AÜG-Reform: ernüchterndes Fazit

Erstmalig war im Oktober 2018 die Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten für Leiharbeitnehmer erreicht. Die Obergrenze ist eine wichtige Folge der AÜG-Reform vom April 2017. Personaldienstleister haben daher ein ernüchterndes Fazit zu den Auswirkungen der Änderungen auf die Zeitarbeitsbranche gezogen.

Dass die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) einige Veränderungen in der Zeitarbeitsbranche mit sich bringen wird, war bei der Umsetzung der Reform bereits offensichtlich – und offensichtlich vom Gesetzgeber bezweckt: gleichwertige Bezahlung von Leiharbeitnehmern im Vergleich zu den Mitarbeitern des Entleihers, die Benennung der konkreten Leiharbeitnehmer vor Beginn der Überlassung oder auch die zeitliche Höchstgrenze von 18 Monaten für den Einsatz sind einige der wichtigen Änderungen.

AÜG-Reform: Überlassungshöchstdauer sorgt für Unruhe

Gerade die Überlassungshöchstdauer – oder Höchstüberlassungsdauer, beide Begriffe werden synonym verwendet – stellt Arbeitgeber, Leiharbeitnehmer und Personaldienstleister bei längerfristigen Projekten vor Herausforderungen. Die momentane Unruhe rührt vor allem daher, dass alle Leiharbeitnehmer – zeitlich gesehen – im April 2017 bei null gestartet sind und im Oktober 2018 erstmals die 18-Monats-Grenze erreicht haben.

„Die Wiedereinführung der Höchstüberlassungsdauer führte zu mehr Unsicherheit für alle Beteiligten“, sagt daher auch Dr. Christoph Kahlenberg von Randstad. „Gerade Facharbeiter und Spezialisten arbeiten häufig an Projekten, die nach 18 Monaten noch nicht abgeschlossen sind. Sie werden mitten in ihrem Einsatz abgezogen und das Unternehmen verliert im laufenden Betrieb eine eingearbeitete Fachkraft. Davon hat niemand etwas“, ergänzt der Manager für Arbeitsmarktprojekte und für die Randstad Akademie.

Höchstüberlassung: zu viele Varianten bei wenig Übernahmen

Ähnlich sieht das auch Andreas Nusko, Geschäftsführer bei Franz & Wach. „Es herrscht ein großes Unverständnis bei Zeitarbeitnehmern und Kunden hinsichtlich der gesetzlich festgelegten Höchstüberlassungsdauer. Dies führt in sehr vielen Fällen zu einer vorzeitigen Einsatzbeendigung. Die Zahl der Übernahmen durch den Kundenbetrieb ist dagegen nicht signifikant gestiegen.“

Zusätzliche Komplexität schafft der Umstand, dass die Überlassungshöchstdauer verlängert oder theoretisch auch verkürzt werden kann. Dafür bedarf es einer entsprechenden Regelung in einem anwendbaren Tarifvertrag sowie – je nach Gestaltung – einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat. „Bezüglich der Überlassungsdauer gibt es eine Vielzahl von Varianten, die eine extrem hohe Prozesskomplexität in den Unternehmen erzeugt“, sagt deshalb Carlos Frischmuth. Der Managing Director der Hays AG in Deutschland erläutert dies beispielhaft: „Bei tarifgebundenen Unternehmen kann sich die Höchstüberlassungsdauer bereits aus entsprechenden Tarifverträgen ergeben. Hier sei zum Beispiel die Frist von 48 Monaten in der Metall- und Elektroindustrie genannt. Ein nicht tarifgebundenes Unternehmen, bei dem ein Tarifvertrag Anwendung finden würde, benötigt hierfür dann eine Betriebsvereinbarung. In betriebsratslosen Betrieben bleibt es hingegen bei der Höchstgrenze von 18 Monaten.“ Diese Regelung erzeuge ein „Flexibilisierungsgefälle“ und benachteilige vor allem kleine und mittlere Unternehmen, die nicht tarifgebunden sind, ergänzt Frischmuth.

Obergrenze benachteiligt kleine Betriebe und Leiharbeitnehmer

Auch Holger Piening, Geschäftsführer von Piening Personal, sieht die Nachteile für Kleinbetriebe: „Die Höchstüberlassungsdauer ist ein Hemmnis für länger laufende Projekte und schadet zugleich den Interessen der Mitarbeiter. Während es zahlreiche Konzerne schaffen, die Höchstüberlassungsdauer durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen zu strecken, leidet der Mittelstand unter der Regelung. Sie bekommen die Folgen eines erhöhten Rekrutierungsaufwands über höhere Kosten zu spüren.“

Zumal die Überlassungshöchstdauer auch für viele Leiharbeitnehmer mit Einbußen verbunden ist. „Sicherlich war es für den ein oder anderen Mitarbeiter sehr schön, vom Kunden übernommen zu werden. Aber es gibt auch viele Mitarbeiter, die schon lange im selben Einsatz waren, der dann von heute auf morgen enden musste. Durch die Branchenzuschläge war das Lohnniveau dieser Mitarbeiter jedoch so hoch, dass es nicht immer möglich war, einen neuen Einsatz im direkten Anschluss zu finden“, erklärt Bénédicte Autem, Vorsitzende der Geschäftsführung der Unique Personalservice GmbH.

Die sogenannten Branchenzuschläge sorgen stufenweise dafür, dass das Gehalt vieler Leiharbeitnehmer – mit zunehmender Dauer des Einsatzes – an die Vergütung der Stammbelegschaft angepasst wird. Hat der Leiharbeitnehmer aber wegen der zeitlichen Obergrenze einen neuen Einsatz begonnen, verliert er hierfür die Zuschläge und startet erneut von der ersten Gehaltsstufe.

Equal Pay: keine Definition, viel Aufklärungsbedarf

Neben der Überlassungshöchstdauer beschäftigt die Branche insbesondere das Thema „Equal Pay“. Nach der AÜG-Reform gilt hier: Der Leiharbeitnehmer hat spätestens nach neun Monaten – oder wenn Branchenzuschläge gelten nach 15 Monaten – ein gleichwertiges Arbeitsentgelt wie die Stammmitarbeiter beim Entleiher zu erhalten. „Bei Equal Pay hat es der Gesetzgeber versäumt, die Inhalte abschließend zu definieren“, stellt Andreas Nusko von Franz & Wach fest. „Diese unsichere Lage hat dazu geführt, dass Kunden viele Einsätze vor Erreichen der Equal-Pay-Stufe beendet haben. Der befürchtete Einbruch bei der Nachfrage ist bei uns zwar ausgeblieben. Aber noch heute tauchen immer neue Detailfragen auf, die mühsam mithilfe von Anwälten, Behörden oder Verbänden erörtert werden müssen.“

Daneben fehlten den Personaldienstleistern teilweise auch die Informationen zu den Lohnbestandteilen, die der Entleiher zahlt. „Zum Teil war es sehr schwer, beim Kunden das Verständnis dafür zu schaffen, dass er uns Details zur Entlohnung im Unternehmen geben soll“, nennt Bénédicte Autem von Unique eine Herausforderung. Zudem seien bei einigen Unternehmen auch „kreative“ Ideen aufgekommen, die Equal-Pay-Vorgaben oder jene zur Überlassungshöchstdauer zu umgehen. „Das erforderte unsererseits viel Aufklärungsarbeit, um den Kunden verständlich zu machen, dass das so nicht geht“, erklärt Autem.

Hoher Aufwand zur Feststellung des Equal-Pay-Lohnes

Zwar habe man bei Piening eher selten die Erfahrung gemacht, dass Kunden die zur Equal-Pay-Festlegung erforderlichen Daten nicht offenlegen. „Allerdings schmerzt die Kunden der hohe Aufwand, den die Feststellung des richtigen Equal-Pay-Lohns kostet“, erklärt Holger Piening. „Leider müssen wir daher bei Erreichen des Equal-Zeitpunkts rund 35 Prozent unserer Mitarbeiter mitteilen, dass ihr Einsatz durch den Kunden beendet wurde. Das stößt bei den Mitarbeitern auf großes Unverständnis. Folgeeinsätze lassen sich derzeit zwar meist finden, allerdings ist ein neuer Einsatz häufig mit Lohneinbußen verbunden.“

Christoph Kahlenberg von Randstad fasst die Thematik so zusammen: „Equal Pay ist mit einem hohen Administrationsaufwand verbunden, der in keinem Verhältnis dazu steht, was sich für Zeitarbeitnehmer ändert. Ein Großteil unserer Mitarbeiter verdient aufgrund tarifvertraglicher Vereinbarungen ohnehin schon das Gleiche wie vergleichbare Stammbeschäftigte – oder in einzelnen Segmenten sogar mehr.“

AÜG-Reform: Überlassung ist kostspieliger und aufwändiger

Mehr Bürokratie bei wenig Nutzen, das ist letztlich das Fazit der Personaldienstleister zur Reform des AÜG. Carlos Frischmuth von Hays fasst es so zusammen: "Am Ende hat das Gesetz für alle sehr viel Bürokratie – und damit erhebliche Mehrkosten – verursacht."


Hinweis: Den gesamten Beitrag "Die Überlassung wurde kostspieliger und aufwändiger" lesen Sie im aktuellen Personalmagazin, Heft 12/2018. Hier geht es zur Personalmagazin-App.