Intergenerationelles Lernen im öffentlichen Dienst
In den nächsten zehn Jahren werden die sogenannten Babyboomer (Jahrgänge 1950 bis 1969) das Rentenalter erreichen und in den Ruhestand eintreten. Gleichzeitig steigt die Konkurrenz mit der Privatwirtschaft auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt um qualifizierte Nachwuchskräfte. Dies wird erhebliche Auswirkungen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und auch auf die Personalbesetzung der öffentlichen Arbeitsgeber haben. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind im Durchschnitt älter und gehen in den nächsten zehn Jahren in größerer Zahl in den Ruhestand. Laut einer Studie der Unternehmensberatung pwc gemeinsam mit dem WifOR-Institut aus dem Jahr 2016, werden in den Jahren bis 2030 im öffentlichen Sektor etwa 800.000 Fachkräfte fehlen. Das bedeutet, dass etwa jede neunte Stelle nicht besetzt werden können wird. In den Bereichen der ITK-Fachkräfte (Internet und Telekommunikation), Ingenieure und Betreuungs- und Gesundheitsberufen fällt die Zahl noch drastischer aus: Hier wird etwa jede sechste Stelle nicht besetzt werden können. Aufgrund des scharfen Wettbewerbs mit der Privatwirtschaft zählen auch die Gruppe der Führungskräfte und der Büro- und Sekretariatskräfte zu den Berufen mit einem relativ hohen Mangelanteil. Dabei wird der Bund aufgrund der größeren Attraktivität voraussichtlich weniger vom Fachkräftemangel betroffen sein als die Länder und die Kommunen, die aufgrund ihrer ungünstigeren Altersstruktur und ihrer ländlichen Verortung eine bedeutend größere Herausforderung vor sich haben.
Alle Mitarbeitergenerationen müssen an Bord
Eine Schlüsselrolle, um diesem Wandel zu begegnen, wird die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst sein. Das bedeutet, dass es unter anderem zwingend notwendig sein wird, systematisch umfassende Weiterbildungen zu organisieren, um die geringere Anzahl von Mitarbeitern für die kompetente Übernahme von mehr Aufgaben zu rüsten. Neues Wissen, vor allem in Bezug auf Kompetenzen im Zusammenhang mit neuen Technologien, Digitalisierung und effizienten Arbeitsmethoden, werden dabei grundlegend sein, um immer auf dem aktuellen Stand der Wissensgesellschaft zu sein und reagieren zu können. Dabei müssen alle Mitarbeitergenerationen mit ins Boot geholt werden. Dieses gemeinsame Lernen aller Generationen nennt man intergenerationelles Lernen und es wird zu einer Schlüsselfunktion im Meistern der Krise werden, die sich aus dem demografischen Wandel ergeben wird. Dieser Artikel soll verschiedene Aspekte intergenerationellen Lernens zusammenfassen und eine konkrete Methode dafür vorstellen.
Einordnung des intergenerationellen Lernens
Intergenerationelles Lernen wird zumeist als informelles Lernen zwischen den Generationen im familiären Kontext und in der Freizeit betrachtet. So ist es ganz natürlich, dass Eltern ihren Kindern Wissen vermitteln. Die Rolle der Wissensgebenden legitimierte sich in aller Regel aus dem höheren Lebensalter, so dass Menschen aufgrund höheren Lebensalters zunehmendes Wissen zugeschrieben wurde. Die Wissensübertragung findet in diesem Kontext meist beiläufig und unbewusst statt – es ist wenig zielgerichtet und gesteuert und orientiert sich an alltäglichen Situationen anstatt einem festen Curriculum.
Diese Rahmenfaktoren sind für den Bereich der Aus- und Weiterbildung so nicht gültig oder gegeben. Mit der Ausgabe eines bestimmten konkreten Lern- oder Bildungsziels geht auch einher, dass passende Maßnahmen sicherstellen sollen, dass die Bildungsziele erreicht werden – kurz: Es wird nicht dem Zufall überlassen, ob Wissen von Person A nach Person B übertragen wird. Stattdessen gibt es einen konkreten Auftrag, ein Thema oder ein Projekt, in dem eine Person von einer anderen Person lernen soll.
Formen des intergenerationellen Lernens
Neben dem zielgerichteten Charakter von Bildungsmaßnahmen gibt es eine weitere Änderung: Unsere Gesellschaft ist inzwischen davon geprägt, dass Wissen immer weiter verfeinert wird und einzelne Wissensbausteine eine immer kürzere Halbwertszeit haben. Diese Entwicklungen begründen den in der Erwachsenenbildung schon lange etablierten Faktor des lebenslangen Lernens. Damit geht einher, dass nicht mehr das Lebensalter ausschlaggebend dafür ist, wer von wem lernt. Die Frage, wie intergenerationelles Lernen sich darstellt, kann in drei Blickrichtungen beantwortet werden (vgl. dazu Franz, 2014):
- Es wird voneinander gelernt: Dieser Aspekt besagt, dass in einem „Lernteam“ einer der „Experte“ und der andere der Lerner ist. Dabei wird nichts über das Alter ausgesagt und Lernen kann in beide Richtungen stattfinden. Es erfordert einen Perspektivwechsel, dass sowohl eine jüngere Person von einer älteren Person etwas lernen kann als auch umgekehrt. Die Frage, welcher Generation die beiden Teilnehmenden jeweils angehören, steht nicht im Fokus. Dennoch schlägt sich dieser Faktor nieder in Form von Lerngewohnheiten, Abläufen, Lernunterlagen und individuellen Vorlieben, den Lernprozess zu strukturieren.
- Es wird miteinander gelernt: Dieser Aspekt tritt ein, wenn ein Thema, eine Aufgabe oder ein Projekt für alle Beteiligten neu ist. Auch in diesem Fall ist es eigentlich nicht so wichtig, wer welcher Alterskohorte angehört. Dennoch sollte in so einem Setting besonders Rücksicht auf unterschiedliche Zugänge zum Lernprozess geachtet werden. Besonders ältere Lerner haben sich oft im Lauf ihres Lebens eine Methode zurechtgelegt, mit der sie gut zurechtkommen und die sie beibehalten können sollten, auch wenn dies für die jüngeren Lerner so nicht zutrifft.
- Es wird übereinander gelernt: Dieser Aspekt beschreibt die Auseinandersetzung mit der Verschiedenheit der Lerner, die zum Teil in der Zugehörigkeit zu verschiedenen Alterskohorten begründet sein kann. Individuelle Faktoren gehören jedoch ebenso dazu, die nicht unbedingt altersbezogen sein müssen. Sie können sich auch z. B. auf die Erwerbsbiografie, auf Ausbildung und/oder Studium sowie gegangen Karriereschritte beziehen.
Umgang mit Heterogenität
Beim intergenerationellen Lernen ist es elementar, sich bewusst zu machen, für wen man ein Lernangebot plant, denn die Zielgruppe fällt hier per se immer heterogen aus. Das heißt: Zugehörige verschiedener Generationen haben unterschiedliche Erwartungen an Lernveranstaltungen und Vorstellungen davon, wie diese abzulaufen haben. Dies kann zum Beispiel die Geschwindigkeit des Arbeitstempos, die Art des kollaborativen und kooperativen Zusammenarbeitens oder auch den Umgangston innerhalb der der Veranstaltung betreffen. Diese unterschiedlichen Herangehensweisen sollten man als Lehrender im Hinterkopf behalten und eventuell gemeinsam mit den Lernern zu Beginn einer Lernveranstaltung benennen, reflektieren und eine gemeinsame Grundhaltung erarbeiten.
Lernmaterial
Als Medien, um Wissen zu vermitteln und auszutauschen, sind heute unzählige Möglichkeiten denkbar: Von Readern mit Texten bis hin zu gemeinsam erstellten Videos und Podcasts, von einfachen Vorträgen hin zu Barcamps und von Lerntandems bis hin zu aufwändig gestalteten adaptiven Web-Based-Trainings ist alles möglich. Allerdings sollten man sich vor dem Hintergrund des Lernens verschiedener Generationen bewusst sein, dass es auch hier unterschiedliche Präferenzen gibt. Gerade Jüngere sind von Frontal-Vorträgen schnell gelangweilt und haben gerne Abwechslung und den Lehrenden und die Mitlernenden als Sparringspartner an ihrer Seite. Ältere Personen hingegen haben häufig eher wenig Erfahrung mit aktivierenden Methoden in moderierten Lernumgebungen. Daher ist es essenziell, dass bei der Planung von Lerneinheiten darauf geachtet wird, dass diese unterschiedlichen Lernbedürfnisse und – gewohnheiten bedacht und entsprechende Methoden gewählt, bzw. eingeübt werden.
Zeitfaktor
Es lässt sich sagen, dass intergenerationelle Lernprozesse häufig etwas mehr Zeit benötigen. Gerade weil die Voraussetzungen der verschiedenen Generationen so unterschiedlich sind, bzw. sein können, muss der Lehrende Zeit für das Zusammenfinden und Commitment der Gruppe einplanen. Es ist daher sinnvoll, intergenerationelle Lernprozesse eher als längerfristige Bildungsangebote statt als Einmal-Veranstaltungen zu konzipieren. Diese „Extra“-Zeit zu Beginn einer Veranstaltungsreihe kann sich aber am Ende mit einem Lernergebnis auszahlen, an dem alle aus ihrer Perspektive motiviert und verantwortlich mitgearbeitet haben. So wird neben dem Lernerfolg auch Selbstwirksamkeit gesteigert, was die Motivation und Zufriedenheit der Lerner und damit Mitarbeiter erhöhen kann. So gerüstet kann der öffentliche Dienst positiv in die Zeiten des Wandels sehen und ist an dieser Stelle gewappnet für die Zukunft.
-
Personalakten im öffentlichen Dienst
3351
-
Schafft das Mitarbeitergespräch ab!
118
-
Ist der Fachkräftemangel zu Ende?
91
-
Öffentliche Verwaltung ohne Personal? 4 Wege aus der Krise!
80
-
Arbeitsverträge künftig per E-Mail möglich
69
-
Faxgeräte in Behörden - Bann oder Beibehaltung?
68
-
Bis Ende 2025 alle Dienstleistungen für die Wirtschaft digital
60
-
Studie: Bedarf und Wachstumspotenziale von KI in der Verwaltung noch größer als im Privatsektor
42
-
Wie Behörden erfolgreich kommunizieren
422
-
Führung braucht eine (R)Evolution!
33
-
Flexibilität weiter denken
16.12.2024
-
Bis Ende 2025 alle Dienstleistungen für die Wirtschaft digital
04.12.2024
-
Bürgerbeauftragter: Digitale Verwaltung muss verständlich bleiben
26.11.2024
-
Deutsche Bürokratie kostet jährlich 146 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung
20.11.2024
-
Projekt KERN erhält Preis für „Gute Verwaltung“: Ein UX-Standard für die gesamte deutsche Verwaltung
12.11.2024
-
Studie: Bedarf und Wachstumspotenziale von KI in der Verwaltung noch größer als im Privatsektor
28.10.2024
-
Landkreis darf auf Homepage kein kostenloses Stellenportal führen
25.10.2024
-
Bürger erwarten bessere digitale Dienstleistungen der Verwaltung
18.10.2024
-
Nicht mehr aufs Amt: Digitale Wohnsitzanmeldung in Schleswig-Holstein landesweit möglich
11.10.2024
-
Lasst sie einfach ihren Job machen!
02.10.2024