"Druck von Construction-Techs auf etablierte Baubranche wächst"
Frau Schlesinger, wie erleben Sie derzeit die PropTech-Szene – was hat sich seit dem letzten Jahr getan, und welche Trends beobachten Sie?
Sarah Schlesinger: Die Stimmen aus der PropTech-Szene klingen derzeit von extrem positiv bis betrübt. Die Immobilienbranche befindet sich mittlerweile in einer Phase, die das Marktforschungsinstitut Gartner im Rahmen der Einführung neuer Technologien als "Pfad der Erleuchtung" beschreibt. Erwartungen an PropTechs sind realistischer, das Verständnis für die Vorteile von Technologie besser geworden. Auch durch die Erfahrungen der letzten Monate haben die etablierten Unternehmen gelernt, was die Digitalisierung tatsächlich für sie leisten kann. Profitiert haben in der Coronakrise aber längst nicht alle PropTechs, sondern vornehmlich Anbieter von Lösungen zur Prozessoptimierung, die unabhängig von internen Systemen funktionieren, und solche, die für mehr Marktrelevanz Kooperationen mit anderen PropTechs eingehen.
Sie sprachen es gerade an: Nicht alle PropTechs sind gut durch die Corona-Krise gekommen – sind viele auf der Strecke geblieben? Und wie gehen sie mit den derzeitigen Herausforderungen um?
Die Coronakrise wird die Konsolidierung im PropTech-Sektor, die bereits davor begonnen hat, sicher noch weiter beschleunigen. Noch sind uns zwar keine Liquidierungen bekannt, wir wissen aber, dass aufgrund der Krise verschiedene schon geplante Finanzierungsrunden ausgefallen und geplante Bewertungen oder Investitionssummen gemindert worden sind. Das hat in manchen Fällen existenzbedrohende Folgen für die Startups. Neben dem Investorenverhalten ist in den kommenden Monaten daher entscheidend, wie sich die etablierte Branche verhält und wie schnell der seit den Sommerferien zu spürende "neue Wille zum Durchstarten" tatsächlich umgesetzt wird und damit in einen Geldfluss mündet. Ein Lichtblick sind die staatlichen Hilfen, die allerdings je nach Bundesland unterschiedlich gut zu beantragen sind.
Der Construction-Tech-Sektor erfährt eine immer größere Bedeutung. Wie schätzen Sie dort die weitere Entwicklung ein?
ConTech als Subgruppe von PropTech entwickelt sich auch deshalb so positiv, weil sie für Wagniskapitalgeber hochattraktiv ist. Genau wie die Immobilienbranche ist auch der Bausektor mit bspw. mehr als 550.000 Handwerksbetrieben stark fragmentiert und aufgrund manueller Prozesse, einem hohen personellen Aufwand und langsamer Innovationsgeschwindigkeit in vielen Bereichen derzeit noch sehr ineffizient. Das ist eine optimale Ausgangsbasis für Startups mit cleveren digitalen Lösungen und für renditegetriebene Wagniskapitalgeber. Der Druck von außen auf die etablierte Baubranche wird dadurch weiterwachsen.
Wenn Sie eine Prognose für die nächsten Monate abgeben müssten: Wo steht die Immobilienbranche – und mit ihr die PropTechs – am Ende des Jahres?
Der stärkste Treiber von Digitalisierung in den kommenden Monaten wird der stark regulierte Kapitalmarkt sein. Im Rahmen der ESG-Regulierung der Finanzbranche treten im Frühjahr neue EU-Nachhaltigkeitsvorgaben in Kraft. Durch neue Offenlegungs-, Benchmark- oder Taxonomieverordnungen wird nachhaltiges Bauen und Bewirtschaften zum Zwang. Mit den verschärften Reporting-Anforderungen oder Verpflichtungen, "grün" zu investieren, wird der Druck auf die Bau- und Immobilienwirtschaft stark wachsen. In der Folge wird sich ihr Wertschöpfungsprozess strukturell verändern müssen. Die Schere zwischen denen, die in der Coronakrise jegliche Innovationsbemühungen eingestellt haben und denen, die jetzt gerade Vollgas geben, geht seit dem Frühjahr stark auseinander. Da PropTechs auch zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen vielfältige Lösungen anbieten, wird der PropTech-Markt durch steigende Auftragszahlen und sicher auch eine neue Finanzierungsbereitschaft seitens Wagniskapitalgebern profitieren.
Zum ersten Mal organisieren Sie die Fachkonferenz "Real PropTech" in diesem Jahr rein virtuell. Warum haben Sie sich für dieses Format entschieden und nicht wie viele andere Veranstalter für eine Hybrid-Lösung?
Wir haben während des Lockdowns eine Reihe digitaler Events durchgeführt und viel Neues erprobt. Der virtuelle Raum funktioniert nach anderen Regeln. Und es werden auch vielfältigere Chancen auf Wissensaustausch und Netzwerken gefordert. Gut aufgesetzt bieten digitale Formate deutlich mehr Spielraum. So können wir auf der Real PropTech in diesem Jahr auch auf acht digitalen Bühnen mehr als 50 Stunden Programm anbieten. Darunter sind viele interaktive Sessions, bei denen die Teilnehmer wie in einem Video-Call aktiv mitdiskutieren können. Eine Hybrid-Veranstaltung wäre erheblich komplexer und teurer. Vor allem aber würden diejenigen, die sich lieber physisch treffen, das digitale Angebot nicht so umfassend nutzen. Reines Streaming kommt bei Teilnehmern digitaler Events nicht gut an. Denn solange nur gestreamt wird, fehlt Interaktion. Ist diese zwar gegeben, aber eben nur physisch, teilt sich das Feld der Teilnehmer in die, die digital streamen und die, die physisch netzwerken. Deshalb werden Hybridformate auf Dauer nicht funktionieren.
Haben Sie Tipps für die Teilnehmer, wie sie solch eine virtuelle Veranstaltung am besten nutzen?
Wichtig ist sich klarzumachen, was man von dem Event erwartet. Ob Impulse durch die Teilnahme an Wissensformaten, Erfahrungsaustausch zum Benchmarking eigener Leistungen oder Netzwerken zur Identifikation neuer Businesschancen: All diese Bedürfnisse können digital noch viel gezielter bedient werden und die verschiedenen Teilnehmergruppen können entsprechende Angebote deutlich flexibler nutzen. Wer sich darauf einlässt, wird zudem feststellen, dass auch das Socialising funktioniert, etwa in zufälligen oder gezielten privaten Chats oder Video-Meetings. Da die Abläufe bei digitalen Events anders sind als bei physischen, führen wir mit unseren Partnern vorab intensive Onboardings und Coachings durch. Das ist für uns zwar mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden. Aber wir sind überzeugt, dass nur durch diese Aufbauarbeit Akzeptanz für digitale Events entsteht und virtuelle Formate ein Teil des New Normal werden.
Der Schwerpunkt der Konferenz liegt auf den Sustainable Development Goals 2030 der Vereinten Nationen. Es geht dabei um die Auswirkungen, die die kommenden Veränderungen und Restriktionen auf den Immobilienlebenszyklus und die verschiedenen Assetklassen haben werden. Gibt es im Moment nichts Dringenderes zu besprechen?
Ich stelle die Gegenfrage: Gibt es für unsere Branche und die Unternehmen in der Immobilienwirtschaft etwas Wichtigeres als ihre eigene Zukunftsfähigkeit? Die Covid-19-Pandemie hat unsere Welt massiv verändert. Welche Auswirkungen sie langfristig hat, wissen wir Stand heute noch nicht. Was wir aber mit Gewissheit sagen können ist, dass Nachhaltigkeit und Innovation in der neuen Normalität eine größere Rolle spielen werden. Deshalb haben wir die Sustainable Development Goals der UNO auch in den Fokus gestellt. 2020 ist eine Art Kick-off-Jahr für die tatsächliche Umsetzung der Agenda. Das wird mit Blick auf die Regulatorik sichtbar, die durch das Ende der Intransparenz vieles in unserem bisherigen Geschäftsalltag verändern wird. Aus unserer Sicht gibt es keinen besseren Zeitpunkt, um auf der Real PropTech gemeinsam mit unseren Partnern aktiv Impulse für eine nachhaltigere, bessere Bau- und Immobilienbranche zu setzen.
Wie geht es dem blackprint Booster und wie haben Sie die unruhige Corona-Zeit erlebt?
Wir haben mehr gearbeitet als je zuvor. Kurz nach dem Lockdown hätte Ende März eines unserer Großevents in Frankfurt stattfinden sollen. Wir haben dieses Format dann innerhalb von zehn Tagen in die virtuelle Welt verlegt. Daraus hat sich eine neue digitale Veranstaltungsreihe mit verschiedenen Themenschwerpunkten entwickelt. Die virtuellen Events wurden sehr gut angenommen, wir haben aber natürlich auch viel dabei gelernt. Zugleich hat uns sehr beeindruckt, wie viele Unternehmen jeglicher Größe bereit waren, aktive Rollen zu übernehmen und in den digitalen Austausch zu gehen. Auf diesen positiven Erfahrungen bauen wir jetzt mit der "Real PropTech" auf. Wir hatten so manche schlaflose Nacht in den letzten Wochen. Aber so viel können wir jetzt schon sagen: jede einzelne war es wert.
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