BGH: So weit reicht Haftungsausschluss bei Grundstückskauf

Ein in einem Grundstückskaufvertrag vereinbarter umfassender Haftungsausschluss für Sachmängel erfasst auch die nach öffentlichen Äußerungen des Verkäufers zu erwartenden Eigenschaften des Grundstücks oder des Gebäudes.

Hintergrund: Haus teilweise älter als angegeben

Der Käufer eines Hausgrundstücks verlangt von den Verkäufern Schadensersatz.

Der Kaufvertrag über das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück wurde im Oktober 2008 geschlossen. Eine Haftung für Sachmängel wurde ausgeschlossen.

Das Gebäude war 1999/2000 am Standort einer ehemaligen Scheune errichtet worden. Dabei wurde in die Außenwand eine vor 1999 in die Scheune eingebaute Rückwand integriert.

Die Verkäufer hatten das Objekt im Internet beworben und es unter anderem wie folgt beschrieben: „Das massive Architektenhaus wurde 1999/2000 errichtet, bis 2005 ausgebaut.“

Der Käufer beanstandet, dass das Haus wegen der Verwendung der Altbausubstanz mangelhaft sei, und verlangt Schadensersatz. Die Verkäufer berufen sich auf den vertraglich vereinbarten Haftungsausschluss.

Das Oberlandesgericht (OLG) hat die Verkäufer zu Schadensersatz verurteilt. Das Gebäude weiche von der vereinbarten Beschaffenheit „Baujahr 1999/2000“ ab, weil die Außenwand vor 1999 errichtet worden sei. Die Wand sei schadensanfälliger und wärmedurchlässiger als die übrigen Wände. Der Haftungsausschluss greife nicht, weil die Verkäufer diesen Mangel arglistig verschwiegen hätten. Dem stehe nicht entgegen, dass sie das Alter der Rückwand nicht als Mangel empfunden hätten. Es genüge, dass sie von den den Mangel begründenden Tatsachen Kenntnis gehabt und trotzdem anderslautende Angaben in Bezug auf die Zeit der Errichtung des Gebäudes gemacht hätten.

Entscheidung: Haftungsausschluss geht weit

Der BGH hebt das Urteil des OLG auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück.

Altes Bauteil allein macht Haus nicht mangelhaft

Das Haus ist nicht allein deshalb mangelhaft, weil das Baujahr teilweise von dem im Internet angegebenen Baujahr abweicht. Ob das Baujahr eines Hauses nicht der geschuldeten Beschaffenheit entspricht, weil ein älteres Bauteil integriert worden ist, hängt davon ab, ob bei objektiver Betrachtung die berechtigte Erwartung des Käufers enttäuscht wird, dass das Gebäude im angegebenen Baujahr errichtet worden ist. Das lässt sich nicht allgemein beurteilen, sondern es kommt darauf an, ob das Haus durch das ältere Bauteil derart geprägt wird, dass es den Charakter verliert, im erwarteten Baujahr erstellt worden zu sein. Maßgeblich dafür sind der Grad der Altersabweichung sowie Art, Größe und Bedeutung des einbezogenen älteren Bauteils für das Gebäude. Je älter, umfangreicher und bedeutender das ältere Bauteil ist - etwa weil es sich um eine tragende Wand handelt -, desto eher wird das Haus aus der objektivierten Sicht des Käufers nicht mehr als in dem geschuldeten Baujahr errichtet anzusehen sein. Da das OLG insoweit nicht differenziert hat, war das Urteil schon deshalb aufzuheben.

Haftungsausschluss gilt umfassend

Auch soweit das OLG den Haftungsausschluss für unerheblich angesehen hat, war das Urteil aufzuheben.

Ein in einem Grundstückskaufvertrag vereinbarter umfassender Haftungsausschluss für Sachmängel erfasst auch die nach öffentlichen Äußerungen des Verkäufers zu erwartenden Eigenschaften eines Grundstücks oder des darauf befindlichen Gebäudes.

Da Grundstückskaufverträge notariell beurkundet werden müssen, kann der Vertrag nur wirksam zustande kommen, wenn die Vertragsurkunde alle Erklärungen enthält, die Inhalt der vertraglichen Regelungen werden sollen. Die Vertragsparteien können nicht davon ausgehen, dass im Vorfeld des Vertrags, etwa bei einer Besichtigung, erteilte Informationen zum Inhalt der vertraglichen Verpflichtungen werden, wenn die geschuldete Beschaffenheit im Kaufvertrag nicht erwähnt wird. Das gilt auch für Eigenschaften, die der Käufer an sich nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers erwarten könnte.

Erst die notarielle Urkunde ergibt, wofür der Verkäufer letztlich einstehen will. Wenn diese einen uneingeschränkten Haftungsausschluss enthält, bedeutet dies, dass der Verkäufer es gerade nicht bei der Haftung für Eigenschaften belassen will, die der Käufer wegen der öffentlichen Äußerungen des Verkäufers erwarten könnte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Verkäufer die Haftung für das Fehlen solcher Eigenschaften vollständig ausschließen will.

Bei Arglist wirkt Haftungsausschluss nicht

Ob der Haftungsausschluss greift, hängt damit davon ab, ob die Verkäufer einen Sachmangel arglistig verschwiegen haben (siehe hierzu auch BGH: Wenn ein Verkäufer lügt, haften alle). Arglist der Verkäufer kann hier nur bejaht werden, wenn sie Kenntnis von der Einbeziehung der älteren Wand in das Wohnhaus gehabt und wenn sie gewusst oder für möglich gehalten haben, dass dadurch ein durchschnittlicher Käufer die Angabe, dass das Haus 1999/2000 errichtet wurde, für unzutreffend hält. Feststellungen hierzu muss das OLG nachholen.

(BGH, Urteil v. 22.4.2016, V ZR 23/15)


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