Nur Eigentümer ODER Vertreter darf in die Eigentümerversammlung
Hintergrund: Eigentümer und Vertreter erscheinen
Ein Wohnungseigentümer wendet sich mit der Anfechtungsklage gegen sämtliche Beschlüsse, die in einer Eigentümerversammlung gefasst worden sind.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft besteht aus drei Einheiten. Der klagende Eigentümer hält eine Wohnung mit einem Miteigentumsanteil von 333/1000. Die anderen Miteigentumsanteile mit den damit verbundenen beiden Wohnungen gehören seinem Vater, der gleichzeitig Verwalter der Gemeinschaft ist.
Laut Teilungserklärung gilt bei Abstimmungen in der Eigentümerversammlung das Objektprinzip. Jeder Wohnung kommt eine Stimme zu. Regelungen zur Zulässigkeit der Vertretung von Mitgliedern in den Eigentümerversammlungen enthält die Teilungserklärung nicht.
In einer Eigentümerversammlung erschienen beide Wohnungseigentümer sowie die Ehefrau des Mehrheitseigentümers und dessen anderer Sohn. Ehefrau und Sohn traten als bevollmächtigte Vertreter für die beiden Einheiten des Mehrheitseigentümers auf, der selbst als Verwalter und Versammlungsleiter handelte.
Noch vor der ersten Abstimmung verließ der klagende Eigentümer die Versammlung, auf der mehrere Beschlüsse gefasst wurden. Er hat gegen all diese Beschlüsse Anfechtungsklage erhoben. Im Wesentlichen rügt er die Verletzung des Gebots der Nichtöffentlichkeit. Der Mehrheitseigentümer habe nicht seine Ehefrau und seinen anderen Sohn als seine Vertreter auftreten und teilnehmen lassen dürfen.
Entscheidung: Verstoß gegen Nichtöffentlichkeit
Die Anfechtungsklage hat Erfolg, weil gegen das Gebot der Nichtöffentlichkeit verstoßen wurde. Der Mehrheitseigentümer hätte nicht zusammen mit seinen Bevollmächtigten an der Versammlung teilnehmen dürfen.
Eigentümerversammlungen sind nicht öffentlich
Personen, die nicht Wohnungseigentümer sind, sind grundsätzlich nicht berechtigt, an Eigentümerversammlungen teilzunehmen. Die Nichtöffentlichkeit dient dazu, die Versammlung von fremdem Einfluss freizuhalten. Die Wohnungseigentümer sollen Meinungsverschiedenheiten grundsätzlich allein unter sich austragen. Außenstehende Dritte sollen nicht auf den Ablauf der Versammlung und dadurch womöglich auf die Meinungsbildung der Wohnungseigentümer Einfluss nehmen können.
Stellvertretung ist grundsätzlich zulässig
Allerdings dürfen sich die Wohnungseigentümer durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen, sofern diese Möglichkeit nicht beschränkt worden ist. Dies war hier nicht der Fall, so dass der Mehrheitseigentümer grundsätzlich einen Vertreter in die Versammlung entsenden durfte.
Eigentümer und Vertreter dürfen nicht gleichzeitig teilnehmen
Dennoch lag hier ein Verstoß gegen das Gebot der Nichtöffentlichkeit vor. Dies ergibt sich daraus, dass der Mehrheitseigentümer neben seinen Vertretern selbst an der Versammlung teilgenommen hat. Das Gebot der Nichtöffentlichkeit der Versammlung soll sicherstellen, dass die Wohnungseigentümer ihre Meinungsunterschiede unter sich austragen, und trägt damit auch den Gedanken eines Gebots der Waffengleichheit in sich. Kein Mitglied der Gemeinschaft soll sich durch die Präsenz von Begleitern unterstützen oder seinem Auftreten mehr Gewicht verleihen lassen. Daraus folgt, dass der Eigentümer, der sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lässt, nicht selbst an der Eigentümerversammlung teilnehmen darf. Tut er es gleichwohl, wird sein Bevollmächtigter zum grundsätzlich nicht teilnahmeberechtigten Dritten. Ließe man den Vertretenen und den Vertreter zugleich teilnehmen, wäre dies eine Umgehung des Verbots, Begleiter in die Versammlung mitzunehmen.
Dies gilt auch im vorliegenden Fall, in dem der Mehrheitseigentümer als Verwalter und Versammlungsleiter in der Eigentümerversammlung auftrat. Die Einnahme dieser Rolle ist kein rechtfertigender Grund dafür, sich als Eigentümer vertreten zu lassen. Die Stellung als Verwalter und Versammlungsleiter macht es ihm nicht unmöglich, zugleich als Eigentümer seine eigenen Interessen zu vertreten.
Kausalität wird vermutet
Dieser formelle Fehler des Verstoßes gegen das Gebot der Nichtöffentlichkeit ist auch ursächlich für die Beschlussfassung geworden. Die Kausalität wird widerleglich vermutet und fehlt nur, wenn feststeht, dass der betreffende Beschluss bei ordnungsgemäßer Verfahrensweise ebenso gefasst worden wäre. Das kann hier nicht angenommen werden. Es darf nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Versammlung auch bei Einhaltung des Gebots der Nichtöffentlichkeit ebenso entschieden hätte. Das Abstimmungsverhalten kann auch durch die vorhergehende Diskussion beeinflusst werden.
(LG Karlsruhe, Urteil v. 21.7.2015, 11 S 118/14)
Lesen Sie auch:
-
Balkonkraftwerke: Das gilt für WEG & Vermieter
2.509
-
Vermieter muss Heizkosten korrekt verteilen
1.657
-
Befristeter Mietvertrag: Darauf sollten Vermieter beim Zeitmietvertrag achten
1.629
-
Schönheitsreparaturen: Zulässige und unzulässige Klauseln für Renovierungen im Mietvertrag
1.401
-
Form der Betriebskostenabrechnung und Mindestangaben
1.358
-
Verwaltungskostenpauschale 2023: Kostenmiete steigt mit Tabelle
1.133
-
Untervermietung: Was kann der Vermieter verbieten?
1.103
-
Schlüssel für Schließanlage verloren: Wer muss zahlen?
1.053
-
Rechtsfolgen des Eigentümerwechsels
1.027
-
Wertsicherungsklausel im Gewerbemietvertrag
993
-
Info-Portal für die Heizungswahl
20.11.2024
-
Energiewende – (Wie) macht das der Verwalter?
19.11.2024
-
BGH bleibt dabei: Schonfristzahlung heilt nur fristlose Kündigung
18.11.2024
-
Heizkosten 2023 um rund 31 Prozent gestiegen
06.11.20242
-
Mietminderung bei Legionellen: Urteile im Überblick
04.11.2024
-
Nur zahlungsrelevante Fehler kippen Jahresabrechnung
29.10.2024
-
Heizungsautomatisierung: Frist endet am 31.12. – Bußgelder drohen
25.10.2024
-
Wärmepumpen-Check: Neue Tools für Hauseigentümer
25.10.2024
-
Vorkaufsrecht von Angehörigen geht Mietervorkaufsrecht vor
23.10.2024
-
Der neue Charme der Betriebsoptimierung
21.10.2024