Dieser Autarkiegrad klingt erst einmal niedrig verglichen mit anderen Mieterstromprojekten, bei denen bis zu 75 % und mehr erzielt werden. Grund dafür ist die Sektorenkopplung im Gebäude, also die Nutzung des PV-Stroms auch in der Wärmeversorgung. Dadurch ist der Strombedarf gerade im Winter sehr hoch, so dass dann mehr Strom benötigt wird, als erzeugt werden kann. Dieser Umstand hält den über das Gesamtjahr angegebenen Autarkiegrad vergleichsweise niedrig, erhöht aber umgekehrt – unterstützt durch den Batteriespeicher – den Direktstromverbrauch. Er ist mit rund 99 Prozent ungewöhnlich hoch.
Um die Leistung der PV-Anlage zu steigern und möglichst viel Strom zu erzeugen, wird mit Hochleistungsmodulen gearbeitet, die eine um etwa 15 Prozent höhere Leistung haben als Standardmodule. Genau die Kombination zu finden, bei der die Kriterien der EnEV und eventueller Förderungen erfüllt werden sowie ein hoher Direktstromverbrauch durch die Mieter erfolgt, das ist die größte Herausforderung in der Elektroplanung, berichtet Marc Rehfeldt, staatlich geprüfter Elektrotechniker beim Ingenieurbüro Becker und Henze. Im konkreten Fall erforderte auch die Abstimmung von benötigter PV-Anlagenleistung, Wechselrichter und Stromspeicher viel Fachwissen. "Das gelingt nur, wenn alle eng zusammenarbeiten, TGA-Planer, Energieversorger sowie Architekt und Immobilienbesitzer."
Lokale Stromversorgung mit Mieterstrom
Scheint die Sonne, wird der mittels PV-Dachanlage erzeugte Solarstrom zunächst zur Versorgung der Mieter genutzt. Wird mehr Strom erzeugt, als die Mieter benötigen, werden damit die Wärmepumpen betrieben, sprich geheizt und Warmwasser erzeugt. Erst wenn auch dieser Bedarf gestillt ist, und das ist vor allem in den Sommermonaten der Fall, fließt der Strom in den Batteriespeicher. Und wird sogar mehr Strom erzeugt, als der Speicher am Ende aufnehmen kann, dann wird der PV-Strom ins öffentliche Netz eingespeist. Dafür erhält der Immobilienbesitzer die gängige Einspeisevergütung. Reicht im umgekehrten Fall der vor Ort erzeugte und gespeicherte Strom zur Deckung des Strombedarfs nicht aus, wird Strom aus dem öffentlichen Netz bezogen, in diesem Fall Wirklich Ökostrom von Polarstern.
Mieterstrommodell erfordert komplexe Messverfahren
Das Zusammenspiel der verschiedenen Energieerzeugungs- und Verbrauchsstellen macht ein spezielles Mess- und Abrechnungskonzept erforderlich, um allen Mietern den tatsächlich von ihnen verbrauchten Anteil an Strom aus lokaler Erzeugung und an Netzstrom zuordnen zu können. Schließlich werden Netzstrom und Lokalstrom unterschiedlich mit Netzentgelten, Steuern, Abgaben und Umlagen belastet. Am Ende haben die am Mieterstromangebot teilnehmenden Parteien einen Preisvorteil verglichen zum Grundversorgungstarif in Höhe von rund 10 Prozent. Das sind bei einem 3-Personen-Haushalt bis zu 100 Euro im Jahr.
Technisch gesehen werden zur Messung von Stromerzeugung und -verbrauch, PV-Anlage, Batteriespeicher, die zwei Wärmepumpen und jeder einzelne Mieter als Abnahmestelle an einem Hausanschluss zusammengeführt. Das geschieht über ein Summenzählerkonzept, das von den Netzbetreibern anerkannt ist.
Mieterstrommodell: Investition in die Zukunft
Das neue Mehrparteiengebäude ist als Passivhaus mit dezentraler Energieversorgung und Mieterstrom bereits ein zukunftsweisendes Gebäude. Zusätzlich wurde an jede Verbrauchs- und Erzeugungsstelle ein Smart Meter angeschlossen. "Damit sekundengenau Informationen über den Energiebedarf und die Nutzungszeit vorliegen, müssen die Smart-Meter-Geräte mittels Datenleitungen in ein Kommunikationsnetz eingebunden sein", erklärt Marc Rehfeldt. Auf diese Weise sind Störungen an den Energieerzeugungsanlagen direkt erkenn- und lokalisierbar und der Stromverbrauch kann jederzeit optimiert werden. Über ein einfaches Nutzer-Interface haben der Immobilienbesitzer und der Mieterstrom-Dienstleister Zugang zu den erhobenen Stromverläufen.
Außerdem besteht künftig – sofern die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen gegeben sind – die Möglichkeit, über den Batteriespeicher netzdienliche Leistungen anzubieten, Stichwort Regelenergie. Damit ergeben sich über das Energiekonzept in Zukunft potenziell weitere Geschäftsfelder.
Dieser Artikel ist Teil eines Beitrags, der auch in der Fachzeitschrift DW Die Wohnungswirtschaft, Ausgabe 2/2017, S. 28, erschienen ist. Autor: Florian Henle, Geschäftsführer Polarstern GmbH, München