach Ansicht des BFH bei einem fachkundig beratenen Steuerpflichtigen in der Regel aus. Gegen das Urteil wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt (Az. des BVerfG: 2 BvR 2167/15).

 Hinsichtlich der Frage, ob eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO zu gewähren ist, wenn ein nicht vertretener Steuerpflichtiger den Antrag auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens EStG erst nach Abgabe der Einkommensteuererklärung und damit verspätet stellt, ist eine Revision anhängig (Az. des BFH: VIII R 33/15).

 

Praxistipp: Nachträglicher Antrag zugelassen – Einspruch einlegen

 Das FG München hat kürzlich entschieden, dass der Antrag auf Tarifbesteuerung unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens im Fall der Aufdeckung einer vGA im Rahmen einer Betriebsprüfung auch dann nachträglich gestellt werden kann, wenn die betreffende Einkommensteuererklärung zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits abgegeben worden ist (FG München, Urteil v. 15.6.2016, 9 K 190/16, Rev. Zugelassen). Dem ist u. E. zuzustimmen. Die Finanzverwaltung wird wohl die zugelassene Revision einlegen. Einschlägige Fälle sollten offengehalten werden, wenn die Tarifbesteuerung steuerlich günstiger ist. Eine „Zwangsruhe“ tritt aber erst dann ein, wenn die Revision beim BFH anhängig ist (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO).

 

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